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Die Meinung
22. Juli 2021

Die Ansätze sind gut, der Weg noch weit

Die Sustainable Finance-Strategie der Europäischen Kommission soll die Transformation in eine nachhaltige Wirtschaft finanzieren. Dabei wurde ganzheitlich gedacht, aber nicht alles zu Ende.

Franziska Marten ist Referentin für klimakompatible Finanzflüsse bei Germanwatch e.V.

Franziska Marten ist Referentin für klimakompatible Finanzflüsse bei Germanwatch e.V.
Foto: Germanwatch

22.07.2021 – Das EU-Paket für einen nachhaltigen Finanzmarkt „Strategy for Financing the Transition to a Sustainable Economy“ vom 6. Juli 2021 zeigt, dass die Kommission die wesentlichen Hebel auf dem Weg zu einem nachhaltigen Finanzsystem für Klimaschutz und Nachhaltigkeit erkannt hat – und diese auch umlegen will. Sustainable Finance dient einem dreifachen Zweck: Erstens dem notwendigen Klimaschutz; zweitens der Finanzmarktstabilität, die sonst durch Katastrophen und vorzeitig still gelegte Anlagen gefährdet ist; drittens einer zukunftsfähigen Wirtschaft, um sich auf Klima- und andere ökologische Krisen einzustellen. Zentral dabei: In den Sorgfaltspflichten der Unternehmen muss die vorausschauende Berichterstattung von zusätzlichen Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken verankert werden und Investor:innen müssen diese dann berücksichtigen.

Dem versucht die EU-Strategie in verschiedenen Paketen Rechnung zu tragen. Die wichtigsten Elemente daraus sind:

  1. Einführung von Klima-Stresstests, z.B. bei Banken und Versicherungen, aber auch in der Finanzaufsicht
  2. Taxonomie-Verordnung, diein Teilen bereits verabschiedet wurde: Sie hat zum Ziel, vor allem Finanzprodukte auf ihre Nachhaltigkeitswirkung hin überprüfbar zu machen;
  3.  „Corporate Sustainability Reporting Direktive“ (CSRD): Sie nimmt mehr Unternehmen in die Pflicht, über ihre Betroffenheit von Klimarisiken sowie die von ihnen ausgehenden Risiken für Gesellschaft und Umwelt zu berichten;
  4. Weitere Standards und Labels, wie den Green Bond Standard.

Dieser ganzheitliche Ansatz der EU-Kommission, das gesamte Finanzsystem in den Blick zu nehmen, ist sehr begrüßenswert. Jedoch bleibt der Vorschlag der Kommission in den Maßnahmen noch oft unkonkret und das Ambitionsniveau reicht noch nicht, um die Ziele des Green Deals tatsächlich zu erreichen.

Mit Klimastresstests zu mehr Finanzmarktstabilität

Positiv ist die Anerkennung, dass der Finanzmarkt zukunftsgerichtete Daten braucht, um künftige Risiken besser einschätzen zu können und die Kurzfristigkeit ihres Anlagehorizonts zu überwinden. Kurze Anlagezeiträume stehen im Kontrast zur Mittel- und Langfristigkeit des Klimawandels – ein Phänomen bekannt als "Tragödie des kurzfristigen Horizonts“. In diesem Zusammenhang soll der Finanzmarkt auch die eigene Zukunftsfähigkeit durch sogenannte Stresstests überprüfen. Diese Klimastresstests für Banken und Versicherungen sollen die klimabedingten Gefahren für das Portfolio, aber auch für die gesamte Finanzmarktstabilität frühzeitig erkennen.

Transparenz über nachhaltige Investitionen mit der umkämpften EU-Taxonomie

Die EU-Taxonomie, ein Prüfrahmen für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten, steht erneut im Zentrum der schon langanhaltenden politischen Debatte. Gerade weil sie so bedeutsam ist, um die Nachhaltigkeit von Wirtschaftsaktivitäten und Finanzprodukten nach einheitlichem Standard transparent zu machen, versuchen verschiedene Akteur:innen, die Seriosität der Taxonomie abzuschwächen.

Die von einer technischen Expertengruppe erarbeitenden wissenschaftsbasierten Taxonomie-Kriterien wurden schon im April Opfer eines politischen Machtkampfs zwischen einzelnen Mitgliedsstaaten. Die Kriterien für Forstwirtschaft und Bioenergie wurden dramatisch abgeschwächt und die Entscheidung über die Kriterien für Landwirtschaft, Gas und Atomkraft auf den Sommer/Herbst vertagt. Allzu vage Formulierungen in der vorgelegten EU-Strategie drohen nun Tür und Tor für diese beiden nicht mit den EU-Klima- und Umweltzielen zu vereinbarenden Energieformen zu öffnen. Dabei dürfte Atomkraft aufgrund ihres großen Einflusses auf andere Umweltziele, wie der Kreislaufwirtschaft, eigentlich gar nicht zur Debatte stehen. Für Gastechnologien wird es entscheidend sein, sie nicht als nachhaltig, sondern allenfalls als Übergangstechnologie zu klassifizieren und Endpunkte in den 30er Jahren für ihre Laufzeit festzulegen.

Vorausschauende Risikobetrachtung unter der Corporate Sustainability Reporting Directive

Auch bei der CSRD – der Nachfolgerin der Non-Financial Reporting Directive (CSR-Richtlinie) – gibt es Nachbesserungsbedarf. Unter ihr sollen ab 2023 Finanzmarktakteur:innen und große sowie kleine und mittelständische kapitalmarktorientierte Unternehmen relevante Nachhaltigkeitskennzahlen berichten. Die Ausweitung der Berichtspflicht auf alle großen (ab 250 Mitarbeitende) sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) am Kapitalmarkt ist ein wichtiger Schritt. Sie lässt jedoch viele Unternehmen aus, deren Informationen über die eigene Exponiertheit gegenüber Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken sowie die Wirkung ihrer Geschäftsaktivitäten auf Klima, Umwelt und Gesellschaft für den Finanzmarkt entscheidend wären. Um diese Unternehmen auch zu erfassen, gleichzeitig aber nicht betroffene KMU nicht unnötig zu belasten, braucht es eine Definition von sogenannten „Hochrisiko“-Sektoren, die für die Transformation von besonderer Bedeutung sind – positiv, wie negativ.

Sehr begrüßenswert ist die Verpflichtung von Unternehmen zur Vorlage von Paris- und Green Deal-kompatiblen Transformationsplänen, also Strategien zur Treibhausgasneutralität für ihre Geschäftsmodelle. Es muss allerdings noch die Frage der Überprüfung von Plänen einerseits und der Einhaltung der Pläne andererseits geklärt werden.

Leider nur freiwillig: Der Green Bond Standard

Die Kommission stellte auch ihren Vorschlag für einen freiwilligen Green Bond Standard auf Basis der EU-Taxonomie vor – also einen Standard, um Kriterien für grüne Anleihen zu vereinheitlichen. Um Greenwashing zu vermeiden, ist ein solcher Standard klar zu begrüßen. Allerdings bräuchte es für dessen Wirkmächtigkeit eine verbindliche Anwendung anstelle von Freiwilligkeit, was aktuell nicht vorgesehen ist.

Und Deutschland?

Es gilt nun vor allem, die teilweise guten Vorschläge der Kommission in den politisch umkämpften Brüsseler Gesetzgebungsprozessen durchzusetzen und sich die Unterstützung der Mitgliedsstaaten zu sichern, ohne – wie bei der Ausgestaltung der Taxonomie geschehen – zu schmerzhafte Kompromisse zu machen. Deutschland kann und muss hierbei eine wichtige Rolle übernehmen. Als wichtiger Akteur in der Europäischen Union darf sich Deutschland bei diesen Entscheidungen nicht, wie in der Vergangenheit teilweise geschehen, enthalten. Auch die Bundesregierung hat sich beim Thema Nachhaltiges Finanzwesen hohen Ambitionen verschrieben und möchte den deutschen Finanzplatz zu einem führenden Standort für Sustainable Finance machen. Dafür ist es zu wenig, nur auf die EU-Prozesse zu verweisen. Ein bereits 2019 eingesetzter Expert:innenbeirat (Sustainable Finance-Beirat (SFB)) hat hierzu in seinem Abschlussbericht entsprechende Empfehlungen formuliert, die in der im Mai veröffentlichten Sustainable Finance-Strategie der Bundesregierung bisher leider zu inkonsequent verarbeitet und weitergedacht werden. Die kommende Bundesregierung sollte in der Koalitionsvereinbarung ankündigen, die Strategie nachzuschärfen und sich zur Umsetzung der zentralen Forderungen des SFB verpflichten.




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