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Die Meinung
04. Juli 2023

Verheizte Wärmewende

Das neue Heizungsgesetz ist eng mit der kommunalen Wärmeplanung verknüpft. Das schafft viele Hintertürchen. Nach der Sommerpause kommt es darauf an, wie das Wärmegesetz für Kommunen gestaltet wird.

Oliver Hummel, Vorstandsvorsitzender der naturstrom AG

Oliver Hummel, Vorstandsvorsitzender der naturstrom AG
Oliver Hummel, Vorstandsvorsitzender der naturstrom AG
Foto: naturstrom AG

Wenn diese Woche tatsächlich das sogenannte Heizungsgesetz noch vor der Sommerpause durch den Bundestag gebracht wird, werden sich in der Ampelkoalition wohl einige den Schweiß von der Stirn wischen. Nach dem Kabinettsbeschluss im April waren die Opposition und verrückterweise auch Teile der Regierung derart heiß gelaufen, dass die angefallene Abwärme das politische Berlin komfortabel über den Winter hätte bringen können.

Ende gut, alles gut also? Leider nicht. Denn mit den Leitplanken der Koalitionsspitzen, die nun mit Details ausgefüllt werden, wird die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) – wie es ja eigentlich heißt – in ihrer kurzfristigen Wirkung empfindlich eingedampft. Das liegt hauptsächlich an der Verknüpfung mit dem Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung. Die ist zwar grundsätzlich absolut richtig, führt aber nun dazu, dass die Bestimmungen des GEG vor Ort ausgesetzt werden, bis die jeweiligen Kommunen ihre Wärmeplanung abgeschlossen haben. Und das kann dauern, je nach Einwohner:innenzahl bis ins Jahr 2028. Einzige Ausnahme: In Neubaugebieten sollen die neuen Regelungen bereits ab Januar 2024 gelten. Ein schwacher Trost, schließlich wurden schon 2021 rund 70 Prozent der fertiggestellten Wohngebäude ganz oder teilweise mit regenerativen Energien beheizt. So tritt bald eine Gesetzesnovelle in Kraft, die ihre Wirkung für die Wärmewende erst in einigen Jahren entfaltet.

Und es kommt noch doller: Kommunen mit weniger als 10.000 Einwohnern sind laut aktuellem Gesetzesentwurf nicht zu einer kommunalen Wärmeplanung verpflichtet. Die Bundesländer, in deren Hände die weitere Umsetzung gelegt ist, „können von einer Wärmeplanung für Gemeindegebiete, in denen insgesamt weniger als 10.000 Einwohner gemeldet sind, absehen oder hierfür ein vereinfachtes Verfahren vorsehen.“ Und wir erinnern uns: Wo keine Wärmeplanung besteht, sind die Regelungen des GEG ausgesetzt. Hier ist also entweder eine Klarstellung nötig, dass auch ohne Vorliegen einer kommunalen Wärmeplanung die GEG-Bestimmungen spätestens ab 2028 gelten. Oder auch kleine Kommunen werden – dann eben mit „vereinfachtem Verfahren“ – zu einer Wärmeplanung bis 2028 verpflichtet. Sonst droht in ländlichen, dünn besiedelten Gebieten die Wärmewende vollends zu versanden.

Ärgerlich ist außerdem das als Technologieoffenheit getarnte Zuckerstückchen für die Erdgaswirtschaft: Neue Gasheizungen sollen auch nach am 1. Januar 2024 weiter eingebaut werden dürfen, wenn sie auf Wasserstoff umrüstbar sind. Dumm nur, dass der auf absehbare Zeit rare und damit teure Wasserstoff zuerst für die Dekarbonierung von Industrieprozessen beispielsweise in der Stahl- oder Chemie-Industrie benötigt wird, die sich nicht ohne Weiteres elektrifizieren lassen. Bis die gute Stube mit grünem Wasserstoff zu erschwinglichen Preisen beheizt wird, ist längst der nächste Heizungsaustausch fällig.

Auch das Hintertürchen, H2-ready-Gasheizungen bei ausbleibendem Wasserstoffnetz anteilig mit Biomethan zu betreiben, führt in die Sackgasse. Biomethan ist derart rar, dass die knappen Mengen zwischen dem Verkehrs- und Wärmesektor hart umkämpft sind. Daran wird sich langfristig nichts ändern, denn das Ausbaupotenzial für eine nachhaltige Erzeugung ist beschränkt. So bleibt letztlich der Eindruck, dass der Gaswirtschaft auf Gedeih und Verderb ihr Stücken vom Wärmeversorgungs-Kuchen gesichert werden sollte.

Wie konnte es so weit kommen? Das BMWK muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Breitenwirksamkeit der GEG-Novelle unterschätzt zu haben. Immobilienbesitzer, das sind in Deutschland eben durchaus ein paar Millionen Leute. Und von denen empfanden wohl einige die Pläne als übergriffig. Dass diese Abwehrhaltung in den Furor der letzten Monate umschlagen konnte, hat allerdings weniger mit der Sache, als vielmehr mit Machtkämpfen innerhalb der Ampel und der Kampagnen-Berichterstattung einzelner Medien zu tun.

Wenn nach der Sommerpause das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung auf die Zielgerade geht, muss das zwischen den Ampelfraktionen besser laufen – schließlich hängt von der Wärmeplanung jetzt viel ab. Im nächsten Schritt sind dann die Bundesländer gefordert, ihre Kommunen zu unterstützen, indem sie Knowhow und Vernetzungsangebote bereitstellen. Wie hieß es letztes Jahr so schön? „Erneuerbare Energien sind Freiheitsenergien.“ Diese Vibes brauchen wir wieder, auch und gerade bei der Wärmewende.




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