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Nachgefragt
05. Mai 2023

Per Gesetz wird ein sehr großer Wärmepumpenmarkt geschaffen

Viessmann will seine Klimasparte an einen amerikanischen Konzern verkaufen. Das Familienunternehmen setzt in einem hart umkämpften Markt auf eine starke Partnerschaft. Welche behördlichen Kontrollverfahren jetzt ins Haus stehen, erläutert Michaela Westrup im Interview.

Michaela Westrup ist Spezialistin für deutsches und europäisches Kartellrecht sowie Außenwirtschaftsrecht bei der Wirtschaftskanzlei Reed Smith.

Michaela Westrup ist Spezialistin für deutsches und europäisches Kartellrecht sowie Außenwirtschaftsrecht bei der Wirtschaftskanzlei Reed Smith.
Foto: Reed Smith

Frau Westrup, wer prüft jetzt eigentlich was, um den Verkauf der Klimasparte von Viessmann an das US-amerikanische Unternehmen Carrier Global zu beurteilen?

Es gilt zwei Verfahren zu unterscheiden. Zum einen gibt es das Instrument der Fusionskontrolle. Dabei wird geprüft, ob durch die Übernahme die Marktmacht eines Unternehmens so groß wird, dass der Wettbewerb in Gefahr ist. Die Fusionskontrolle findet auch statt, wenn kein ausländischer Investor beteiligt ist. Es gibt Regeln, wann die nationalen Kartellbehörden zuständig sind und wann die EU-Kommission. In diesem Verfahren haben die beteiligten Unternehmen Anmeldepflichten, wenn sie bestimmte Umsatzschwellen erreichen. Dann darf der Zusammenschluss erst vollzogen werden, wenn er freigegeben wurde.

Daneben steht das Instrument der Investitionskontrolle…

Ja, genau. Dafür sind nicht die Kartellbehörden zuständig, sondern je nach Land unterschiedliche Behörden; in Deutschland ist das Bundeswirtschaftsministerium zuständig. In diesem Rahmen wird nicht der Wettbewerb geprüft, sondern geschaut, ob die geplante Übernahme eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen könnte. In diesem Verfahren gibt es eine Meldepflicht der beteiligten Unternehmen, wenn das Zielunternehmen in einem sicherheitsrelevanten Bereich tätig ist. Der Verkauf darf auch erst dann vollzogen werden, wenn das BMWK zugestimmt hat.

Wann greift diese Meldepflicht?

In der Außenwirtschaftsverordnung sind die Sektoren genannt, bei denen eine solche Meldepflicht besteht. Darüber hinaus hat das BMWK ein Prüfrecht, wenn 25 Prozent oder mehr der Anteile an einem deutschen Unternehmen an einen ausländischen Investor veräußert werden. Ob der konkrete Deal meldepflichtig ist, ist gar nicht eindeutig zu beantworten. Aber weil das BMWK in diesem Fall von seinem Prüfrecht mit großer Wahrscheinlichkeit Gebrauch machen wird, wären die Parteien gut beraten, von sich aus die Transaktion zur Investitionskontrolle anzumelden.

Welche Kriterien gibt es denn, um die Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu beurteilen?

Der Begriff der öffentlichen Ordnung und Sicherheit beziehungsweise das Maß der Beeinträchtigung ist bewusst gesetzlich nicht näher konkretisiert. Es ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der dem BMWK erlaubt, die Prüfung von Fall zu Fall anzupassen und zu schauen, ob die staatlichen Interessen beeinträchtigt werden und wann ein Einschreiten gerechtfertigt ist. Die Versorgungssicherheit spielt dabei eine große Rolle, auch die Zuverlässigkeit des betreffenden Investors. Ein anderer Aspekt betrifft Förderungen, die möglicherweise in der Vergangenheit dem Unternehmen zugutekamen. Es soll verhindert werden, dass dank staatlicher Beihilfen prosperierende Unternehmen abwandern. Bedenken ergeben sich regelmäßig bei einheimischen Unternehmen im Bereich der kritischen Infrastruktur oder moderner Technologien, vor allem, wenn sich hieran chinesische Investoren beteiligen.

Könnte denn in diesem Fall da ein Problem bestehen?

Beide Seiten haben sich laut Pressemeldungen bereits über langfristige Garantien geeinigt, beispielsweise betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen und Standortgarantien für einen bestimmten Zeitraum gegeben, so dass solche Bedenken wohl schon im Vorfeld antizipiert wurden. Aber ich kenne nicht die Details – ein mögliches Prüfergebnis kann ich nicht vorwegnehmen, jedoch halte ich eine Untersagung oder gravierende Auflagen für unwahrscheinlich.

Dennoch beschäftigt die Übernahme die Gemüter…

Nicht ohne Grund. Per Gesetz – gemeint ist das Gebäudeenergiegesetz – wird ein sehr, sehr großer Markt für Wärmepumpen geschaffen. Er wird das Volumen, dass Viessmann derzeit in diesem Segment umsetzt, um ein Vielfaches übersteigen. Jetzt drängen massiv ausländische, insbesondere asiatische Hersteller auf den Markt. Der Wettbewerbsdruck wird steigen, die Kosten für Verbraucher wahrscheinlich sinken. Da kann nur mithalten, wer mit großen Investitionen im industriellen Maßstab produziert. Viessmann hat sich in dieser Situation nach einem starken Partner umgesehen. Es ist gut, dass der Industriestandort erhalten bleibt, weil die Wertschöpfung weiterhin in Deutschland stattfinden wird – aber die Gewinne werden wohl anderswo landen.

Warum baut Viessmann seine Produktion nicht einfach aus?

Hier kommen wir auf den relevanten Punkt, das notwendige Kapital. Viessmann als gewachsenes Familienunternehmen hat jetzt schon eine enorme Verantwortung – auch finanziell – für das Unternehmen, wahrscheinlich mehr als ein klassischer Equity-Investor. Viessmann hat eine Rekord-Umsatzsteigerung in den letzten Jahren hingelegt und ist genau in dem Bereich Klimalösungen gewachsen, der jetzt verkauft wird. Das ist auch ein Grund für die extrem gute Bewertung. Aber die andere Seite der Medaille sind die Finanzierungsbedingungen für den Mittelstand hier in Deutschland. Da stoßen familiengeführte Unternehmen schnell an ihre Grenzen. Sie treffen auf einen Wettbewerb, dem sie sich gar nicht so leicht stellen können. Der Net-Zero-Industry-Act könnte da vielleicht Abhilfe schaffen, aber das ist ja noch Zukunftsmusik.

Noch mal zurück zur Fusionskontrolle, der Betrachtung des Wettbewerbs. Wer ist da zuständig?

Die nationale Wettbewerbsbehörde in Deutschland ist das Bundeskartellamt, auf europäischer Ebene ist es die Europäische Kommission. Wenn bestimmte Umsatzschwellen durch die beteiligten Unternehmen überschritten werden, verlieren die nationalen Wettbewerbsbehörden ihre Zuständigkeit.  Aufgrund der Größe des Deals – Viessmann hat mit dem in Frage stehenden Geschäftsbereich im letzten Jahr 4 Milliarden Euro Umsatz gemacht und der Erwerber Carrier etwa 20 Milliarden US-Dollar – sind die Umsatzschwellen für die Zuständigkeit der EU mit großer Wahrscheinlichkeit erreicht. Ich gehe davon aus, dass hier die EU-Kommissionen prüfen wird und nicht das Bundeskartellamt.

Was genau ist dann Gegenstand der Fusionskontrolle?

Es wird geschaut, ob kartellrechtliche Bedenken wegen der Konzentration von Marktmacht bestehen. Dafür muss zunächst der relevante Markt definiert werden. Bei dieser Transaktion geht es um den Markt der Klimalösungen, die Herstellung und den Vertrieb entsprechender Produkte. Es wird geschaut, welche sonstigen Unternehmen in diesem Markt aktiv sind und in welchem Umfang. Danach wird betrachtet, wie sich die wettbewerbliche Landschaft durch die Übernahme verändert, insbesondere auch aus Sicht der Nachfrager. Neben der Abgrenzung des Produktmarktes wird der Markt auch unter geographischen Gesichtspunkten abgegrenzt. Trotz des außereuropäischen Wettbewerbs in der EU ist hier auch wegen der regulatorischen Marktgegebenheiten damit zu rechnen, dass der geographische Markt enger als weltweit abzugrenzen ist, eher national oder EWR-weit (Europäischer Wirtschaftsraum).

Welche Konsequenzen kann die Fusionskontrolle haben?

Untersagt oder unter Auflagen freigegeben wird die Übernahme nur, wenn infolge der Übernahme nicht mehr genug Wettbewerb herrschen würde und mit Nachteilen für Verbraucher, wie Innovationsverluste oder Preissteigerungen zu rechnen wäre. Ich denke aber, genau das Gegenteil wird der Fall sein. Der Wettbewerbsdruck in diesem Segment ist bereits hoch und dürfte durch das erwartete Wachstum weiter zunehmen, so dass ich an dieser Stelle keine durchgreifenden Bedenken erwarte.

Das Gespräch führte Petra Franke.

Reed Smith ist eine weltweit tätige Wirtschaftskanzlei mit Schwerpunkt im Bereich Energie, jedoch nicht involviert in den Deal zwischen Viessmann an den US-amerikanischen Konzern Carrier Global Corporation.


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