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WasserkraftNeuartiges Flusskraftwerk produziert verlässlich Strom

Fluss mit einem Wehr, Berge im Hintergrund
Bei dem Flusskraftwerk sind die Turbinenschächte vor dem bereits existierenden Wehr im Flussbett versenkt. So wird der natürliche Flusslauf erhalten. (Foto: Frank Becht/TUM)

Das weltweit erste Schachtkraftwerk ist mittlerweile seit einem Jahr in Betrieb. Der natürliche Flusslauf bleibt nahezu vollständig erhalten und auch die Fische finden ihren Weg. Starke Hochwasser im letzten Sommer konnte die Anlage bewältigen.

22.03.2021 – In Bayern gibt es viele kleine Flusskraftwerke, die verlässlich Strom produzieren. Neubauten sind wegen der heute geltenden Naturschutzbestimmungen kaum möglich. Ein Team der Technischen Universität München hat eine neue Technologie entwickelt, die viele ökologische Verbesserungen mit sich bringt. Ideengeber waren die Ingenieure Albert Sepp und Peter Rutschmann, ein Team der Technischen Universität München entwickelte die Technologie.

Der neue Kraftwerkstyp wurde an einem bestehenden Querbauwerk an der Loisach im Landkreis Garmisch-Partenkirchen errichtet. Nachdem der erste Antrag auf ein konventionelles Buchtenkraftwerk an dem Standort abgelehnt worden war, entwickelten Rutschmann und Sepp das jetzige Schachtkraftwerk, mit dem ein Folgeantrag gestellt wurde. Die innovative Technologie erfüllte die strengen ökologischen Kriterien. Die ursprüngliche Fließgewässerdynamik bleibt nahezu vollständig erhalten, die Hochwassersicherheit wird durch bewegliche Klappen ertüchtigt.

Seit 2012 liefen die Planungen, im weiteren Projektverlauf wurde ein Modell und eine kleinere Prototypanlage in Obernach gebaut. Die Erkenntnisse aus diesen Projektschritten flossen in den Bau des Schachtkraftwerkes in Großweil an der Loisach ein.

Gemeinde durch Schachtkraftwerk fast CO2-neutral

Die Gemeinde Großweil unterstützte das Vorhaben und wird nun mit ihren rund 1.400 Einwohnern durch das Wasserkraftwerk rechnerisch nahezu CO2-neutral. Die Kommune schloss sich mit den Gemeindewerken Garmisch-Partenkirchen und einem örtlichen Wasserkraftwerksbetreiber zusammen.

Sie gründeten ein eigenes Kraftwerksunternehmen für die Finanzierung, den Bau und den Betrieb der Anlage. Das Kraftwerk hat eine maximale Leistung von 420 Kilowatt und soll 2,5 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen.

Barrierefreier Strömungsweg - Turbinen arbeiten unter Wasser

Für das Schachtkraftwerk muss der Flusslauf nicht umgebaut werden. Stattdessen wird vor dem bestehenden Wehr ein Turbinenschacht ins Flussbett eingebaut. In Großweil sind es zwei Schächte mit jeweils einer Turbine und einem Generator, die unter der Wasseroberfläche arbeiten und nicht sichtbar sind. Der obere Rand des Schachtes liegt auf dem Niveau des Flussbodens und ist mit einem Metallgitter – einem Rechen – abgedeckt, damit Fische nicht in den Turbinenschacht gezogen werden.

Weil das Wasser im rechten Winkel auf die Turbinenschächte trifft, ist die Fließgeschwindigkeit geringer als in einem klassischen Buchtenkraftwerk, was für die Auslegung der Turbinengeneratoren eine Herausforderung darstellt. Die Bauweise und die permanente Über- und Durchströmung schaffen darüber hinaus einen barrierefreien Weg, der von den Fischen für einen gefahrlosen Abstieg genutzt wird.

Den Härtetest hat das Kraftwerk im letzten Sommer bestanden, als ungewöhnlich viele Hochwasserphasen auftraten. Die Loisach nimmt viele Wildbäche aus dem Voralpenland auf, bei starken Regenfällen schwillt der Fluss mitunter innerhalb weniger Stunden stark an. Auch das vom Hochwasser mitgebrachte Treibholz und Geschiebe hält das Bauwerk aus, da im abgesenkten Verschlusszustand eine mächtige Überfallströmung mit großer Spülwirkung generiert wird.

Horizontaler Rechen schützt Technik und Fische

Die besondere Anordnung der Rechengitter stellt technisch und fischbiologisch eine Innovation dar. Zudem ist der Rechen durch die zwei Zentimeter großen Abstände der Metallstäbe ohnehin von Fischen kaum passierbar. Zahlreiche Untersuchungen an der Prototypanlage in Obernach hatten gezeigt, dass die meisten Fische über den Schacht schwimmen. Zusätzlich wurden zu beiden Seiten Fischwanderhilfen gebaut. So ist die Anlage für Fische in beide Richtungen durchgängig. Seit letztem Herbst läuft in Großweil ein spezielles Fischmonitoring, um die tatsächlichen Fischwanderungen und eventuelle Beeinträchtigungen zu untersuchen.

Bereits bei der Errichtung der Prototypanlage in Obernach vor einigen Jahren horchte die Fachwelt auf. In Deutschland sind mittlerweile zwei weitere Projekte geplant: ein Schachtkraftwerk an der Iller wird gerade realisiert, ein weiteres am Neckar befindet sich in der Planungsphase.

Auch international gibt es Interesse. Die Technische Universität München arbeitet inzwischen an einem Folgeprojekt. Dabei soll der schnelle und kostengünstige Bau von Schachtkraftwerken in entlegenen Gebieten optimiert werden. 2023 soll das weiterentwickelte Konzept an einem Standort in Zentralasien demonstriert werden. Das Projekt wird durch die Europäische Kommission gefördert. pf


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