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Energiekrise – KlimakriseDeutschland fördert fleißig fossile Energien im Ausland

Ölraffinerien unter blauem Himmel
Es fließen immer noch mehr öffentliche Gelder in fossile statt in Erneuerbare Energien. (Foto: Chris Liverani on Unsplash)

Deutschland finanziert mit öffentlichen Mitteln mehr fossile Energieprojekte im Ausland als Saudi-Arabien oder Russland, mahnen NGOs. Öffentliche Gelder und Bürgschaften für Erneuerbare Energien hinkten im Vergleich immer noch schwer hinterher.

02.11.2022 – Trotz Unterzeichnung des Glasgow Public Finance Statement will Bundeskanzler Olaf Scholz internationale Gasförderung unterstützen, kritisiert die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald und ruft gemeinsam mit weiteren NGOs kurz vor dem europäischem Exportfinanzierungsgipfel in Berlin und wenige Tage vor Beginn der Klimakonferenz COP27 in Ägypten Deutschland zum entschlossenen Handeln auf.

Zwischen 2019 und 2021 hat Deutschland jährlich im Schnitt 2,8 Mrd. US-Dollar an öffentlichen Bürgschaften und Krediten für fossile Energien im Ausland vergeben – das zeigt ein von Oil Change International (OCI) und Friends of the Earth U.S. gemeinsam u.a. mit den deutschen Umweltorganisationen urgewald, Germanwatch und New Climate Institute veröffentlichter Bericht. Im Vergleich: Im selben Zeitraum hat Deutschland durchschnittlich 2,2 Mrd. US-Dollar pro Jahr für saubere Energie international zur Verfügung gestellt. Die nun vorgelegten Daten machten deutlich, dass Deutschland zwischen 2019 und 2021 der siebtgrößte öffentliche Geldgeber für fossile Brennstoffe in der Welt war.

Hermes-Bürgschaften und KfW fördern weiter fossil

Die internationale fossile Förderung durch Deutschland stamme aus verschiedenen Quellen, darunter die von Allianz Trade (ehemals Euler Hermes) gemanagten Hermes Bürgschaften sowie die Finanzierungen durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Im Bericht wird deutlich, dass im Untersuchungszeitraum allein Hermes Bürgschaften über rund 2 Mrd. US-Dollar im Jahresdurchschnitt für fossile Energien vergeben wurden. Damit war Allianz Trade 2019 bis 2021 als fossiler Förderer wichtiger als das amerikanische Pendant, die United States Export-Import Bank (US Ex-Im).

Deutschland bei den Schlusslichtern

Vor allem das Vereinigte Königreich, Frankreich, Dänemark, Schweden und Finnland haben bei der Umsetzung des Glasgow Public Finance Statements schon Maßnahmen zur Umsetzung ihrer Verpflichtungen veröffentlicht. Sie haben laut Bericht bspw. ein umfassendes Verbot der internationalen öffentlichen Förderung von Gas im Upstream- und Midstream-Bereich, einschließlich LNG, beschlossen. Bedenklich sei in diesem Zusammenhang, so urgewald, dass sich Bundeskanzler Scholz und das Kanzleramt öffentlich für die weitere Förderung der Exploration und Erschließung von Gasfeldern vor Senegal und Mauretanien einsetzten. Das stehe im Widerspruch zu dem, was Deutschland im Rahmen des Glasgow Public Finance Statement zugesagt hat.

„Jetzt Gasinfrastruktur im Ausland zu fördern, löst nicht die potenziellen Energiesicherheitsprobleme der kommenden zwei Winter in Deutschland, sagt Regine Richter, Energie- und Finanzkampaignerin bei urgewald. Stattdessen werde die Klimakrise beschleunigt. „Wenn Deutschland beim Ende der öffentlichen Förderung fossiler Energien im Ausland nicht substanziell liefert, ist es ein schlechtes Vorbild für andere Nachzügler wie Italien.“ Bundeskanzler Scholz sollte über seinen Schatten springen und dem eindeutigen Ausschluss von Krediten und Bürgschaften für fossile Energien zustimmen.

„Gerade in Anbetracht der aktuellen Energiekrise in Deutschland ist es wichtig, andere Länder dabei zu unterstützen, die deutschen Fehler zu vermeiden, die die Anfälligkeit des Landes verschlimmert haben“, mahnt Senior Climate Finance Policy Analyst beim New Climate Institute Aki Kachi, Das bedeute, die Energiesicherheit durch Erneuerbare Energien und nicht durch die künftige Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu erhöhen. Der Teamleiter für Internationale Klimapolitik bei Germanwatch David Ryfisch hält es egoistisch, für deutsche Energiesicherheitsinteressen andere Länder auf Jahre an die Nutzung fossiler Energien zu binden und sie auf unnötig hohen Emissionen und potenziellen ‚Stranded Assets‘ sitzen zu lassen.

Öffentliche Finanzierung fossiler Energien ist Treiber der Klimakrise

Staatlich unterstützte Finanzierungen tragen dazu bei, das Risiko von fossilen Projekten zu verringern, was Investitionen für private Geldgeber attraktiver macht, warnen die Klimaschützer. In saubere Energie umgelenkt könnte diese öffentliche Unterstützung die internationale Energiewende beschleunigen, die globale Lebenshaltungskostenkrise lindern und die weltweite Abhängigkeit von fossilem Gas verringern, erläutern die Studienautoren.

Wenn alle G20-Länder und Multilateralen Entwicklungsbanken ihre internationale Unterstützung von fossilen Energieträgern vollständig auf saubere Energie verlagern würden, könnte dies im Jahresdurchschnitt 85 Mrd. US-Dollar für die globale Energiewende bedeuten – das wäre fast eine Verdreifachung zum Status Quo, heißt es im Bericht. Dabei müssten allerdings neben Kanada, USA, Deutschland und Italien auch andere große G20-Länder wie Japan, Südkorea und China mitziehen.

Klimaziele mit fossiler Expansion nicht einzuhalten

Mit Blick auf die in wenigen Tagen beginnende COP27 in Ägypten – und vor allem auch gerichtet an die deutsche Delegation – betonen die NGOs noch einmal: Laut Internationaler Energieagentur (IEA) dürfte es für die Einhaltung des 1,5-Gradzieles bereits seit Ende des letzten Jahres keine weitere fossile Expansion und damit auch keine entsprechende öffentliche Finanzierung mehr geben. Die öffentliche Finanzierung fossiler Brennstoffe untergrabe zudem massiv die Wirksamkeit der sogenannten „Klimafinanzierung“, die immer noch nicht in dem von den reichen Ländern versprochenen Umfang von 100 Mrd. US-Dollar pro Jahr ab 2020 – der ohnehin viel zu niedrig ist – bereitgestellt wird. Die öffentliche Finanzierung fossiler Energien konterkariere auch die Unterstützung für Schäden und einen nötigen Schuldenerlass, der für das Überleben von Ländern und Gemeinschaften insbesondere im globalen Süden mittlerweile entscheidend sei, warnen die Autoren des Berichts.

Die G20-Länder und Multilateralen Entwicklungsbanken haben zwischen 2019 und 2021 mindestens 55 Mrd. US-Dollar im Schnitt jährlich an internationaler öffentlicher Finanzierung für fossile Energien bereitgestellt. Dies sei zwar laut Bericht ein Rückgang um 35 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren (2016-2018), aber immer noch fast doppelt so viel wie die Unterstützung für Erneuerbare Energien, die im Durchschnitt nur 29 Mrd. US-Dollar pro Jahr im Zeitraum 2019 bis 2021 betrug. Die Autoren des Berichtes betonen jedoch, dass internationale öffentliche Finanzierung recht volatil und eine Paris-Konformität nur durch ein vollständiges Ende der öffentlichen Unterstützung fossiler Energien möglich wäre.

Die Profiteure bleiben unter sich

Japan, Kanada, Südkorea und China stellten laut NGO-Bericht zwischen 2019 und 2021 erneut die meisten direkten öffentlichen Finanzierungen für fossile Energien zur Verfügung. 53 Prozent der internationalen öffentlichen Finanzmittel für fossile Energien flossen im Untersuchungszeitraum in Gasprojekte – rund 30 Mrd. US-Dollar im Schnitt pro Jahr. Fossiles Gas hat damit mehr internationale öffentliche Förderung als jede andere Energieart erhalten, auch als Erneuerbare Energien im Kollektiv. Die meisten direkten öffentlichen Finanzierungen für fossile Energien flossen dabei aus reichen Ländern in andere (relativ) reiche Länder. Mosambik war das einzige Land mit niedrigem Einkommen unter den 15 größten Empfängern.

Zum vollständigen Bericht
Für den Zugang zu den interaktiven Daten: www.energyfinance.org


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