Menü öffnen

WärmewendeVerengter Kostenvergleich erschwert Umstieg auf Wärmenetze

Montage großer Solarthermiemodule
Montage großer Solarthermiemodule, welche die Wärmenetze der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim speisen. (Foto: Hans-Christoph Neidlein)

Die Möglichkeit eines Anschluss- und Benutzungszwangs soll die Wirtschaftlichkeit von Wärmenetzen sicherstellen. Doch zumindest im Bestand setzen Kommunen und Stadtwerke meist auf das freiwillige Mitmachen, wie das Beispiel Baden-Württemberg zeigt.

16.08.2021 – Bundesländer wie Baden-Württemberg setzen stark auf den Ausbau der Nah- und Fernwärmeversorgung. Gilt diese doch, vor allem wenn sie regenerativ gespeist wird, als besonders klimafreundlich und effizient. Doch muss genügend Wärme abgenommen werden, damit sich die Netze wirtschaftlich rechnen und somit in Summe auch die Kosten für alle angeschlossenen Abnehmer sinken. Eine Möglichkeit dies zu erreichen ist ein Anschluss- und Benutzungszwang, wie ihn Paragraph 16 der baden-württembergischen Gemeindeordnung vorsieht.

Besonders beliebt ist eine solche verpflichtende Regelung allerdings nicht. Dies gilt vor allem für Stadtteile oder Bestandsquartiere, in denen nachträglich Wärmenetze gelegt werden. „Erfahrungsgemäß ist zu sagen, dass Kommunen nicht leichtfertig von diesem eher unpopulärem Instrument Gebrauch machen“, sagt Matthias Schmid, Sprecher des baden-württembergischen Umweltministeriums. So gelte im Gebiet der großen Fernwärmenetze im Rhein-Neckarraum oder in Stuttgart in den meisten Fällen kein Anschluss- und Benutzungszwang.

Starker Fokus auf Überzeugung und Aufklärung

„Im Bestand realisieren wir Wärmenetze ohne einen Anschluss- und Benutzungszwang, denn dies wäre ein zu schwerwiegender Eingriff in das Privateigentum“, betont auch Martin Klein, Teamleiter Wärme/Innovative Energielösungen bei den Stadtwerken Ludwigsburg-Kornwestheim. Das kommunale Unternehmen gilt als einer der Vorreiter bei der erneuerbar gespeisten Fern- und Nahwärmeversorgung im Land und betreibt hierfür unter anderem eine der größten Solarthermieanlagen (9 Megawatt) Deutschlands. Bei rund 50 Prozent liegt der Anteil der Erneuerbaren Energien übers Mittel gerechnet im 58 Kilometer langen Wärmenetz der Stadtwerke, in einzelnen Netzabschnitten bei bis zu 75 Prozent.

Wie viele andere Städte im Land, so setzen auch Ludwigsburg und Kornwestheim stark auf Überzeugung und Aufklärung und eine enge Zusammenarbeit mit der regionalen Energieagentur, um die Gebäudebesitzer in Bestandsgebieten von den Vorteilen eines Anschlusses ans Wärmenetz zu überzeugen. „Meist fangen wir bei Einzelnen an, und die anderen ziehen dann mit“, sagt Klein.

Abgenommene Wärmemenge entscheidend für Wirtschaftlichkeit

Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit eines Wärmenetzes sei im Übrigen nicht die Zahl bzw. Quote der angeschlossenen Gebäude, sondern die abgenommene Wärmemenge. Sprich, wenn einige große Wärmeabnehmer dabei sind, ist dies von Vorteil. Als Kriterium für einen wirtschaftlichen Betrieb der Netze sieht Klein eine Abnahmedichte von rund 2.500 Kilowattstunden (kWh) pro Trassenmeter, wie er in dem größten Nahwärmenetz der Stadtwerke, dem Verbund Ludwigsburg mit einer Haupttrassenlänge von 30,1 Kilometern und einer Wärmeabnahme von 75,2 Millionen kWh, erreicht wird.

In Neubaugebieten mit dem oft geringen Wärmebedarf der neuen Häuser kommt man laut Klein allerdings kaum an einem Anschluss- und Benutzungszwang vorbei, um Wärmenetze wirtschaftlich betreiben zu können. Allerdings sieht er hier keine großen Akzeptanzprobleme, weil dies ja städtebaulich im Vorfeld schon so festgelegt sei und „die Leute wissen, worauf sie sich einlassen“.

Wärmelieferverordnung als Hemmnis

Dazu komme, dass eine zunehmend erneuerbar gespeiste netzgebundene Wärmeversorgung aufgrund der steigenden CO2-Bepreisung für fossile Brennstoffe wie Öl- oder Gas immer wirtschaftlicher werde, unterstreicht Klein. Schon jetzt sei die Fern- und Nahwärme der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim gegenüber Öl-Einzelheizungen um rund ein Prozent günstiger, gegenüber der Gasversorgung allerdings im Schnitt rund 14 Prozent teurer. Zwar soll fossiles Erdgas in absehbarer Zeit aus Klimaschutzgründen der Vergangenheit angehören, doch spiegelt sich dies derzeit noch nicht in den Preisen wider.

Zudem dürfen laut der Wärmelieferverordnung bei einem Wechsel von dezentralen Heizungen auf Fernwärme die Kosten für Mieter nicht steigen. Ein Instrument zum Mieterschutz, der Haken daran ist allerdings der nur rückwärtsgerichtete und verengte Kostenvergleich. „Die garantierte Teuerung einer fossilen Wärmeversorgung durch den CO2-Preis ist dabei nicht berücksichtigt“, kritisiert Schmid und fordert eine Reform der Regelung. Umso mehr könne die Fern- und Nahwärme auch wirtschaftlich punkten, wenn sie möglichst geringe CO2-Emissionen aufweise. Hans-Christoph Neidlein


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft