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Nachgefragt
03. Februar 2023

„CovPass-System für 49-Euro-Ticket nutzen“

Die Covid-Beschränkungen fallen größtenteils. Warum also nicht das breit eingeführte Covid-Pass-System für den Vertrieb und als Format für das 49-Euro-Ticket nutzen? Dies böte praktische Vorteile für Fahrgäste, Verkehrsunternehmen und die öffentliche Hand.

Daniel Herfurth ist Nahverkehrsexperte an der Universität Konstanz.

Daniel Herfurth ist Nahverkehrsexperte an der Universität Konstanz.
Daniel Herfurth ist Nahverkehrsexperte an der Universität Konstanz.
Foto: privat

Herr Herfurth, das 49-Euro-Ticket kommt zum 1. Mai. Eine gute Sache?

Ja, absolut. Die Aussicht, mit einem einzigen Ticket den Nahverkehr im gesamten Bundesgebiet nutzen zu können, ist sehr gut. Damit zieht der öffentliche Verkehr endlich mit dem Autofahren gleich: Wenn man ein Auto und einen Führerschein hat, darf man damit ja auch alle öffentlichen Straßen benutzen. Ich möchte zwei Aspekte ganz besonders herausstellen: Zum einen ist da der Nutzen für Neueinsteiger in den ÖV in der eigenen Region. Sie müssen sich von Anfang an nicht mehr mit Tarifgrenzen, Waben oder ähnlichem auseinandersetzen. Zum anderen ist da der Mehrwert für Reisen außerhalb der eigenen Region. Fährt man beispielsweise mit dem ICE in eine andere Stadt (mit ICE-Fahrkarte natürlich), kann man sich sicher sein, dass man für die Anschlussmobilität vor Ort bereits das richtige Ticket hat – weil es einfach genau dasselbe 49-Euro-Ticket ist, das man zuhause auch schon verwendet.

Die Verhandlungen waren zäh. Letzte Details, zum Beispiel zur Ausgabe des Tickets als Papierfahrschein, sind immer noch in der Diskussion. Wie können diese Herausforderungen noch rechtzeitig gelöst werden?

Es stehen noch zwei große Themen auf der Agenda. Der Vertrieb des Tickets und die Frage nach dem Format – nur digital oder auch auf Papier. Für das Ticket-Format zeichnet sich ab, dass in Deutschland ein ausschließlich digitales Ticket gesellschaftlich nicht akzeptiert wird. Es gilt daher, eine Lösung zu finden, die auch den Fürsprechern des papierhaften Tickets gerecht wird und dennoch den Grundgedanken, ein sehr viel schlankeres und günstigeres Vertriebssystem zu etablieren, nicht aufgibt. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat zurecht angemerkt, dass die Vertriebskosten mit rund 2 Mrd. € im aktuellen System einfach zu hoch sind. Das muss man sich mal vorstellen: zwei Milliarden Euro nicht etwa für die Durchführung von Fahrten mit Bus und Bahn, sondern allein für den Verkaufsvorgang von Fahrkarten.

Haben Sie eine Lösung?

Wir sollten auf das CovPass-System zugreifen und es für das 49-Euro-Ticket nutzen, sprich, es zum Deutschland-Ticket-System ausbauen. Das System bietet bereits alles, was wir jetzt brauchen: Es gewährleistet Datenschutz, ermöglicht die Ausgabe von zeitlich befristeten Zertifikaten, funktioniert in der App und als Papierausdruck und kann über die CovPassCheck-App einfach geprüft werden. Jetzt muss man nur noch 1 und 1 zusammenzählen: Das Zertifikat ist in Zukunft nicht mehr der Impf- oder Genesenennachweis aus der Corona-Zeit, sondern das 49-Euro-Monatsticket. Den QR-Code lädt man sich entweder in die App oder nutzt eben das ausgedruckte Blatt – so wie damals bei den Impfnachweisen auch. Die Prüfung des QR-Codes, in der App wie auch auf Papier, erfolgt bei der Fahrkartenkontrolle dann mittels der CovPassCheck-App auf den Geräten der Prüfdienste.

Damit werden drei Probleme gleichzeitig abgeräumt. Erstens: Niemand braucht ein Smartphone, um das 49-Euro-Ticket nutzen zu können. Der Papierausdruck ist auch in Ordnung. Zweitens: Das Ticket kann von allen Verkehrsunternehmen auf Gültigkeit geprüft werden. Auch kleine Verkehrsunternehmen mit schmalem IT-Budget müssen sich keine Gedanken machen, dass sie ein digitales Ticket mit Chipkarte o.ä. gar nicht prüfen können: die CovPassCheck-App kann jedes Verkehrsunternehmen auf die Diensthandys der Kontrolleur:innen laden. Drittens: Das CovPass-System gehört bereits überwiegend den Steuerzahler:innen! Wir haben diese Infrastruktur im Rahmen der Corona-Pandemie erprobt und können sie nun für neue Zwecke wie das 49-Euro-Ticket nutzen.

Wie erhalte ich als Nutzer das Zertifikat, das dann als 49-Eruo-Ticket gilt?

Über eine zentrale Verkaufsplattform, die diese Zertifikate gegen Zahlung der 49 Euro pro Monat ausgibt. Die Plattform könnte direkt beim BMDV oder bei der Deutschland-Tarifverbund GmbH angesiedelt sein. Vorteil: Der Vertrieb erfolgt über eine einzige öffentliche Plattform. Den Goldgräbern, die auf Kosten der Steuerzahler:innen für den Verkauf des Tickets auf ihren Plattformen Provisionen kassieren wollen, wird so ein Riegel vorgeschoben.

Dann brauche ich als Nutzer aber doch einen Internetzugang zum Erwerb des Tickets?

Niemand braucht mit diesem System ein Smartphone, um in Bus oder Bahn ein gültiges Ticket vorweisen zu können. Allerdings brauchen Sie im Regelfall einen Internetzugang zum Erwerb des Tickets, zum Beispiel zuhause. Für Menschen ohne Internetzugang sollte ein Verkauf auch an personenbedienten Verkaufsstellen erfolgen. Das betrifft aber nur rund fünf Prozent der Menschen in Deutschland. Zur Einordnung: 95 Prozent der Menschen zwischen 16 und 74 haben 2022 das Internet genutzt. Ein Smartphone haben dagegen nur 75 Prozent. Für viele ohne Smartphone ist es daher schon eine gute Lösung, wenn sie das Ticket am heimischen PC oder Laptop kaufen und ausdrucken können.

Der Schalterverkauf wird also die Ausnahme sein. Auch dort wird das Ticket schlicht auf der zentralen Plattform für den Kunden bzw. die Kundin gekauft und ausgedruckt. Die einzige Vertriebsprovision, die anfällt, ist also die für den personenbedienten Verkauf. Alles andere haben die Steuerzahler:innen bereits in ihrer Hand und sind gut beraten, sich nicht auf weitere kostspielige Vertriebskanäle einzulassen, weder digital noch an Automaten. Der Worst Case wäre es, das 49-Euro-Ticket in die bestehenden Vertriebsstrukturen der Verkehrsunternehmen und -verbünde einzubauen. Dann verkauft jeder „sein eigenes“ 49-Euro-Ticket mit entsprechendem Kostenaufwand und unübersichtlichen Kontrollmöglichkeiten. Wir brauchen das Geld vielmehr für den Ausbau der Infrastruktur und der Betriebsleistungen, nicht für Parallelstrukturen im Vertrieb.

Das Interview führte Hans-Christoph Neidlein.


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