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Klimaklage





AgrarwendeNeuseeland plant Klimaabgabe auf Nutztiere

Schafe in Neuseeland
Für die Emissionen von Nutztieren könnten in Neuseeland bald Steuern anfallen. (Bild: Martin Str / pixabay)

Die Viehhaltung könnte für neuseeländische Farmer bald teurer werden. Die Regierung will eine Abgabe auf klimaschädliche Emissionen der Nutztierhaltung einführen. Bisher war der Agrarsektor zu großen Teilen von den Klimamaßnahmen ausgenommen.

15.10.2022 – Neuseeland diskutiert über eine neuartige Agrarabgabe. Die liberale Labour-Regierung schlug diese Woche vor, im Rahmen ihrer Anstrengungen zur Bekämpfung der Klimakrise Nutztiere stärker zu besteuern. Die neue Abgabe würde auf Treibhausgase anfallen, die Nutztiere zum Beispiel beim Rülpsen, Furzen und Pissen erzeugen.

Landwirtschaft und Nutztierhaltung machen einen erheblichen Anteil der neuseeländischen Wirtschaft aus. Auf den Inseln Neuseelands leben nur etwa fünf Millionen Menschen, aber doppelt so viele Rinder und Milchkühe, und sogar mehr als fünfmal so viele Schafe. Treibhausgase aus der Landwirtschaft, besonders Methan und Distickstoffoxid, sind für nahezu die Hälfte der Emissionen des kleinen Landes verantwortlich.

Mehr als nur eine Furzsteuer

Geplant ist eine Abgabe ab einer bestimmten Herdengröße und Menge an Düngemitteleinsatz. Der Preis ist noch nicht festgelegt und soll sich nach dem landesweiten Fortschritt richten, Emissionen zu reduzieren. Die Regierung folgt mit dem Vorschlag weitgehend den Empfehlungen des Agrarsektors: Der Preis für Emissionen wird auf Betriebsebene festgelegt, um den Landwirten mehr Handlungsspielraum zu geben. Über die vergangenen zweieinhalb Jahre hatten Agrarsektor, Maori und die Regierung zusammen im sogenannten He Waka Eke Noa-Programm an Emissionslösungen für die Landwirtschaft gearbeitet.

Die Lobbygruppe der neuseeländischen Agrarindustrie Federated Farmers zeigte sich trotzdem wenig erfreut. Sie kritisierten, die Nahrungsmittelproduktion werde durch den Vorschlag beeinträchtigt und es stehe zu befürchten, dass Landwirte die Branche verließen. Andere Verbände wie Beef+Lamb New Zealand äußerten sich zurückhaltender zu der als Furzsteuer verspotteten Abgabe, wie der Guardian berichtet. Die Industrie hat noch bis Mitte November Zeit, sich zu dem Vorschlag zu äußern.

Emissionen aus der Landwirtschaft senken

Christine Rose, führende Klimakampaignerin bei Greenpeace Aotearoa (Maori für Neuseeland) sieht den Vorschlag ebenfalls skeptisch. Die aktuellen Pläne der Regierung zur Bepreisung von Treibhausgasemissionen seien nicht ausreichend, um die Klimaemissionen aus der Landwirtschaft angemessen zu regulieren, zu bepreisen und einzudämmen. "Wir alle haben ein stabiles Klima, gesunde Flüsse und sicheres Trinkwasser verdient. Aber die industrielle Landwirtschaft, insbesondere die intensive Milchwirtschaft, verdammt die Flüsse Aotearoas, das globale Klima und unsere Gesundheit zu Verschmutzung, Verunreinigung und Chaos“, so Rose. Die NGO fordert, Nutztiere und synthetischen Stickstoffdünger zu reduzieren und eine Umstellung auf regenerative, ökologische Landwirtschaft.

Die Agrarlobby hat enormen politischen Einfluss in Neuseeland. So ist der Vorschlag der Regierung nicht ganz neu. Bereits 2003 hatte die damalige Labour-Regierung vorgeschlagen, Nutztiere für ihre Emissionen zu besteuern. Der massive Gegenwind von Landwirten führte jedoch dazu, dass die Pläne aufgegeben wurden. Auch Premierministerin Jacinda Ardern ist für eine Wiederwahl mit großer Wahrscheinlichkeit darauf angewiesen, sich mit der Agrarlobby zu einigen.

Die Regierung scheint bisher zuversichtlich: "Die Landwirte bekommen die Auswirkungen des Klimawandels schon jetzt zu spüren, indem sie immer häufiger von Dürren und Überschwemmungen heimgesucht werden. Eine Vorreiterrolle bei den landwirtschaftlichen Emissionen ist sowohl für die Umwelt als auch für unsere Wirtschaft von Vorteil", kommentierte der neuseeländische Landwirtschaftsminister Damien O'Connor. Die Regierung geht davon aus, dass Landwirte die zusätzlichen Kosten durch höhere Preise für die dann klimafreundlicheren Produkte ausgleichen könnten. Ardern versicherte, Einnahmen aus der Abgabe blieben der Branche in Form von Anreizen, Forschung oder ähnlichem erhalten.

Klimapolitik umsetzen

Neuseeland gehört zu den wenigen Ländern, die die Klimaneutralität mit dem Zero Carbon Act gesetzlich verankert haben. Demnach muss das Land bis 2050 klimaneutral werden und seine Treibhausgasemissionen deutlich senken. Bisher war Methan aus Landwirtschaft, das mehr als 40 Prozent der neuseeländischen Emissionen ausmacht, vom Netto-Null-Emissionsziel ausgenommen, stellt Climate Action Tracker (CAT) klar.

Für die Landwirtschaft gilt ein separates Ziel von mindestens 24 bis 47 Prozent Reduktion unter das Niveau von 2017 bis 2050. Bis Ende vergangenen Jahres hatte Neuseeland jedoch noch keine Maßnahmen ergriffen, um diese Ziele auch nur annährend zu erreichen. Insgesamt bewertet der CAT die aktuellen Klimaziele, -politiken und -finanzierungen Neuseelands als "höchst unzureichend". Eine Steuer auf Emissionen von Nutztieren wäre weltweit allerdings tatsächlich die erste ihrer Art und könnte dies ändern – oder zumindest in die richtige Richtung lenken.

Ein neuseeländischer Molkereiriese arbeitet derweil schon mal an anderen Wegen der Emissionsminderung: Ein probiotisches Präparat für Kühe soll deren Emissionen um bis zu 20 Prozent senken, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Das Probiotikum Kowbucha soll bis Ende 2024 auf den Markt kommen. jb

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