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Urbaner KlimaschutzDie Energiewende besser in die Städte integrieren

Podium mit Referenten auf dem dena-Kongress in Berlin
Die urbane Energiewende war eines der wichtigen Themen auf dem dena-Kongress 2019 in Berlin. (Foto: Nicole Allé)

Städte spielen eine zentrale Rolle für den Klimaschutz. Für eine integrierte Energiewende in der Stadt muss die Energieplanung als Aufgabe der Stadtplanung in die Breite getragen werden. Das dena-Projekt „Urbane Energiewende“ macht Vorschläge.

28.11.2019 – Energiewende findet Stadt: Soweit der Slogan – aber wie? Damit hat sich das Projekt Urbane Energiewende der Deutschen Energieagentur (dena) beschäftigt und beim dena-Kongress in Berlin in dieser Woche Ergebnisse vorgestellt.

Politik und Wirtschaft sind dazu aufgerufen, die Gestaltung eines neuen ökonomischen Rahmens für Energiewende und Klimaschutz mit Nachdruck zu verfolgen, forderte der Vorsitzende der dena-Geschäftsführung Andreas Kuhlmann zum Auftakt des Kongresses. Das Klimapaket der Bundesregierung enthalte viele gute Ansätze, aber für das Klimaziel 2030 reichten diese sicher noch nicht aus – er sprach dabei vor allem den politisch verschuldeten Einbruch der Windindustrie an und den insgesamt verschleppten Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland. Die Klimaschutzpolitik habe zwar Fahrt aufgenommen, so Kuhlmann, es fehlten jedoch die verlässlichen Strukturen für deren Umsetzung. Einzelne geplante Regelungen seien kontraproduktiv, die angekündigten rigiden Abstandsregelungen für Windkraftanlagen torpedierten das Ausbauziel für Erneuerbare Energien.

Es fehlt ein umfassender Plan. „An vielen Stellen scheint die Versuchung noch immer groß, an einer Politik der Einzelsteuerung festzuhalten“, sagt Kuhlmann. „Förderprogramme und Vorschriften allein werden aber kaum die wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik anstoßen, die es braucht. Ob die im Klimaschutzgesetz angelegten Regeln zur Nachsteuerung in den Sektoren diesen Trend verstärken oder Raum für eine wirkliche Veränderung des ökonomischen Rahmens schaffen, wird sich erst noch zeigen müssen.“ Das Zusammenspiel der Sektoren in der integrierten Energiewende müsse in Zukunft im Vordergrund stehen.

Städte und Kommunen bieten Potenzial zur Reduzierung von CO2-Emissionen

Rund 80 Prozent der globalen Treibhausgase werden in den Städten und Kommunen emittiert. Hoher Energiebedarf, starker Ressourcenverbrauch, eine hohe Dichte an Infrastrukturen und die Vielzahl von Akteuren bieten in den urbanen Räumen die notwendigen Hebel, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die urbane Energiewende erfordert dafür einen neuen strategischen Orientierungsrahmen – mit einer klugen Integration lokaler Infrastrukturen und vor allem einer transparenten Vernetzung der Akteure. Ausgangsbasis dafür sei die Einführung einer von vielen Stellen geforderten CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Gebäudesektor, ergänzt um eine konsequente Revision der Abgaben- und Umlagesystematik, erläuterte Christoph Jugel, Leiter Energiesysteme bei der dena. Die Stadt müsse vernetzt werden. Das betreffe die Vernetzung der Akteure als auch die technologische Vernetzung durch Digitalisierung – die sollte nicht als notwendiges Übel, sondern als notwendiger und sinnvoller Hebel für das Zusammenbringen der einzelnen Energiebereiche gesehen werden: der Vernetzung zwischen den Sektoren Strom, Wärme, Kälte und Mobilität.

Diese Vernetzung lässt sich am besten im städtischen Quartier umsetzen. In Berlin Lichterfelde ist derzeit ein klimaneutrales Quartier geplant, das alle Sektoren vernetzen und dabei ein nachhaltiges und gemeinschaftliches Wohnen und Leben ermöglichen soll.

Mieterstrom forcieren

Aufgrund begrenzter Flächen liegt ein großes Potenzial zur innerstädtischen Erzeugung von Ökostrom auf den vielen Dächern der Stadt – da ist Platz für viele Solaranlagen. Um alle Stadtbewohner – ob Hausbesitzer oder Mieter – an der Energiewende zu beteiligen ist Mieterstrom ein großes Thema – bislang allerdings noch kaum genutzt. Das liegt nicht am mangelnden Interesse, sondern an steuerlichen Barrieren und Unsicherheiten. Der Ökoenergieversorger NATURSTROM geht hier mutig voran und hat einige Projekte in verschiedenen Städten bereits umgesetzt.

Klimafreundlichere Wärmeversorgung

Ein entscheidender Faktor in der Stadt ist die Wärme- und in Zukunft auch verstärkt die Kälteversorgung. Dabei gilt es vor allem, die vorhandenen Energiequellen besser zu nutzen. „Nutzen statt Abregeln“ lautet hier die Devise – über lokal erzeugte Erneuerbare Energien und Abwärme als auch Erzeugungsspitzen von überregionalem Ökostrom. Der Einsatz CO2-armer und klimafreundlicher Varianten werde jedoch durch hohe Gestehungskosten und Investitionsrisiken gehemmt, stellten die dena-Projektierer fest. Um die Wirtschaftlichkeit gegenüber CO2-intensiveren Varianten zu erhöhen, sollte der Bund die Kraft-Wärme-Kopplung zeitnah weiterentwickeln, lautet eine der Empfehlungen, das angekündigte Förderprogramm zur Fernwärme Erneuerbaren Energien vorantreiben, sowie eine Anpassung des Gebots zur kurzfristigen Kostenneutralität bei der Umstellung der Wärmelieferung in Mietwohnungen vornehmen.

Wie bei der Wärme- und Kälteversorgung sind auch beim Thema Verkehr dicke Brocken zu bearbeiten. Die Erkenntnisse sind hier nicht neu – ja, der öffentliche Verkehr muss künftig noch stärker als Rückgrat urbaner Verkehrssysteme dienen, um Autos aus der Stadt zu kriegen. Um das zu gewährleisten, müssten konkrete Klimaziele in Nahverkehrsplänen verankert werden, sagen die Projektpartner. Sharing-Angebote sollten in erster Linie als Ergänzung zum ÖPNV genutzt werden. Für den Ausbau der E-Mobilität, die in Deutschland gerade erst anläuft, müsse der weitere Ausbau der Ladeinfrastruktur im privaten, im halb-öffentlichen und im öffentlichen Raum jetzt parallel beschleunigt werden – sonst läuft die Entwicklung ins Leere. Zusätzlich sollten klare Regelungen und Schnittstellen für netz- und systemdienliches Laden vorbereitet werden.

Der Fahrradfahrer als Verkehrsteilnehmer spielt – wie so oft – auch in den Mobilitätskonzepten des Projektes kaum eine Rolle. Ihm fehlt einfach die Lobby. So mussten denn auch die umweltbewussten Kongressteilnehmer, die mit dem Rad gekommen waren, lange nach einem Abstellplatz für ihr Fahrrad suchen. Dabei ist vor dem Kongressgebäude viel asphaltierte Fläche – doch es gibt nicht einen einzigen offiziellen Fahrradabstellplatz. Manche Lösungen wären einfach und kostengünstig – und werden wohl gerade deshalb nicht umgesetzt, weil sich keine großen Profite daraus schlagen lassen. na


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