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Die Meinung
16. Juni 2022

Bürokratie-Wirrwarr beenden – Photovoltaik schnell, einfach und sicher ans Netz bringen

Überbordende Regeln, analoge Prozesse und ein Sammelsurium lokal unterschiedlichster technischer Normen: Bürokratie ist heute der größte Bremsklotz für eine schnelle Energiewende vor Ort. Das muss sich jetzt ändern. Der bne benennt 22 konkrete Maßnahmen zur Entbürokratisierung.

David Krehan, Senior Referent und Experte für dezentrale Erzeugung beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne)

David Krehan, Senior Referent und Experte für dezentrale Erzeugung beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne)
Foto: bne

Ende letzter Woche hat Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck eine neue Energiewechsel-Kampagne vorgestellt. Eines der Platakmotive zeigt die Montage eines Solarmoduls und wirbt: „Liebe Häuslebauer, liebe Hausbesitzerinnen, Solarstrom vom Dach zahlt sich gleich dreifach aus“.

Das Gute ist: Viele Menschen und Unternehmen wollen sich energieunabhängig machen. Der Schock des russischen Angriffskriegs und drastisch steigender Preise sitzt tief. Dieser Wunsch weg von fossilem Gas und Öl treibt die Energiewende vor Ort voran. Daher sollte die Umsetzung so einfach wie möglich gemacht werden – sei es die PV-Anlage auf der Lagerhalle, dem eigenen Haus oder die Wärmepumpe im Keller. Doch wenn es konkret wird, stößt man sehr schnell an bürokratische Grenzen. Es geht dabei nicht nur um „etwas Papierkram“. Wer sich heute für eine PV-Anlage entscheidet, wird von einer absurden Bürokratie und Regelungswut regelrecht daran gehindert. Privates Engagement und Investitionen in erneuerbare Energien, für die gleichzeitig geworben wird, werden so ausgebremst oder unnötig verzögert.

Die energiepolitischen Ziele der Ampel werden damit konterkariert. So hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die derzeitige Photovoltaik-Leistung von rund 60 Gigawatt bis zum Jahr 2030 auf 215 Gigawatt auszubauen. Die Hälfte dieser Leistung soll auf Dächern installiert werden. Doch gerade hier wirken mangelhafte Digitalisierung und Hyperregulierung besonders hemmend. Dabei ist Bürokratieabbau ein – wenngleich ein zentraler – Hebel, um den dezentralen Ausbau der Photovoltaik zu beschleunigen und der hohen Auslastung im Baugewerbe entgegenzuwirken. Die Installation von Photovoltaik ist bereits heute Standard und benötigt deshalb endlich auch transparente und vollständig digitalisierte Standardprozesse. Vor diesem Hintergrund hat der bne 22 Maßnahmen definiert, die sich schnell umsetzen lassen und den Ausbau sofort beschleunigen können. 

Prozesse digitalisieren und vereinheitlichen

Bereits Melde- und Anschlussverfahren für PV-Anlagen sind intransparent und oftmals kaum digitalisiert. Dies sorgt für enorme Aufwände und bindet knappe Fachkräfte. Gerade die Unternehmen, die den dringend benötigten Ausbau erneuerbarer Energien voranbringen, müssen sich mit administrativen Detailregelungen herumschlagen. Qualifizierte Elektrofachkräfte verlieren dadurch kostbare Zeit mit Papier- und Verwaltungsarbeit, die Inbetriebnahmen der Anlagen verzögern sich, und die Realisierungskosten für Anlagenbetreiber steigen. Die Lösung: Netzbetreiber sollten verpflichtet werden, die Inbetriebnahme innerhalb von vier Wochen zu gewährleisten. Dabei können viele Prozesse rund um Errichtung und Betrieb einer PV-Anlage leicht digitalisiert und zugleich vereinfacht werden. Eine gemeinsame Internetplattform für alle Anschlussbegehren und ein einheitliches digitales Formular für alle Anmeldeprozesse würden enorm helfen.

Wildwuchs technischer Normen der 900 Verteilnetzbetreiber

Ein weiteres Problem ist die Kleinstaaterei der rund 900 Verteilnetzbetreiber. Neben den rund 10.000 Normen des Energierechts und bundesweit anerkannten Regeln der Technik kann jeder Verteilnetzbetreiber zusätzliche Anforderungen an den Anlagenbetreiber in seinen Technischen Anschlussbedingungen (TAB) festlegen. Über die Jahre haben sich so die unterschiedlichsten administrativen Anforderungen und ein Wildwuchs technischer Normen entwickelt. Jeder Netzbetreiber hat eigene, vielfältige Formulare – natürlich in Papierform – mit bis zu 50 Seiten Umfang. Oft werden die ausgefüllten Formulare aufgrund von Missverständnissen beanstandet, so dass diese erneut ausgefüllt werden müssen. Der administrative Aufwand erhöht sich bei der Installation von Nicht-EEG-Anlagen wie Wärmepumpen oder Speichern zusätzlich.

Hinzu kommen massive Verzögerungen und kostspielige Wartezeiten. Um eine Anlage in Betrieb zu nehmen, müssen Betreiber ein „Netzanschlussbegehren“ beim zuständigen Verteilnetzbetreiber einreichen. Das führt oft dazu, dass der selbst erzeugten Strom weder selbst genutzt noch ins Netz einspeist werden darf, bevor das Verfahren abgeschlossen ist. Und das kann dauern. Für Abhilfe sollten hier deutschlandweit einheitliche Regeln sorgen, um Solaranlagen, Speicher und Wärmepumpen leicht, sicher und schnell ans Netz zu bringen.

Verschärfend beobachten wir, dass viele – selbst überregionale – Verteilnetzbetreiber die Umsetzung der von der Bundesnetzagentur (BNetzA) festgelegten Marktkommunikation (MaKo) nicht beherrschen. Das betrifft vor allem Prozesse im Bereich der Direktvermarktung von Solarstrom wie die viertelstündliche Bilanzierung der Einspeisung mithilfe von Intelligenten Messsystemen. Hier muss die BNetzA Prüfungs- und Sanktionsrechte bekommen.

Wir brauchen auch eine ehrliche Debatte darüber, ob wir uns 900 Verteilnetzbetreiber noch leisten wollen und können. Durch den Zusammenschluss und die Vereinheitlichung der Betriebsführung hin zu regionalen leistungsfähigen Netzclustern würden die Verteilnetze endlich zum Enabler der Energiewende.

Automatisierte Anmeldung im Marktstammdatenregister

Ein weiteres Problem: Die Anmeldung einer PV-Anlage im Marktstammdatenregister ist für Laien kaum durchführbar und sehr zeitaufwendig. Die Anmeldung muss außerdem händisch erfolgen, obwohl sämtliche Daten schon digital erfasst sind. Unser Lösungsvorschlag: Die Eintragung kann mit den Daten aus dem System des Installateurs über eine digitale Schnittstelle (API) zum Marktstammdatenregister erfolgen.

Energiewende in Echtzeit

Damit die eigene Solaranlage mit der Batterie und der Wallbox zum intelligenten Energiesystem wird, braucht es außerdem leistungsfähige digitale Mess- und Steuerungssysteme. Im Energiesystem der Zukunft müssen Stromerzeugung, -speicherung, -handel und -verbrauch sekundengenau ausgeglichen und automatisiert nach Bedarf steuerbar sein. Doch für digitale Echtzeit-Anwendungen gelten immer noch völlig überzogene Anforderungen. Hausbesitzer mit einer eigenen PV-Anlage sehen sich plötzlich mit den gleichen Bedingungen konfrontiert wie Großkraftwerks-Betreiber, wenn sie mit ihren Technologien an Flexibilitätsmärkten teilnehmen möchten. Eine Vermarktung und Abrechnung der erzeugten Energie ist so unmöglich. Flexibilitätsmärkte, die von Wettbewerb und Innovation getrieben werden, entstehen nicht.   Dabei sind leistungsfähige sichere Lösungen technisch längst vorhanden. Wir brauchen nun die Freiheit, sie auch zu nutzen – einfach, sicher und schnell.

Solar-Standard nur mit massiver Entbürokratisierung

Fest steht: Die Bundesregierung muss massiv Bürokratie abbauen, damit Photovoltaik wirklich zum Standard wird und die eigenen Ausbauziele erreicht werden können. Dafür sollte das Thema weiter nach oben auf die politische Agenda und nicht auf die lange Bank geschoben werden. Die Probleme sind bekannt, nun liegen auch konkrete Lösungsvorschläge vor, um den gordischen Knoten zu lösen. Ein Bürokratieabbau-Paket wäre eine schnell wirksame Maßnahme, um die Energiewende einfacher zu machen für alle. 

Zum bne-Maßnahmenkatalog „PV-Bürokratieabbau“




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