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Ozeane im KlimawandelDeutschland schränkt marines Geo-Engineering ein

Meeresgrund mit Eiswand
Versenkt und vergessen? CO2 am Meeresboden zu lagern – davon träumen Forscher und Politiker, die das Geo-Engineering – in dem Fall die Meeresdüngung –  im Kampf gegen den Klimawandel vorantreiben wollen. Umweltexperten warnen vor unkalkulierbaren Risiken und verheerenden Folgen für bestehende maritime Ökosysteme. (Foto: By NSF/USAP photo by Steve Clabuesch; uploaded by en:User:Fishdecoy / Public domain / Wikimedia Commons)

Die Bundesregierung will Formen des marinen Geo-Engineerings, die sogenannte Meeresdüngung, zu kommerziellen Zwecken verbieten – zu Forschungszwecken ist sie aber weiterhin mit strengeren Auflagen erlaubt. Experten warnen seit langem vor den unkalkulierbaren Eingriffen in bestehende Ökosysteme.

06.08.2018 – Hitze, Dürre, Starkregen, Überschwemmungen, Waldbrände – der Klimawandel hält uns im Griff und gerät gleichzeitig aus dem Griff des Menschen, jetzt auch in Europa hautnah und deutlich spürbar. Anstatt rigorose Maßnahmen zur Vermeidung von CO2-Emissionen zu ergreifen denken viele Politiker und Wissenschaftler jedoch lieber verstärkt über eine höchst zweifelhafte Symptombehandlung nach, meist ohne die Risiken und Nebenwirkungen zu berücksichtigen – das sogenannte Geo-Engineering.

Beim Geo-Engineering geht es um großräumige technische Maßnahmen, um den CO2-Gehalt der Atmosphäre künstlich niedrig zu halten oder zu senken – zum Beispiel die bereits in verschiedenen Ozeanen angewandte Meeresdüngung, bei der das Algenwachstum im Meer gefördert werden soll, um CO2 aus der Atmosphäre zu binden: Die Folgen für die Ökosysteme lassen sich nicht abschätzen, warnen Umweltexperten.

Die Methode unterliegt seit bereits zehn Jahren verschiedenen Moratorien. Aufgrund eines Vorfalls vor der Küste Kanadas legten die Vertragsparteien des London Protokolls international verbindliche Regelungen zur Meeresdüngung fest, die gegebenenfalls auf andere Formen des marinen Geoengineering erweitert werden können. Vor der Küste Kanadas hatte ein Unternehmen rund 100 Tonnen Eisensulfat in den Pazifischen Ozean gekippt, um eine Algenblüte auszulösen und damit CO2 zu binden. Das Plankton hatte sich dann auf einer Fläche von 10.000 Quadratkilometern auch erkennbar vermehrt. Was aber interessiert Unternehmer an der Methode? – Die Meeresdüngung könnte in der Zukunft lukrativ werden, wenn etwa das künstlich im Meer gebundene CO2 in Form von Emissionsrechten gehandelt würde.

Expertenmeinungen zum Thema Meeresdüngung kontrovers

Auch Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven wollten im Jahr 2009 zu Forschungszwecken sechs Tonnen Eisensulfat in den Atlantik kippen, waren dabei jedoch zunächst auf Widerstand gestoßen. Sie sollten im Auftrag des Bundesforschungsministeriums feststellen, ob sich damit eine Algenblüte auslösen und eine große Menge des Treibhausgases Kohlendioxid binden lasse. Das sogenannte Lohafex-Experiment wurde dann trotz Kritik von vielen Seiten durchgeführt mit dem Ergebnis, dass lediglich Flohkrebse davon profitierten: Denn zur Überraschung der Meeresforscher wuchs zwar wie gewollt der Bestand an Kleinalgen durch das Eisensulfat und es bildete sich eine Algenblüte. Was aber nicht vorgesehen war: Daran fraßen sich winzig kleine Ruderfußkrebse fest. Von dem Eisensulfat und den Algen blieb kaum etwas übrig und auch die Ruderfußkrebse fielen der Nahrungskette zum Opfer – sie wurden wiederum von den größeren Flohkrebsen vertilgt. So wurde das Experiment ohne die gewünschten Ergebnisse beendet und hatte lediglich die Flohkrebse satt gemacht.

Schädliche, unkalkulierbare Auswirkungen

An der Wirksamkeit der Meeresdüngung hegt das Umweltbundesamt daher berechtigte Zweifel. Nicht nur an der Langfristigkeit der Speicherung von CO2 im Meer, sondern auch an der Wahrscheinlichkeit „schädlicher und unkalkulierbarer Auswirkungen“. „Großflächige Ozeandüngungen könnten die Anstrengungen der letzten 20 Jahre auf dem Gebiet der Meerespolitik zunichtemachen“, deren Hauptziel es doch gerade sei, „die anthropogenen Einträge von Nährstoffen in die Meeresökosysteme zu reduzieren.“

Forschung nur noch eingeschränkt möglich, kommerzielle Nutzung grundsätzlich ausgeschlossen

Die Meeresdüngung wird nun nach aktuellen Angaben der Bundesregierung im deutschen Hoheitsgebiet in Zukunft nur noch zu Forschungszwecken erlaubt, und das unter strengen Auflagen – aber nicht mehr zu kommerziellen Zwecken. Dies gelte auch für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone und für deutsche Schiffe. Dazu hat das Bundeskabinett aktuell ein von der Bundesumweltministerin eingebrachtes Ratifizierungsgesetz zu Änderungen des London Protokolls, ein Umsetzungsgesetz sowie den Entwurf einer Verordnung zur Beschränkung des marinen Geo-Engineerings beschlossen.

Wer das Verfahren der Meeresdüngung zu Forschungszwecken anwenden will, müsse nun ein strenges Zulassungsverfahren durchlaufen. Nachteilige Umweltauswirkungen müssten dabei ausgeschlossen werden können. Über eine Rahmenregelung sollen weitere marine Geo-Engineering-Techniken mit möglichen nachteiligen Auswirkungen auf die Meeresumwelt ebenfalls strenger reguliert werden. Bisher haben allerdings erst zwei Mitgliedstaaten des London-Protokolls die Änderungen ratifiziert. Durch die Ratifizierung Deutschlands und die Umsetzung ins deutsche Recht werde nun international ein Signal gesetzt, hoffen die Befürworter.

Wer entscheidet über die weitere Forschung? 

Doch Nationalstaaten allein können keinen erfolgreichen Meeresschutz sicherstellen, schreibt das Umweltbundesamt. Erst die Koordinierung und Bündelung der Maßnahmen auf regionaler, europäischer und globaler Ebene ermöglichten es, den notwendigen Schutz der Meeresökosysteme sicherzustellen. Die wichtigste internationale Rechtsgrundlage ist das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) von 1982, das 1994 in Kraft getreten ist. Seitdem gab es viele weitere Meeresübereinkommen auf internationaler Ebene.

Seit dem Lohafex-Experiment untersuchen deutsche Forscher die Effekte der Meeresdüngung nur noch mithilfe von Computermodellen. 2013 startete ein Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Climate Engineering, welches „Risiken und Chancen der Meeresdüngung und anderer Maßnahmen mithilfe von Simulationen“ eruieren soll. Doch eine Simulation muss irgendwann in der Praxis getestet werden, gerade das hat Lohafex ja deutlich gemacht. Im Modell lässt sich das unberechenbare Verhalten von gefräßigen Krebsen nicht verifizieren. Die Frage bleibt also, welche Versuche weiterhin zugelassen werden und wer das letztendlich beurteilen soll und darf. Denn etliche Forscher sind davon überzeugt, dass die Methode unumgänglich wird um die Erderwärmung zumindest hinauszuzögern – und diese wiederum beraten ja dann die politischen Entscheidungsträger. Nicole Allé


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