Menü öffnen

Nachgefragt
22. März 2022

„Man muss uns nur lassen“

Geht es nach dem Referentenentwurf zum EEG, soll die Biomasse-Vergütung zukünftig auf Biomethan-Spitzenlastkraftwerke fokussiert werden. Diese neue Rolle als flexibler Player wollen die Unternehmen der Branche gern erfüllen – aber nicht darauf beschränkt sein.

Horst Seide ist Präsident des Fachverbandes Biogas (FVB).

Horst Seide ist Präsident des Fachverbandes Biogas (FVB).
Foto: FVB

Herr Seide, es kursiert eine neue Wortschöpfung – die Peaker. Damit sind die Biomassekraftwerke gemeint. Freut sie das?

Wir begrüßen, dass die Bioenergie eine neue Aufgabe übernehmen soll – den Strommarkt mit flexiblen Hochleistungskraftwerken dann zu sichern, wenn es ganz eng ist. Das ist eine neue Rolle, die wir positiv sehen. Das kann die Branche auch. Aber wenn man den EEG-Entwurf weiter liest, wird viel Potenzial der Technologie verschenkt. Die Fokussierung der Biomasse-Vergütung auf Biomethan-Spitzenlastkraftwerke ist energiewirtschaftlich unnötig.

Was genau fehlt, um die Bioenergie voranzubringen?

Wenn wir die Stromproduktion der Biomassekraftwerke auf immer weniger Stunden verteilen – auf zehn Prozent der Jahresstundenzahl, aber den gegenwärtigen Stromertrag auch in Zukunft erbringen sollen, dann muss die installierte Leistung steigen. Im Entwurf steht aber die alte Zahl: 8,4 Gigawatt. Da scheint etwas vergessen worden zu sein. Wenn die formulierten Ziele erreicht werden sollen, muss die installierte Leistung auf rund 16 Gigawatt steigen – und damit auch die Ausschreibungsmengen.

Ist die Umstellung auf flexiblen Betrieb wirtschaftlich machbar?

Das hängt von den Marktpreisen ab. Aber selbst, wenn diese hoch sind wie gerade jetzt, ist es schwer. Deshalb gibt es einen zweiten Faktor – den Flexibilisierungszuschlag. Beides zusammen bietet eine Perspektive, allerdings legt sich der Entwurf noch nicht auf eine Höhe des Flexi-Zuschlags fest. Die Bundesregierung hat mit dem Entwurf auch die bisherige Größenbeschränkung auf zehn Megawatt Leistung aufgehoben. Das hat zur Folge, dass wir wahrscheinlich Gasturbinen sehen werden mit 300 Megawatt und mehr Leistung, die momentan mit Erdgas laufen und dann vielleicht auf Biogas umsteigen. Dieser Anlagengröße den gleichen Flexibilisierungszuschlag wie kleineren Anlagen zu gewähren, wäre nicht gerecht. Die Zuschläge müssten gestaffelt werden, wenn es keine Größenbegrenzung für die Leistung mehr gibt.

Wir sprachen bisher über Biomethan, aber Bioenergie ist ja bekanntlich mehr…

Ja, das Biomethan macht nur einen ganz kleinen Teil des Portfolios aus. In der fossilen KWK-Ausschreibung gibt es ein Segment, in dem Strom und Wärme in Kombination bezuschlagt werden. Auch diese Kraftwerke sollen immer weniger laufen, was wir auch für richtig halten. Dass aber laut Gesetzentwurf in diesen Kraftwerken kein Biomethan verarbeitet werden darf, das halten wir nicht für richtig. Da gibt es fossile Blockheizkraftwerke, die nach dem Gebot der Stunde auf grüne Energie umgestellt werden müssten – aber das Gesetz verhindert das. Diese Kraftwerke können nach unserer Auffassung erneuerbar werden.

Bioenergie wird auch oft vor Ort genutzt – wird dieses Segment jetzt kleiner?

Die bisher genannten Segmente und Produkte gelangen übers Gasnetz zur Verarbeitung, aber der größte Teil der Biogaserzeugung wird vor dem Gasnetz genutzt. Wir befürworten ausdrücklich den Weg, mehr Biomethan zu erzeugen und übers Gasnetz bereitzustellen. Aber das ist eben nur ein kleiner Teil. Der allergrößte Teil wird vor Ort verstromt, der Strom direkt aus dem Fermenter heraus erzeugt. Das ist im Entwurf viel zu wenig bedacht. Beispielsweise soll es ab Mitte des Jahrzehnts für dieses Segment nur noch eine Ausschreibung jährlich geben. Das deuten wir so, dass diese Nutzungsart nicht weiter ausgebaut werden soll. Das hielten wir für verkehrt. Im Gegenteil: genau hier können wir sehr schnell sehr viel erreichen. Es gilt alle Flexibilitäten zu nutzen, die aus dem Bestand heraus gehoben werden können. Die meisten Anlagen laufen in der alten Förderung sehr unflexibel. Da sagen wir – 2035 ist das neue 2045 –lasst uns jetzt anfangen, alles schnell umzubauen, um die notwendigen Flexibilitäten auch dann zu haben, wenn sie gebraucht werden.

Welche konkreten Hemmnisse müssen abgeschafft werden?

Es gibt nach wie vor einen Flexdeckel. Alle Anlagen, die bereits etwas in Richtung Flexibilisierung erprobt haben, sind betroffen vom Flexibilisierungsdeckel. Das bedeutet, diese Anlagen sind ausgeschlossen von der Flexibilisierungsförderung. Diese Regel gehört abgeschafft. Jeder der flexibilisieren will, soll und muss gefördert werden – ohne Größenbeschränkung. Außerdem sollte die endogene Mengensteuerung und die Südquote abgeschafft werden.

Wie kann schneller mehr flexible Leistung bereitgestellt werden?

Altanlagen, die vielleicht später in die Flexibilisierung gehen wollen, sollten sich bereits zeitnah an den Ausschreibungen für die Anschlussförderung beteiligen können. Dann hat der Betreiber Sicherheit, beispielsweise im Jahr 2029 eine Vergütung zu bekommen – und er kann jetzt schon im alten System die technischen Umrüstungen angehen. Damit erreichen wir, dass der Altbestand viel schneller flexibilisiert. Wir wollen auch Wärme vor Ort bereitstellen, das ist ebenfalls mit hohen Investitionen verbunden.

Das Gespräch führte Petra Franke.


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft