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Nachgefragt
12. Oktober 2021

„Das Recycling von Produkten wird uns zukünftig viel mehr beschäftigen“

Hersteller von PV-Komponenten erleben derzeit eine wachsende Nachfrage, müssen sich aber auch mit Ressourcenknappheit auseinandersetzen. Peter Bachmann vom Solarmodul- und Speicherhersteller Solarwatt erläutert im Interview Handlungsoptionen der Industrie und konkrete Lösungsansätze.

Peter Bachmann zeichnet für das Business Development des Dresdner Modul- und Speicherherstellers Solarwatt verantwortlich.

Peter Bachmann zeichnet für das Business Development des Dresdner Modul- und Speicherherstellers Solarwatt verantwortlich.
Foto: Solarwatt

Herr Bachmann, im Moment ist viel von Knappheiten die Rede, welche Komponenten sind besonders betroffen?

Momentan steht der Chipmangel im Fokus. Obwohl Solarwatt stabile Lieferbeziehungen und starke Partnerschaften hat, sind auch wir davon ein Stückweit betroffen. Auch bei anderen hochwertigen Elektronikkomponenten sind Lieferengpässe zu spüren, das trifft allerdings nicht nur die Photovoltaikbranche. Was verwundern mag: Nicht nur hochwertige Vorprodukte sind schwer zu beschaffen, sondern mitunter auch ganz simple Dinge wie Aluminiumschienen für die Montage.

Wie wird das mit Blick auf den weltweiten Zubau weitergehen?

Das wird ein spannendes Rennen. Überall in der Welt werden in großem Maßstab neue Anlagen geplant und gebaut. Allein China will seinen jetzt schon sehr großen Photovoltaikzubau mindestens verdoppeln. In diesem Kontext wird sich die Frage nach Fertigungen in Europa noch einmal neu stellen, eventuell bis hinunter auf die Waferebene – das Ausgangsprodukt für Solarzellen, die zu Modulen zusammengefügt werden.

Können Sie Ihre Fertigung voll auslasten oder gibt es Stillstand wegen mangelnder Vorprodukte?

Wir erleben – wie auch andere Marktteilnehmer – derzeit eine gute, wachsende Nachfrage. Mit der neuen Modulfertigung, die wir Ende September offiziell eröffnet haben, hat Solarwatt für seine Glas-Glas-Module in Summe eine Produktionskapazität von 550 Megawatt. Doch so eine Fabrik baut man nicht innerhalb weniger Monate. Dafür haben wir also schon vor längerer Zeit mit unseren Zulieferern entsprechende Verträge geschlossen. Gerade die Bauteile für die Module sind derzeit noch ganz gut verfügbar. Wenn der Markt in kurzer Zeit extrem wächst, muss man aber natürlich schauen, wie sich das entwickelt.

Sie stellen auch Batteriespeicher her, da sind Batteriezellen eine wichtige Komponente…

Auch in diesem Segment können wir aktuell wie geplant produzieren und sind in engem Dialog mit BMW, unserem Technologiepartner bei der Entwicklung des Batteriespeichers Solarwatt Battery flex, und Vorlieferanten. BMW hat strikte Bedingungen in Bezug auf Nachhaltigkeit in der Lieferkette – Ressourcen werden nicht irgendwo beschafft. Daran partizipieren wir. Wenn die Autobranche nicht durch den Chipmangel ausgebremst würde, könnte sie viel mehr E-Autos absetzen – und damit würden dann dort auch mehr Batteriezellen verbaut. 97 Prozent aller Speicherzellen gehen momentan in den Automobilbereich, nur ein kleiner Anteil geht in stationäre Speicher. Wir sind guter Dinge, beobachten aber auch die Entwicklungen.

Was sind die Herausforderungen für einen Modulhersteller?

Der Modulmarkt wird nach wie von Produkten asiatischer Hersteller dominiert. Aber der Blick der Kunden auf den CO2-Fußabdruck wird zunehmend wichtiger. Da wir lokal fertigen, können wir wie andere europäische Hersteller auch immer mehr Kunden mit diesem Argument überzeugen. Als Hersteller muss man sich darüber hinaus differenzieren. Solarwatt hat das getan mit seiner Entscheidung, vollständig auf Glas-Glas-Module zu setzen. Andere Hersteller fahren andere Strategien. Für den Endkunden packt Solarwatt seine Produkte in ein Gesamtsystem, denn der Kunde kauft ja eine Anlage und kein Modul. Das Gesamtpaket macht den Unterschied - mit allen Komponenten, mit Installation und Service.

Wie sieht das entsprechende Konzept bei den Batteriespeichern aus?

Grundsätzlich setzen wir bei unseren Batteriespeichern auf Modularität, es gibt einzelne Packs mit einer bestimmten Kapazität, die je nach Bedarf zusammengelegt werden können. Wir haben das Prinzip der Modularität aber weitergedacht und auf das System angewandt – wir haben nicht nur einen Wechselstromspeicher, sondern demnächst auch einen Gleichstromspeicher und einen Hybridspeicher, so dass Komponenten miteinander kombiniert werden können.

Mit welcher Strategie begegnet Solarwatt dem Fachkräftemangel?

Die Handwerkerressource ist ebenfalls ein knappes Gut. Je einfacher die Systeme zu installieren sind, desto mehr Kunden kann der Handwerker bedienen. Auch diesen Aspekt berücksichtigen wir bei der Produktentwicklung. Wir versuchen unsere Produkte so zu gestalten, dass sie einfach installiert werden können. Beispielsweise bieten wir eine App für Installateure, die den Installationsprozess begleitet – vom Aufmachen des Kartons bis hin zur Konfiguration. Generell betrachten wir das Thema aber schon in der Produktentwicklung. Darüber hinaus unterstützen wir unsere Fachpartner mit diversen digitalen Tools, um den Prozess von der Kundenanfrage bis zum fertigen Angebot einfach und schlank zu gestalten. Und wir unterstützen unsere Handwerkspartner bei der Personalsuche. Zukünftig werden aber noch viel mehr Menschen gebraucht, die in der Herstellung, Installation und Wartung arbeiten. Und die PV-Branche ist nicht die einzige, die gerade händeringend nach Fachkräften sucht.

Welche Strategien gibt es noch, um Ressourcenknappheit zu begegnen?

Die Lebensdauer und das Recycling von Produkten werden uns zukünftig viel mehr beschäftigen. Bei der Lebensdauer sind Glas-Glas-Module schon sehr weit vorn, sie halten weitaus länger als die von uns garantierten 30 Jahre. Das hilft enorm, Ressourcen zu sparen. Zudem sind Doppelglasmodule fast zu 100 Prozent recyclebar. Auf der Batterieseite ist das ähnlich. Wenn eine Zelle in unserem Batteriespeicher kaputt ist, kann man das Pack herausnehmen, auseinanderschrauben und die jeweilige Zelle ersetzen. Cradle to Cradle – diesen Aspekt betrachten wir verstärkt in unserer Produktentwicklung. Da ist noch sehr viel machbar.

Was könnte der Beitrag der Industrie zur Sektorenkopplung sein?

Das Zusammenwachsen der verschiedenen Sektoren wird für alle Seiten wichtiger – für die Hersteller von Produkten, für die Handwerker und auch für die Endkunden. Letztere wollen ein energetisches Konzept für ein Objekt. Eigentlich führt dann kaum ein Weg an einer Solaranlage, einer Wärmepumpe und einer Ladesäule vorbei. Der Kunde steht aber vor der Herausforderung: Mit wem spreche ich denn jetzt? Es gibt den Energieberater, der einen KfW-Pass ausstellen muss. Der Heizungsbauer rät vielleicht von einer Wärmepumpe ab und plädiert für einen Gaskessel. Schließlich findet er einen Elektriker, der Leitungen verlegt und einen Solarteur, der Module auf dem Dach montiert. Aber eine ganzheitliche Beratung und Betrachtung findet bisher nicht statt. Die Endkunden werden da zu sehr alleingelassen. Das versuchen wir als Hersteller sowohl technologisch aufzufangen, aber auch von der Beratungsseite her. Und wir schulen Installateure aktiv, um sie für alle Bereiche der Sektorenkopplung fit zu machen.

Welche Entwicklungen werden wir in Zukunft sehen?

Die Pariser Klimaschutzziele geben den Takt vor. Die Erneuerbaren Energien müssen viel stärker ausgebaut werden, um Wirtschaft und Privathaushalte mit Strom und Wärme zu versorgen, inklusive der aus der Sektorkopplung resultierenden größeren Stromnachfrage. Die Branche spricht vom goldenen Jahrzehnt der PV. Aus der Autoindustrie kamen schon Stimmen, dass der CO2-Preis noch viel stärker steigen müsse, damit der Umstieg auf Elektromobilität angereizt wird. Wir wissen, dass Haushalte mit E-Auto wenn möglich auch ihre eigene PV-Anlage bauen. Das treibt unseren Markt zusätzlich an. Hinzu kommt die Heizung mit Wärmepumpe, die ihre Vorteile in Kombination mit der Solaranlage voll ausspielen kann.

Das Gespräch führte Petra Franke.


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