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Abstandsregeln für WindräderMerkel verschiebt das Windkraft-Aus

Sie ist nicht für einen ehrgeizigen Kampf für Energiewende und Klimaschutz bekannt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
Sie ist nicht für einen ehrgeizigen Kampf für Energiewende und Klimaschutz bekannt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). (Foto: © European People's Party via flickr.com, CC BY 2.0)

Das geplante Aus für neue Windräder in Deutschland ist vertagt, Union und SPD setzen ihren Streit um scharfe Abstandsregeln für Windräder fort. Kanzlerin Merkel kündigte einen Kompromiss an, bekannte sich aber zu 1.000 Metern Abstand zu Wohnhäusern.

02.12.2019 – Wie ein Kompromiss in Sachen Klimaschutz aussieht, hat die Bundesregierung bereits Ende September mit ihrem Klimapaket gezeigt, könnte man spotten. Denn das Paket – von vielen Experten höchstens als Päckchen bezeichnet – reicht bei weitem nicht aus, um die versprochenen Klimaziele einzuhalten. Ein Kompromiss um die Koalition zu retten, aber nicht um Probleme zu lösen.

Entsprechend vorsichtig sollte man den von Bundeskanzlerin Angela Merkel nun angekündigten Kompromiss im Streit um Abstandsregeln von Windrädern behandeln. Denn die höchst problematischen pauschalen Abstandsregeln von 1.000 Metern zu Wohnhäusern sind laut Kanzlerin Merkel und der Union gesetzt.

Die nun auf dem Tisch liegenden Optionen lassen sich wie folgt zuspitzen:

  • Wir bauen deutlich weniger Windräder als bisher
  • oder fast gar keine mehr.

Beides reicht nicht für die Energiewende

Schon jetzt, ohne pauschale Abstandsregeln, ist der Ausbau eingebrochen, um über 80 Prozent im Vergleich zu 2018. In den ersten neun Monaten 2019 wurden neue Windräder mit 514 Megawatt in Betrieb genommen. Um die Ökostromziele zu erreichen, müssen es dagegen pro Jahr mindestens 3.800 Megawatt sein, rechnete der nicht als Energiewende-Fan verdächtige Deutsche Industrie- und Handelskammertag DIHK jüngst vor.

Unabhängig davon wie der Koalitions-Kompromiss am Ende genau aussieht, bedeutet er für die Windindustrie in Deutschland und für die Energiewende insgesamt nichts Gutes. Denn bei der Ausgangslage – ein pauschaler Mindestabstand von 1.000 Metern kommt in jedem Fall – kann keine ausreichende Regelung für Ökostrom- und Klimaziele erreicht werden.

Umweltbundesamt fürchtet um Ökostrom- und Klimaziele

Das bestätigen mittlerweile mehrere Studien. „Der Ausbau der Windkraft droht durch die geplante Einführung einer Abstandsregel zum Erliegen zu kommen“, bestätigte das Umweltbundesamt Ende November und präsentierte zur Untermauerung eine 167-seitige Analyse.

Die eigenen Ziele der Bundesregierung, 65 Prozent Ökostrom bis 2030 zu erreichen, „wären in Deutschland bei Einführung eines Mindestabstands von 1.000 Metern zu Wohnbebauung nicht erreichbar.“ Von den Klimazielen ganz zu schweigen.

Eine am Mittwoch veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. „Für das Erreichen der Klimaziele brauchen wir mehr Flächen für die Windenergie, nicht weniger. Pauschale Mindestabstände torpedieren die Energiewende“, sagte Studienautor Jan Stede. Zudem bestätigt die Studie, dass Mindestabstände die Akzeptanz für Windräder in der Bevölkerung nicht stärken. Dafür gebe es bessere Mittel wie eine finanzielle Beteiligung der Kommunen.

Neuer Gesetzentwurf streicht alle Passagen zu Wind und Solar

Um Zeit für Verhandlungen zu gewinnen, hat die Bundesregierung im aktuellen Entwurf des Kohlausstiegsgesetzes die Passagen zur Wind- und Solarenergie komplett gestrichen. Das betrifft auch den Wegfall des Ausbaudeckels für Photovoltaikanlagen, der zügig separat geregelt werden soll.

Auslöser für die Streichung waren heftige Streitigkeiten zwischen dem für die Energiewende zuständigen Wirtschafts- und dem Umweltministerium. Experten und Verbände, darunter mächtige Industrieverbände, hatten in einer sonst kaum bekannten Einigkeit die Bundesregierung dazu gedrängt, den Ausbau der Windenergie nicht weiter abzuwürgen.

Spricht Merkel ein Windenergie-Machtwort?

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in der Generaldebatte im Bundestag am Mittwoch den Streit in ihrem Kabinett über Mindestabstände von Windkraftanlagen zu Wohnhäusern zur Chefsache erklärt und einen Kompromiss angekündigt. Sie bekannte sich aber zum im Gesetzentwurf vorgesehenen pauschalen Mindestabstand von 1.000 Metern.

Der Streit dreht sich nun konkret um die Frage: Was zählt als Wohnbebauung? Das Wirtschaftsministerium, in dem Windkraftgegner und der Wirtschaftsflügel der Union an wichtigen Schalthebeln sitzen, plant die 1.000-Meter-Abstandsregel bereits für Siedlungen mit fünf Gebäuden – und Flächen, auf denen „ein Wohngebäude errichtet werden kann“.

Merkel sagte dazu im Bundestag: „Jetzt reden wir nur noch über einen einzigen Bereich, und das sind die Splitterbereiche, bei denen man fragen kann, ob sie bei sieben Häusern oder bei 30 Häusern beginnen.“ Doch das alles reicht nicht für Energiewende und Klimaschutz. cw


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