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KlimakriseFlüsse trocknen aus

Flusslauf im Sonnenuntergang
Deutsche Flüsse leiden unter Hitze und zu wenig Regen. Die anhaltend niedrigen Pegelstände haben Konsequenzen für Umwelt und Wirtschaft. (Bild: Alex Hu / pixabay)

Die Pegelstände deutscher Flüsse und Seen sind derzeit ungewöhnlich niedrig. Geringe Wasserstände schränken die Schifffahrt ein und gefährden die Ökosysteme der Gewässer. Auch Stromversorgung und Kraftwerke sind betroffen.

09.08.2022 – Der Juli war weltweit einer der heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen. Nun warnen Forscher vor zunehmender Trockenheit in Deutschland. Rhein, Weser, Elbe, Oder und Donau führen so wenig Wasser wie noch selten zu dieser Jahreszeit. Sollte in den kommenden Monaten nicht deutlich mehr Regen fallen, drohen sie weiter zu sinken. Das hat Konsequenzen für Wirtschaft und Umwelt.

Wasserökosysteme bedroht

Niedrige Pegelstände bedrohen die Ökosysteme der Flüsse. Besonders fatal sind dabei das schwindende Verdünnungspotenzial und Erhitzung bei niedrigen Wasserständen, erklärt Karsten Rinke, Leiter des Department Seenforschung am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ in Magdeburg. Auch die Flussauen werden gestört und drohen auszustrocknen, wenn ein Fluss über längere Zeiträume weniger Wasser führt als üblich.

Große Flüsse transportieren gereinigtes Abwasser zum Meer. Dieses Abwasser enthält im Vergleich zu normalem Flusswasser deutlich höhere Mengen an Nähr- und Schadstoffen wie Stickstoff, Phosphor und organischen Substanzen. Führen die Flüsse nun immer weniger Wasser, so nimmt der Anteil an Abwasser im Verhältnis zum Flusswasser immer mehr zu. Die Folge sind schwankende Sauerstoff- und ph-Werte sowie eine hohe Konzentration an Algen. Verändern sich dieser Faktoren zu stark, so sterben Fische und andere Wasserorganismen ab und das Ökosystem des Flusses beginnt zu kippen. Große Hitze und höhere Wassertemperaturen verändert weiterhin das Verhalten von Sauerstoff im Wasser, was das Auftreten sauerstofffreier Zonen wahrscheinlicher macht, so Rinke. Diese Zonen gehen als Lebensraum verloren. Auf Dauer kann sich der Fluss dann nicht mehr selbst reinigen. Reichern sich die Schadstoffe in den Fischen an, können sie zudem auch in der menschlichen Nahrungsversorgung landen.

„Kleine Fließgewässer sind oft viel stärker betroffen als große. Bei vorhandenem Abwassereinfluss ist der verbleibende Abwasseranteil lokal höher. Wir beobachten außerdem, dass Fließgewässer, die vormals ganzjährig Wasser führten, mittlerweile zu temporären Gewässern werden. Trocken gefallene Flussbetten sind ein Totalverlust für die Flora und Fauna des Gewässers“, so Rinke. Filtration und Abwassermengen müssten klimabedingt an die Wasserbestände angepasst werden, um Flüsse nicht über ihre Grenzen hinaus zu belasten.

Transport über Flussstraßen eingeschränkt

Ist das Wasser zu flach, so können Schiffe nur geringer beladen oder teilweise auch gar nicht mehr fahren. Das hat Konsequenzen für die Wirtschaft, da es den Güterverkehr über Wasserstraßen merklich einschränkt.

„In Deutschland gibt es rund 7.500 Kilometer Binnenwasserstraßen, von denen circa 75 Prozent der Strecke auf Flüsse und 25 Prozent auf Kanäle entfallen. Etwa 4.800 Kilometer des Bundeswasserstraßennetzes besitzen maßgebliche Bedeutung für den internationalen Güterverkehr in Europa. Frachtschiffe transportieren Güter, vor allem Kohle und Erze, Agrargüter, Erdöl und Erdölprodukte, Sand und Kies, Stahl und Schrott sowie Container und auch Gefahrgüter. Hinzu kommt die Fahrgastschifffahrt, die in den letzten Jahren auf einigen Binnengewässern als touristisches Verkehrsmittel deutlich zugenommen hat: Mittlerweile verkehren auf deutschen Gewässern rund 1.000 Fahrgastschiffe, die jährlich ungefähr zehn Millionen Fahrgäste befördern“, legt Boris Lehmann, Professor für Wasserbau und Hydraulik an der Technischen Universität Darmstadt dar.

Zusätzlich wirken sich die Transportbehinderungen auch auf die Stromversorgung aus. Denn Deutschland setzt derzeit wieder vermehrt auf Kohleverstromung, um Gas zu reduzieren. Kohle wird meist per Schiff zu den jeweiligen Kraftwerken transportiert. Können die Schiffe nicht oder nur mit deutlich geringerer Ladung fahren, so können Kraftwerke mitunter nicht wie geplant versorgt und betrieben werden.

Kraftwerkskühlung beeinträchtigt

Auch die Industrie bekommt Probleme: „Entlang der großen Flüsse finden sich etliche Industrie- und Kraftwerksstandorte. Die Industrie nutzt das Flusswasser als Prozess- und/oder Kühlwasser und entnimmt die dafür benötigten Wassermengen mittels örtlich am Gewässerlauf errichteter Pumpwerke. Je nach Niedrigwassersituation ist das Auspumpen der benötigten Wassermengen aus dem Fluss nicht mehr möglich“, so Lehmann. Um einen Kollapse zu verhindern, schränken örtliche Behörden zudem häufig die Entnahme von Flusswasser bei Niedrigwasserständen ein oder verbieten sie ganz.

Anhaltendes Niedrigwasser kann also dazu führen, dass die Industrie ihre Produktion drosseln oder stoppen muss. „Auswirkungen auf die Großkraftwerke sind in allen Flüssen spürbar, werden aber durch die Dekarbonisierung unserer Energieversorgung und den Atomausstieg zumindest mittelfristig abnehmen“, zeigt sich Rinke zuversichtlich. Neben den erwünschten Nachhaltigkeitsgedanken in der Energieversorgung stelle dies auch eine Klimaanpassung dar, da der Kühlwasserbedarf deutlich sinke. jb


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