Menü öffnen

Nachgefragt
07. Mai 2022

„Wir wollen neue Strecken vorschlagen"

Railcoop ist die erste Genossenschaftsbahn Frankreichs. Sie will Bürger bei ihrer Mobilität mitbestimmen lassen und ländliche Regionen wieder an das Streckennetz anschließen. Dabei kümmern sie sich genau um die Strecken, die klassischen Bahnbetreiber nicht interessieren.

Léo Clavurier ist Assistenz der Geschäftsführung bei der französischen Bahngenossenschaft Railcoop

Léo Clavurier ist Assistenz der Geschäftsführung bei der französischen Bahngenossenschaft Railcoop
Léo Clavurier
Foto: Railcoop

Welche Vorteile hat das Genossenschaftsmodell für den Schienenverkehr?

Hintergrund ist, dass viele Leute sich für den Bahnverkehr interessieren und gern an Entscheidungen teilhaben möchten. Wenn man aber bei Frankreichs nationalem Bahnbetreiber SNCF anfragt, was man tun kann, damit eine neue Linie erstellt wird, dann haben die keine klare Antwort darauf. Die Kunden können also nicht genug teilhaben. Bei Railcoop ist das anders, und das ist wirklich interessant, um den Schienenverkehr zu entwickeln. Wir haben zum Beispiel Bürger, Unternehmen und viele kleine Städte als Aktionäre bei Railcoop. Die können vorschlagen, welche Linien oder Partnerschaften sinnvoll wären. Bei der SNCF haben sie keine Rolle, aber bei Railcoop schon. Das ist etwas, was die Innovation fördert. Wir bei Railcoop bringen alle Parteien an einen Tisch, um den Bahnverkehr voranzubringen. Und es gibt noch viel zu tun.

Frankreichs Regierung will die Bahn jetzt wieder ausbauen. Was halten Sie von den Plänen?

Das ist gut, aber wir brauchen mehr Engagement. Die Regierung will neue Strecken bauen, aber wieder vor allem High-Speed-Strecken. Wir bei Railcoop betreiben klassische Linien. Und wir bräuchten mehr Geld, um die Instandhaltung zu finanzieren. Auf kleineren Linien können Züge teilweise nur deutlich langsamer fahren als möglich, weil die Schienen so schlecht sind. Da gibt es schon einen Mangel an Finanzierung. Bisher hat die Regierung keine Antworten dafür, und die braucht man, um den Schienenverkehr zu entwickeln. Stattdessen gibt es weiterhin viele Investitionen in Autobahnen, dabei bringt uns das nicht weiter. Wir brauchen mehr Züge, um nachhaltig zu reisen. Für das Klima.

Wie wird letztlich entschieden, welche Strecken betrieben werden?

Schon seit November 2021 operiert Railcoop einen täglichen Güterverkehrsdienst in der Nähe von Toulouse. Der erste Railcoop-Personenzug soll im Dezember 2022 kommen, zwischen Lyon und Bordeaux. Die Strecke wurde vorher von der SNCF betrieben, aber vor einiger Zeit eingestellt. Wir wissen hier, dass es ein großes Kundenpotenzial gibt, und es gut für die Region wäre. Besonders ärmere Leute, die vielleicht kein Auto haben, werden so mobiler. Die Vernetzung könnte so dazu beitragen, die Wirtschaft der ländlichen Regionen zu entwickeln. Auch, weil Menschen die Möglichkeit haben, zur Arbeit zu kommen.

Grundsätzlich möchten wir einen ergänzenden Service bieten. Wir sind kein klassischer Wettbewerber, wir wollen neue Strecken vorschlagen. Dabei arbeiten wir auch gerne mit der SNCF zusammen, um den Bahnverkehr bestmöglich auszubauen. Zum Beispiel betreiben wir keine Strecken in oder nach Paris. Denn da gibt es genug Anbieter, dort werden wir nicht gebraucht. Wir wollen Strecken anbieten, die die Leute brauchen, die aber nicht befahren werden. Wenn die SNCF entscheiden sollte, diese Strecken wieder aufzunehmen und selbst zu betreiben, geben wir diese gerne wieder ab. Dann kümmern wir uns um andere Strecken.

Das Interview führte Julia Broich


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft