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Nachgefragt
26. Juni 2023

Nachhaltig investieren ohne Greenwashing

Green Investments sind stark im Kommen. Doch wo ist die Grenze zum Greenwashing? Worauf sollten Anleger achten, die konkret etwas in punkto Nachhaltigkeit bewegen wollen? Wie sieht es mit den Renditeerwartungen aus? Unser Experteninterview gibt Antworten.

Timo Busch ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg

Timo Busch ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg
Timo Busch ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg und Senior Fellow am Center for Sustainable Finance and Private Wealth der Universität Zürich
Bildquelle: privat

Herr Busch, viele Menschen und Investoren wollen ihr Geld für eine nachhaltige und klimaneutrale Zukunft anlegen und eine wachsende Zahl von Anbietern und Unternehmen werben mit grünen und nachhaltigen Anlagemöglichkeiten. Wie groß ist dieser Markt und wie stark ist er in den vergangenen Jahren gewachsen?

Global gibt es eine Statistik, bei welcher alle Geldanlagen gezählt werden, die in irgendeiner Form sogenannte ESG-Faktoren erfüllen, also Umwelt, Sozial und gute Unternehmensführung (Environment and Social Governance). Doch da haben sie unterschiedliche Produkte dabei, einige die sehr hohe Standards anlegen und andere, die beispielsweise nur den Tabaksektor ausschließen und sonst gar nichts machen. Laut dieser Statistik wird weltweit jeder dritte Dollar nach ESG-Kriterien angelegt ist. Doch ich würde nicht jede Geldanlage, die dort gezählt wird, als nachhaltige Geldanlage klassifizieren. Für den deutschen Fondsbereich ist der Anteil laut den Statistiken des Forums Nachhaltige Geldanlagen etwas geringer. Ich selbst mache ja immer die Statistik für die Schweiz, da hatten wir zuletzt für den Publikumsfondsbereich einen Marktanteil von etwa 50 Prozent. Der Trend bei nachhaltigen Geldanlagen zeigt bei allen Statistiken deutlich nach oben, sei es global oder für Deutschland und Europa. Wir haben hier durchweg Wachstumsraten von über 30 Prozent. Der Markt für nachhaltige Geldanlagen wächst jedenfalls stärker als der normale Anlagenmarkt.

Nimmt infolge des starken Wachstums des Marktes für nachhaltige Geldanlagen auch die Gefahr des Greenwashing zu? Gibt es zuverlässige Angaben oder eine Statistik, wie verbreitet Greenwashing ist?

Eine Statistik hierzu kenne ich nicht. Aber wenn man sich den Markt und bestimmte Produkte genauer anschaut, wird relativ schnell klar, dass es Greenwashing gibt und zwar nicht nur für einzelne Fälle, sondern für eine Vielzahl von Produkten. Beispielsweise sagen Fonds, wir machen eine sogenannte ESG-Integration, sprich, dass ESG-Faktoren bei der Anlageentscheidung mitberücksichtigt werden. Aber die Asset-Manager sagen dann gar nicht genau, wie sie das tun, was das genau heißt.

Werden irgendwelche Sektoren ausgeschlossen oder wird nur in Vorreiter-Unternehmen, was das Thema Klimakrise angeht, investiert?

Insgesamt bleibt das häufig nebulös. Dann gibt es aber auch Fälle, wo Unternehmen, sei es von Seiten der NGOs oder der Medien, zu Unrecht wegen vermeintlichem Greenwashing angeprangert werden. Das ist immer dann der Fall, wenn Sie sagen, als grüner Investor möchte ich nicht in schmutzige Industrien wie Öl investieren. Aber wenn man nachhaltig investiert, investiert man genau so in solche Unternehmen, das ist ja immer der Vorwurf. Klar, es gibt Fonds, die genau so etwas machen, die haben nur den grünen Mantel. Doch ganz oft ist es so, dass man aus ganz pragmatischen Gründen Umsatzschwellen definieren muss, beispielsweise für den Ausschluss von Öl oder Kohle. Hier wird in der Regel eine Umsatzschwelle von fünf Prozent definiert.

Warum macht man das?

Großkonzerne haben in der Regel alle irgendwas mit Öl oder Gas zu tun, beispielsweise im Bereich der Energieversorgung. Wenn man hier also sehr rigorose Kriterien anlegt, würde fast gar niemand mehr investieren. Deshalb hat es sich etabliert, dass man gewisse Umsatzschwellen ansetzt. Wenn man dies transparent kommuniziert, lässt sich aus meiner Sicht der Greenwashing-Vorwurf nicht mehr halten.

Wie kann denn zwischen Greenwashing und echter Nachhaltigkeit unterschieden werden? Haben Sie hierzu ein paar grundlegende Tipps für Geldanleger?

Zunächst einmal gibt es immer die Möglichkeit, sich als Geldanleger selbst schlau zu machen. Allerdings muss man sich schon mehr damit auseinandersetzen und man braucht gutes Know-how. Deshalb ist dieser Weg für den typischen Kleinanleger wahrscheinlich nicht gangbar. Doch es gibt verschiedene andere Optionen. Zum einen kann man auf einen Themenfonds setzen, beispielsweise im Bereich Klimakrise auf einen Erneuerbare-Energien-Fonds. Da kann ich relativ sicher sein, dass dort Unternehmen dabei sind, die entsprechende Technologien bereitstellen oder Wind- und Solarparks bauen. Allerdings hat man dann kein breit diversifiziertes Portfolio, sondern investiert in einen Sektor bzw. eine Technologie, was auch mitunter finanziell risikoreich sein kann. Zum anderen kann man sich bei der Stiftung Warentest informieren, die hierzu regelmäßige Analysen erstellt und Empfehlungen macht. Eine weitere Möglichkeit ist, dass man sich auf Siegel verlässt, beispielsweise für den deutschsprachigen Raum das FNG-Siegel vom Forum Nachhaltige Geldanlagen. Fonds können sich nach einem relativ strikten Auswahlprozess dafür bewerben.

Das Entscheidende ist also, dass meine grüne Geldanlage bzw. Investition tatsächlich zu einer konkreten Emissionsreduzierung bzw. zu einer echten positive Wirkung für Klima, Mensch und Umwelt führt?

Im Endeffekt ja. Entscheidend ist hier die Additionalität. Wenn ich als Kleinanleger beispielsweise über einen nachhaltigen ETF-Fonds gezielt in die Aktientitel von Vorreiterunternehmen investiere, kann das zwar sinnvoll sein. Denn ich investiere in Unternehmen, die bereits einen sehr guten Impact haben. Doch führt das nicht in jedem Fall zu einer konkreten zusätzlichen C02-Einsparung. Wenn ich das möchte, habe ich andere Möglichkeiten. Wenn ich beispielsweise in einen Fonds investiere, der gezielt Geld einsammelt, um einen neuen Windpark zu bauen, beteilige ich mich aktiv daran. Denn dieser Windpark steht noch nicht und ich beteilige mit x-Prozent und leiste dadurch einen aktiven Beitrag, dass künftig zusätzliches CO2 eingespart wird. Das ist ja eine ganz andere Dimension von Impact Investment. Allerdings sollte man bei solchen Beteiligungsmodellen auch immer beachten, wie risikoreich sie finanziell sind. Das steht auf einem anderen Blatt.

Muss man eigentlich beim Investment in wirklich nachhaltige Projekte seine Renditeerwartungen von vornherein etwas herunterschrauben?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Das ist wie mit jedem Investment. Man kann immer Glück haben und das Investment ist höchst profitabel, die Unternehmen wachsen und man geht über die durchschnittliche Marktverzinsung hinaus. Doch man kann auch mit einem herkömmlichen Investment in dem Sinne Pech haben, dass es nicht profitabel ist. Gleiches gilt auch für nachhaltige Investitionen. Das wissen wir beispielsweise aus dem Wasserbereich. Diese Themenfonds haben in der Vergangenheit immer den Markt outperformt, die lagen immer über den Marktzinssätzen. Für andere gilt das nicht. Es gibt mit Sicherheit in dem Spektrum an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten Produkte, die per se schlechter verzinst sind als der Markt, beispielsweise im Microfinanzbereich. Aber ich würde nicht behaupten, dass grüne oder nachhaltige Investments nur mit Renditeverzicht möglich sind. Da sagt die Empirie uns etwas anderes, nämlich, dass nachhaltige Anlagen mitunter besser, aber auch nicht viel schlechter performen als andere.

Das Interview führte Hans-Christoph Neidlein.

Timo Busch ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg und Senior Fellow am Center for Sustainable Finance and Private Wealth der Universität Zürich. Zudem ist er u.a. Mitglied des Wissenschaftsbeirats des Vereins für Umweltmanagement und Nachhaltigkeit in Finanzinstitutionen (VfU).


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