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Klimaklage





StarkregenRisikokarten für Städte und Gemeinden notwendig

Überflutung nach Starkregen: Auto, Bahnschranke, andere Gegenstände in reißenden Wassermassen
Tagelange extreme Regenfälle verursachten 2002 in Sachsen Schäden in Milliarden-Höhe. 45 Menschen starben. Das Foto zeigt die Gemeinde Schlottwitz. (Foto:  Hawedi auf Wikipedia / CC BY-SA 3.0)

Starkregen kann regional große Schäden anrichten, doch ein systematisches Management dieser mit dem Klimawandel zunehmenden Gefahr fehlt bisher in Deutschland. Eine Studie benennt die Defizite und Aufgaben für Kommunen, Bund und Länder.

02.06.2022 – Starkregen und Sturzfluten werden in Deutschland zunehmen – eine Folge des Klimawandels. Harmlose Bäche können binnen Minuten zu reißenden Strömen werden, Häuser zerstören, Menschenleben gefährden, Straßen, Unterführungen, Keller überfluten. Kaum eine Stadt oder Gemeinde in Deutschland ist darauf wirklich vorbereitet. Es gibt bundesweit massive Versäumnisse bei der Prävention.

Zu diesem Ergebnis kommt die Technische Universität Kaiserslautern in einer aktuellen Unwetter-Studie: „Starkregen und urbane Sturzfluten – Agenda 2030“. Vorgestellt wurde die Untersuchung am Montag auf der Weltleitmesse für Umwelttechnologien (IFAT) in München. Darin haben die Wissenschaftler aus Kaiserslautern in Kooperation mit der Universität der Bundeswehr in München die Risiken, Gefahren und Ursachen, insbesondere aber auch effektive Schutzmaßnahmen untersucht.

Überflutungen nicht nur an Gewässern

„Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat Deutschland im letzten Sommer geschockt und noch einmal kräftig wachgerüttelt. Dabei sind anschwellende Bäche nur eine Ursache: Überflutungen drohen überall. Auch da, wo keine Gewässer sind. Es gibt kaum eine Region in Deutschland, die vor Starkregen und urbanen Sturzfluten sicher ist“, sagt Studienautor Theo Schmitt von der TU Kaiserslautern. Die Prognose des Wissenschaftlers: „In den kommenden Jahren werden Wetterextreme schlimmer – sie werden an immer mehr Orten, immer häufiger und heftiger auftreten.“

Die Geschwindigkeit, mit der sich Wassermassen aufbauten, sei ein besonders kritischer Faktor. Regelmäßig würden Behörden und Bevölkerung davon überrascht und überfordert, auch weil es keine tagelange Vorwarnung wie beim Hochwasser von großen Flüssen gebe, deren Ansteigen man gut vorher berechnen kann.

Kommunen blenden Gefahren aus

Wenn es um effektiven Starkregenschutz geht, sehen die Wissenschaftler insbesondere bei Landkreisen, Städten und Gemeinden massive Versäumnisse: „Die meisten – vor allem kleinere – Kommunen blenden die Gefahren, die hinter dem wachsenden Starkregen-Risiko stecken, einfach aus. Das ist fahrlässig“, so Schmitt. Der Studienautor geht noch weiter: „Die Kommunen müssen zu mehr Prävention gezwungen werden.“ Bund und Länder sollten die Städte und Gemeinden bei ihrem Kampf gegen den Starkregenschutz zwar unterstützen, sie gleichzeitig aber auch in die Pflicht nehmen. Beispielsweise müssten die Kommunen künftig Gefahren- und Risikokarten erstellen.

Solche Warnkarten vereinen viele Daten: Topografie, lokale Grünflächen, Gefälle, meteorologische Daten und – ganz entscheidend – Kapazitäten von Kanalsystemen. Gebraucht wird eine Analyse der örtlichen Gefahrenlage.

„Auf Risikokarten muss Straße für Straße – bis aufs einzelne Haus genau – die Überflutungsgefahr eingetragen werden. Es geht darum, mit der Starkregen-Risikokarte die Wirkung von Sturzfluten digital zu simulieren“, forderte Wolfgang Günthert bei der Vorstellung der Studienergebnisse. Günthert hat am Institut für Wasserwesen der Universität der Bundeswehr in München zu Sturzfluten geforscht und dort im Forschungszentrum RISK (Risiko, Infrastruktur, Sicherheit und Konflikt) gearbeitet.

Warnkarten seien die Basis für ein effektives Starkregenwasser-Management, das bundesweit dringend notwendig sei. Städte könnten so „wassersensibel entwickelt“ werden. Dazu gehören insbesondere das Transportieren, Reinigen, Speichern und Ableiten von Regenwasser. Die „Entwässerung der Zukunft“ für Wohnsiedlungen und Verkehrswege müsse Engpässe im Kanalnetz vermeiden. Sie schütze damit wesentlich besser vor Überflutungen.

Schwachstellen an Häusern ermitteln

Aber auch Hausbesitzer würden von Starkregen-Risikokarten profitieren. Sie könnten damit ganz individuell mehr Vorsorge und so Gebäudeschutz betreiben – von der Dachbegrünung (zur Zurückhaltung und Verdunstung von Wasser) über Regenbecken und oberirdische Sammelflächen bis zur geschützten Bauvariante für Kellereingänge, Lichtschächte und Tiefgarageneinfahrten.

„Es kommt darauf an, gezielt die Schwachstellen beim Haus zu ermitteln und diese umzubauen. Das bietet sich übrigens nicht nur für bekannte und akute Starkregen-Hotspots an. Heftige Gewitter mit anschließenden Überflutungen werden mehr werden – und sie werden immer mehr Kommunen treffen“, prophezeit Günthert.

Auch ein bundesweit funktionierendes Frühwarn- und Informationssystem sei notwendig: Gebraucht werde eine funktionierende Risikokommunikation. Menschen sollten nicht weiter im Ungewissen gelassen werden.

Die Studie „Starkregen und urbane Sturzfluten – Agenda 2030“ wurde von der Initiative „Verantwortung Wasser und Umwelt“ in Auftrag gegeben. Auf der IFAT in München sprach sich der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) angesichts der Studienergebnisse dafür aus, Hauseigentümer und Bauherren stärker beim individuellen Starkregenschutz ihrer Gebäude zu unterstützen: „Der Staat muss hier beim Neu- und Umbau Anreize schaffen“, sagte BDB-Präsidentin Katharina Metzger als Mitinitiatorin der Initiative „Verantwortung Wasser und Umwelt“. In Frage käme beispielsweise – neben steuerlichen Anreizen – die Einführung eines „Starkregen-Bauschutzprogrammes“ bei der staatlichen KfW-Bank. Alles sei unterm Strich auf Dauer günstiger als der enorme volkswirtschaftliche Schaden durch die vielen Überflutungen. pf

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