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KlimakriseGrönlands Eisschild droht zu kippen

Großes Schlauchboot mit Touristen, die einen im Wasser treibenden Eisberg fotografieren
Schnell noch ein paar Fotos von den letzten Eisbergen schießen – für die kommenden Generationen (Foto: Pixabay)

Klimaforscher warnen vor der Destabilisierung von Grönlands Eisschild. Der westliche Teil steht möglicherweise vor einem kritischen Übergang, der zu rasantem Abschmelzen führen könnte. Der globale Anstieg des Meeresspiegels würde massiv verstärkt.

19.05.2021 – Bereits im Jahr 2019 hatte Grönland einen historischen Eisverlust zu beklagen. Die globale Erwärmung sowie ein langanhaltendes Hochdruckgebiet im Sommer – eine Folge des schwächelnden Jetstream – setzen dem einst als ewig geltenden Eis massiv zu. Ein Team von Klimaforschern aus Deutschland und Norwegen hat nun aktuell neue Frühwarnsignale entdeckt, die darauf hinweisen, dass Teile des grönländischen Eisschildes schon bald einen Kipppunkt überschreiten könnten: Das betrifft den zentral-westlichen Teil des grönländischen Eisschildes – hier drohe ein „kritischer Übergang". Aufgrund steigender Temperaturen habe die Destabilisierung des Eisschildes bereits begonnen, und der Prozess des Abschmelzens könnte selbst bei begrenzter Erwärmung eskalieren, verdeutlicht die neue Studie der Klimaforscher. Die Auswirkungen wären fatal – wenn das Eisschild wirklich kippt, würde dies den langfristigen globalen Anstieg des Meeresspiegels in erheblichem Ausmaß verstärken, heißt es in der Studie.

Die beiden Forscher Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und der Freien Universität Berlin und Martin Rypdal von der Arctic University of Norway zogen für ihre Analyse Meeresspiegeltemperaturen von Wetterstationen, Schmelzintensitäten aus Eisbohrkernen in Zentralwestgrönland sowie entsprechende Computermodell-Simulationen heran. In den Schwankungen der Eisschildhöhen fanden sie die „beunruhigenden Frühwarnzeichen“, die darauf hindeuten, dass ein Kippen dieses Teils des Eisschildes bevorstehen könnte.

Ein klimabedingter Teufelskreis: Warnung vor dem „point of no return“

Die Forscher erläutern den physikalischen Vorgang, der die Gesamtstabilität des grönländischen Eisschildes bestimmt. Es handle sich dabei um den Rückkopplungsmechanismus melt-elevation feedback: Der Temperaturanstieg führe zum Schmelzen, wodurch sich die Höhe des Eisschildes verringere. „Auf einem Berg ist es oben kalt und unten weniger kalt“, berichten die Studienautoren. „Wenn also die Oberfläche des Eisschildes schmilzt, sinkt es in die tiefere, wärmere Umgebungsluft – was wiederum zu beschleunigtem Schmelzen und zusätzlichem Höhenverlust führt.“

Dieser Mechanismus sei schon lange bekannt, so die Forscher, und gelte als einer der Hauptverdächtigen für die festgestellte Destabilisierung der zentral-westlichen Teile des grönländischen Eisschildes. „Aber wir können nicht ausschließen, dass auch andere Rückkopplungen eine wichtige Rolle spielen, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Albedo (Rückstrahlvermögen) des Eisschildes“, erklärt Niklas Boers.

Eine überaus beunruhigende Entwicklung

Nach ihren bisherigen Modellergebnissen sei das Abschmelzen des Grönlandeisschildes ab einer kritischen Schwelle der globalen Mitteltemperatur von 0,8 bis 3,2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau unvermeidlich, erklären die beiden Wissenschaftler. Sobald diese Schwelle überschritten werde, könnte der gesamte Eisschild über hunderte oder tausende von Jahren vollständig abschmelzen, was zu einem globalen Meeresspiegelanstieg von mehr als sieben Metern und einem Zusammenbruch der atlantischen meridionalen Umwälzzirkulation (AMOC) führen könnte, die für die relative Wärme in Europa und Nordamerika verantwortlich ist.

Doch neben mehreren „positiven“ Rückkopplungen, die das Schmelzen beschleunigen, gebe es auch „negative“ Rückkopplungen, die den grönländischen Eisschild auf mittleren Höhen stabilisieren könnten – vor allem durch eine zunehmende Akkumulation. „Wir müssen dringend das Zusammenspiel der verschiedenen positiven und negativen Rückkopplungsmechanismen besser verstehen, die die aktuelle Stabilität und die zukünftige Entwicklung des Eisschildes bestimmen“, sagt Boers. Intensivere Beobachtungen wären nötig.

Treibhausgasemissionen runter, und zwar schnell

Während die Forscher ihre Arbeit machen, sollten Politik und Wirtschaft das auch tun – damit es nicht zum vorhersehbaren Klimadesaster kommt. „Unabhängig vom genauen Zusammenspiel der verschiedenen Rückkopplungen müssten wir die Temperaturen deutlich unter das vorindustrielle Niveau absenken, um wieder die Eisschildhöhe der letzten Jahrhunderte zu erreichen“, mahnt denn auch Boers. „Praktisch wird also der gegenwärtige und in naher Zukunft zu erwartende Massenverlust des Eises weitgehend irreversibel sein. Deshalb ist es höchste Zeit, dass wir die Treibhausgasemissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe schnell und deutlich reduzieren und das Eisschild und unser Klima wieder stabilisieren.“ na


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Kommentare

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Gernot Kloss 20.05.2021, 11:01:10

Die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius drücken zu können, ist nur noch Wunschdenken. Wenn wir nicht sofort und nachhaltig umdenken, kann uns bis 2100 eine Erderwärmung von bis zu vier Grad Celsius drohen. Dies wird in meinem bereits 2018/2019 verfassten Buch - Wie die Menschheit versucht, sich abzuschaffen - exakt beschrieben. Dieses vorausschauende, im Verlag epubli.de erschienene Buch, demaskiert die heutige Klimaforschung in dem es viele ihrer Lehrmeinungen widerlegt.

 

Erstaunlich ist, dass unserer Klimaforschung erst jetzt aufzuwachen scheint. Noch erstaunlicher ist, dass sie immer noch nicht die genauen Zusammenhänge des Klimawandels kennt.

Kurt Werner 04.07.2021, 17:09:59

Hallo Herr Kloss, leider habe ich Ihr Buch nicht gelesen.

Ihr Kommentar hat einen kleinen Widerspruch: "unter zwei Grad ist nur noch Wunschdenken, wenn wir nicht sofort umdenken..." heißt für mich: wenn wir umdenken und schnell handeln können die Klimaziele noch erreicht werden.

Allerdings ist fraglich ob wir die Kurve kriegen. Wenn wir davon ausgehen dass Politik und Gesellschaft weiterhin die Realität verdrängen, haben Sie recht. Wir sind aber jetzt in einem entscheidenden Zeitfenster. Nehmen wir an, die kommende Bundesregierung handelt der Herausforderung entsprechend, kann eine Trendwende erreicht werden. Bleibt es bei viel Reden und auf die Zukunft verschieben, sieht es in der Tat schlecht aus.

Die Klimaforscher stehen nicht in der Verantwortung den Ausbau der erneuerbaren Energien voran zu bringen bzw. der Energieverschwendung Einhalt zu gebieten. Hier stellt sich die Frage: Wer ist verantwortlich, nur die Politik, die Wirtschaft oder auch die Gesellschaft.

Noch haben wir es in der Hand, aber nicht mehr lange!


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