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Regenerative WärmeSolarthermie in Europa – auf dem Vormarsch oder Stand By?

Solarthermiekollektoren an einer Heizzentrale
Solarthermische Großanlagen leisten einen Beitrag zur Wärmewende. (Foto: naturstrom AG)

Die Wärmegewinnung aus Sonnenkraft ist bei weitem nicht auf dem Schrotthaufen der Technologiegeschichte verschwunden. Gerade große Solarthermieanlagen können die Wärmewende voranbringen – und tun dies auch europaweit.

06.05.2025 – Auf der Europa-Landkarte zur Solarthermie-Nutzung über alle Anlagengrößen fallen Unterschiede auf. In absoluten Installationszahlen war Deutschland Ende 2022 Spitzenreiter, schaut man auf das pro Kopf installierte Volumen geraten andere Länder in den Blick, insbesondere Griechenland und Zypern, die die höchsten Pro-Kopf-Werte vorweisen.

Ein Grund liegt in der ganzjährigen guten Sonneneinstrahlung in diesen beiden Ländern. Die Warmwassersysteme für den Privathaushalt arbeiten zuverlässig und kosten nicht mehr als ein Monatsgehalt. In den meisten Fällen kann damit auch in den kühleren Wintermonaten das Warmwasser für den Haushalt überwiegend bereitgestellt werden. Starke inländische Hersteller kennen den Markt und bedienen ihn. Die große Marktdurchdringung hat aber auch politische Gründe. Die griechische Regierung begann bereits in den 1980er Jahren mit der Förderung solarthermischer Systeme, so dass sie inzwischen weit verbreitet und anerkannt sind.

Solarthermie in Österreich hat Wurzeln in Selbstbaubewegung

Österreich belegt in Relation zur Einwohnerzahl ebenfalls einen Spitzenrang. Der Grundstein wurde auch hier bereits in den 80er Jahren mit der Selbstbaubewegung gelegt. Später, Anfang der 2000er Jahre, wurde das Technologieprogramm klimaaktiv Solarwärme aufgelegt. Das Ergebnis war eine Marktverdopplung von 180.000 auf 356.000 Quadratmeter Kollektorfläche. Als um das Jahr 2010 herum die Photovoltaik immer preiswerter und bekannter wurde, geriet die Solarthermie ins Hintertreffen. Dennoch hob der Klima- und Energiefonds in Österreich ein Förderprogramm für solarthermische Großanlagen aus der Taufe, Anschub für über 200 Projekte.

Die Verdrängung solarthermischer Kleinanlagen aus den Heizsystemen der Hausbesitzer ist ein Trend, der viele Länder betrifft.  Den Wettbewerb haben Wärmepumpen und Photovoltaik vorerst für sich entschieden. Während die Technologie im ursprüngliche Marktsegment eher ein Auslaufmodell ist, nimmt sie in einem anderen Segment Fahrt auf.

Solarthermie wird Player in einer neuen Liga

Denn bei der Nutzung von Solarthermie in Wärmenetzen werden die Karten gerade neu gemischt. Die bewährte Technologie steigt damit in eine neue Liga auf. Zur Dekarbonisierung der rund 6.000 Nah- und Fernwärmenetze in Europa kann die Solarthermie wertvolles beitragen.  Immer öfter werden Multi-Megawatt-Anlagen gebaut und eingebunden. Aus der Historie heraus hat Dänemark die Nase vorn mit 126 Anlagen dieser Größenordnung und Nutzung. Aber auch in Deutschland gibt es rund 50 Anlagen in diesem Segment.  Die Stadtwerke Greifswald integrierten 2022 eine solarthermische Großanlage in ihr Fernwärmenetz. Die Stadtwerke Leipzig bauen gerade eine noch größere Anlage und wollen damit zukünftig im Sommer rund 20 Prozent des Leipziger Tagesbedarfs an Wärme abdecken.  41 Megawatt Erzeugungsleistung – das erreicht schon Größenordnungen der Gas- und Dampfkraftwerke.

Der Zubau verlief bis 2022 in gemächlichem Tempo: in diesem Jahr wurden europaweit vier Anlagen mit 25 Megawatt gebaut, im Jahr zuvor waren es neun Anlagen mit 23 Megawatt. Lange Planungszeiten und schwierige Genehmigungsverfahren nennt Bärbel Epp, Geschäftsführerin der auf Solarthermie spezialisierten Marktforschungsagentur Solrico als Gründe.

Seit kurzem entwickelt sich der Zubau etwas dynamischer, zahlreiche große solare Nahwärmeanlagen wurden angekündigt.  Nahezu fertiggestellt ist eine Anlage in Groningen mit 37 Megawatt Leistung. Das 48.000 Quadratmeter große Kollektorfeld wird an das Fernwärmenetz von Groningen angeschlossen. Zum Einsatz kommen Hochvakuum-Flachkollektoren, die ganzjährig Temperaturen von 69 bis 93 Grad Celsius erzeugen.

Europaweit entstehen große Solarthermieanlagen

Auffallend ist laut Epp, dass gerade große Solarthermieanlagen im Bereich von 20 MW bis 50 MW überall in Europa in den Startlöchern stehen. Einige von ihnen sollen einen saisonalen Speicher beinhalten, der die Sonneneinstrahlung im Sommer speichert, um den Wärmebedarf im Herbst und Winter zu decken. Wo die Machbarkeitsstudien finanziell unterstützt wurden, stehen auch mehr Projekte zum Bau an. Das ist vor allem in Ländern des westlichen Balkans, allen voran Serbien, der Fall.

Österreich ist ein weiterer Vorreiter in Sachen solarthermische Großanlagen. Vor allem seit der Klima- und Energiefonds im Mai 2021 das Budget auf 45 Millionen Euro erhöhte. Es gibt nun keine Obergrenze mehr bei Machbarkeitsstudien und Investitionskostenzuschuss für Kollektorfelder. Roger Hackstock, Solarthermie-Experte aus Österreich zieht Bilanz: „30 Machbarkeitsstudien für Solarthermieanlagen wurden gefördert, die theoretisch zu Investitionen im Wert von 500 Millionen Euro führen könnten. Die ersten vier Anlagen daraus sind bereits in Bau, darunter die weltweit größte Anlage mit PVT-Kollektoren für eine Prozesswärmeanlagen in der Textilindustrie.“

In Deutschland sind nach Aussagen des Forschungsinstitutes Solites Solarthermieanlagen für Wärmenetze mit insgesamt 318 Megawatt geplant. Diese Zahl bildet den Stand von Ende 2023 ab und dürfte schon bald aktualisiert werden. Die geplante Leistung ist damit dreimal so hoch wie die bisher installierte Leistung von 102 Megawatt.

Photovoltaik für ein Wärmenetz wäre Verschwendung

Um die Situation in Deutschland zu erklären, holt Epp etwas weiter aus. Grundsätzlich gilt, dass die Einspeisung von solarthermischer Energie und Abwärme in Wärmenetze umso effizienter möglich ist, umso niedriger die Betriebstemperaturen in dem Wärmenetz (vor allem im Rücklauf) sind. Allerdings läuft ein Großteil der Wärmenetze in Europa bei Temperaturen zwischen 80 °C und 120 °C. „Der große Zeitdruck auf dem Dekarbonisierungspfad wird es unmöglich machen, all diese Netze erst zu modernisieren, bevor die Energieerzeugung auf Solarwärme oder Abwärme umgeschaltet wird“, ist Epp überzeugt. Erste kommerzielle Anlagen beweisen zudem die Machbarkeit, dass Solarthermie dauerhaft auch über 80 °C einspeisen kann.

„Die Solarthermie in Wärmenetzen ist vor allem beim Flächenverbrauch gegenüber der Photovoltaik im Vorteil. Dort wo sie im Sommer 100 Prozent des Wärmebedarfs decken kann, sollte sie unbedingt ins System integriert werden“, sagt Epp und betont einen weiteren Aspekt. „Biomassekessel im Sommer zu betreiben, nur um Brauchwasser zu erwärmen ist wenig sinnvoll, mit Solarthermie könnten diese Kessel im Sommer ganz pausieren. Eine Photovoltaik-Anlage für ein Wärmenetz zu bauen, wäre einfach Verschwendung: Strom erzeugen, um Wärme zu erzeugen, die dann mit dem Duschwasser in den Abfluss verschwindet.“ Davon ausgenommen sind für Epp Stromüberschüsse aus Erneuerbaren, die in Form von Wärme gespeichert werden können.

Förderung für Wärmenetze

Die Fördersituation ist übrigens ganz attraktiv. Über die Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) gibt es einen Betriebskostenzuschuss, aber auch die Investitionskosten sind zu 40 Prozent förderfähig, wenn der Wärmenetzbetreiber einen Transitionsplan vorlegt. Für die Wärmewende forciert die Ampel-Regierung laut Epp im Moment zwei wichtige Hebel. „Das sind die Wärmepumpen im Einfamilienhaus und das andere sind Dekarbonisierungsmaßnahmen in Wärmenetzen, da gehört die Solarthermie unbedingt dazu.“

Epp nennt aber auch einen großen Hemmschuh – den Paragraph 35 des Baugesetzbuches. Er privilegiert bestimmte Baumaßnahmen im Außenbereich von Kommunen, für die weniger Genehmigungsaufwand zu leisten ist. Solarwärme-Anlagen gehören leider nicht dazu. „Jeder Strommast, jeder Transformator hat inzwischen Priorität im Sinne dieses Paragrafen, aber Übergabestationen für Wärmenetze oder Wärmespeicher leider nicht. Dabei wäre genau das dringend notwendig, da Wärmekraftwerke und die dazugehörige Infrastruktur immer in die Nähe der Verbraucher gehören.“

Erdbecken als Wärme-Speicher

Erdbecken als Saisonalspeicher könnten zudem als neue effiziente Speicher in den Blick geraten. In Dänemark konnten die Wärmeverluste durch eine Neugestaltung des Deckels am Speicher Dronninglund auf acht Prozent reduziert werden.  Doch Multi-MW-Anlagen mit Saisonalspeichern gibt es weltweit erst wenige.

Dass Dänemark bei Großanlagen schon so viel geschafft hat, liegt auch hier an politischen Weichenstellungen. Zum einen gab es eine Gassteuer, die den Gaspreis nahezu verdoppelt hat, „was so wirkt, als würden Sie 50 Prozent fördern“, erklärt Epp. Zudem mussten Wärmeversorger ein Prozent ihrer Gewinne pro Jahr in Effizienzmaßnahmen stecken – und Solarthermie war eine Erfüllungsoption. „Leider hat sich dieser Boom 2019 von einer Minute auf die andere in Luft aufgelöst, weil Solarthermie nicht mehr als Erfüllungsoption gilt, sondern nur noch Wärmepumpen.“

Epp nennt auch einen möglichen Grund für diese Entscheidung:  Die vielen Windkraftanlagen bescheren dem Land viel Ökostrom, der möglichst auch im Land genutzt werden soll. Da ist es sinnvoll, ihn in Wärmepumpen umzulenken, statt abzuregeln. Deshalb entschied sich die Politik für neue Regeln, von denen Wärmepumpen profitieren, jedoch die Solarthermie vorerst nicht mehr. 

Dieser landesspezifische Rückschlag sollte aber nicht den Blick dafür verstellen, welche Dynmaik die oben beschriebene Entwicklung für große Solarthermieanlagen gerade aufnimmt. Sie wird auch deshalb weiter gehen, weil die europäischen Vorgaben zu Erneuerbaren-Quoten in den nächsten Dekaden eben Quoten sind, die erfüllt werden müssen. Die Solarwärme ist dabei ein erprobtes und bewährtes Mittel der Wahl. Petra Franke


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Kommentare

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Pavicsits Wilhelm 06.05.2024, 09:42:25

ST ist 4-mal leistungsfähiger als PV. Bis auf wenige Ausnahmen wird viel mehr Wärme als Strom gebraucht. Der künstlich geschaffene Bedarf an Elektrizität dient dem Erhalt und Bau von AKW.


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