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Nachgefragt
15. März 2022

„Überlegen, ob die Wirtschaft allein die richtige Messgröße ist“

Die Dramatik der Folgen der Klimakrise wird eine ganz andere sein als die der Coronakrise oder des Ukrainekrieges, sagt Volker Quaschning, Energieexperte und Initiator der Scientist for Future Bewegung. Er fordert eine ehrlichere Kommunikation und grundsätzliche Veränderungen unseres Lebensstils.

Volker Quaschning ist Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin

Volker Quaschning ist Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin
Foto: Nikolas Fahlbusch / HTW Berlin

Herr Quaschning, Sie äußern in Ihrem neuen Buch Energierevolution – Jetzt! die Hoffnung auf mutige und visionäre Politiker. Seit Dezember haben wir ja nun die neue Ampelregierung und einen Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck. Hat sich denn in punkto Klimaschutz aus ihrer Sicht politisch etwas nach vorne bewegt?

Ja, ich sehe schon - zumindest in Deutschland – starken Grund zur Hoffnung und so bitter es ist, der Krieg in der Ukraine verstärkt noch einmal den Druck für eine schnelle Energiewende. Das was jetzt diskutiert wird, geht viel, viel weiter als das was Herr Altmaier und die letzte Regierung gemacht haben. Das was Herr Habeck vorgelegt hat, reicht zwar immer noch nicht aus, er konnte sich ja auch im Wahlkampf nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, doch es ist schon sehr ambitioniert. Man muss erstmal das hinkriegen, was Herr Habeck gerne machen möchte. Und im zweiten Schritt müsste man eigentlich nochmals eine Schippe drauflegen und das Tempo verstärken. Aber im Moment gibt es ja nur Ankündigungen, deshalb muss man mal schauen, was bei dem angekündigten Osterpaket herauskommt und bei dem für Ende des Jahres angekündigten Gesetzespaket, herauskommt.

Sie gehen ja in Ihrem Buch auch auf die nötigen Verhaltensänderungen jedes Einzelnen und auf den nötigen Bewusstseinswandel für eine klimagerechte Lebensweise ein. Doch die Wahlergebnisse sind ja nun mal so, wie sie sind. Kann man also von der Politik in einer parlamentarischen Demokratie überhaupt mehr erwarten?

Ja, was mich sehr stark stört ist, dass nicht wirklich ehrlich kommuniziert wird. Auch Herr Habeck hat sich hingestellt und gesagt, wir machen nun mal die paar Änderungen und dann wird das schon mit dem 1,5 Grad Pfad. Und das stimmt so definitiv nicht. Man muss den Leuten schon reinen Wein einschenken. Viele draußen haben noch gar nicht verstanden, wie dramatisch schlimm die Auswirkungen der Klimakrise sein werden und was jetzt schon passiert ist. Das ist so ein bisschen, na ja ok die Sommer werden heißer und ich muss ein bisschen mehr gießen. Das ist für viele Menschen  die Klimakrise. Natürlich hat man dann nicht den Respekt davor, als wenn man die Fakten aus der Wissenschaft kennt, und das muss man kommunizieren. Die Wissenschaft hat auch schon lange vor Öl- und Gasimporten gewarnt. Da ist nichts passiert, mit den fatalen Folgen, die wir jetzt erleben. Erst wenn die Menschen verstanden haben, wo das Problem ist, werden sie auch die Lösung akzeptieren. Im Wahlkampf haben sich alle Parteien hingestellt und etwas von dem 1,5 Grad Pfad erzählt, wofür wir dann ja eigentlich bis zum Jahr 2035 klimaneutral sein müssten. Doch man lullt die Leute auch ein und sagt, lehnt Euch mal zurück, wir machen ja Klimaschutz. Und dann glauben die Leute ok, das was jetzt in Berlin getan wird reicht aus, viel verändert sich gar nicht dafür, es klappt ja auch so. Und diese Botschaft ist fatal, und das wird von allen Parteien nicht wirklich gut gemacht.

Sollten also auch die Medien noch drastischer die Folgen des Klimawandels verdeutlichen und gleichzeitig den Menschen positive Perspektiven aufzeigen, dass eine Veränderung möglich ist? So habe ich auch Ihr Buch verstanden.

Genau, wir müssen einfach mal schauen. Wir haben die letzten zwei Jahre sehr viel über Corona gehört. Die Summe der Talkshows zu Corona haben gefühlt das, was wir die letzten 20 Jahre über Klimaschutz gehört haben, deutlich überschritten. Und die Dramatik der Folgen der Klimakrise wird ja eine ganz andere sein als die der Coronakrise und auch als die des Ukrainekriegs. Und das spiegelt sich in der Berichterstattung gar nicht wider. Immer wenn Fridays for Future eine Demo macht, diskutiert man mal ein bisschen. Wenn die Energiepreise hoch sind, dann diskutiert man darüber. Selbst das Extremhochwasser des vergangenen Sommers im Ahrtal hat man kaum mit der Klimakrise in Verbindung gebracht. Da ist die Aufgabe der Medien schon klar, dass man deutlich stärker aufklärt. Natürlich ist dies auch eine Aufgabe der Wissenschaft, wir versuchen das ja auch zunehmend, da hat es sicherlich infolge von Fridays for Future einen deutlichen Ruck gegeben, auch in der Zivilgesellschaft. Und was mich freut ist, dass nun auch bei vielen Unternehmen ein Umdenken einsetzt. Das heißt man hat verstanden, dass man sein Unternehmen umstrukturieren und es klimaneutral gestalten muss. Der Weg dorthin ist vielleicht nicht für alle ganz klar. Also früher wurde man ja meistens irgendwie belächelt, das ist ja nun die grüne Spinnerei und Klimaschutz ist irgendwie Nice to Have, aber ist halt doch nur ein Thema unter 25 anderen. Aber das hat sich schon verändert. Viele Unternehmen haben mittlerweile verstanden, dass es beim Klimaschutz und Erneuerbaren Energien auch um die strategischen Unternehmensziele und ihre Wettbewerbsfähigkeit geht. In einigen Bereichen ist die Wirtschaft mittlerweile sogar weiter als die Politik.

Oder sogar weiter wie Teile des „Volkes“?

Ja, Teile der Wirtschaft schon, aber man kann hier nicht pauschalisieren. Es gibt immer noch viele Unternehmenslenker, die einfach ihren alten Stiefel fahren. Man verdient ja teilweise gut, dann nimmt man das halt mit. Aber gerade Unternehmen, die sich längerfristig aufstellen, die sehen, dass sich in den nächsten 10 Jahren radikal etwas verändern wird. Auch wenn man sich die Kommunikation anschaut, dass beispielsweise der immer noch größte Kohlekonzern RWE jetzt sagt, dass sie innerhalb einer Generation klimaneutral sein wollen, das hat sich ja vor zehn Jahren noch anders angehört. Damals haben die RWE-Lenker gesagt, Klimaneutralität in Deutschland ist gar nicht möglich. Die Kommunikation hat sich jedenfalls verändert, die Maßnahmen, die man eigentlich bräuchte, allerdings noch nicht in dem Maße.

Bietet eine solche veränderte Unternehmenskommunikation auch die Chance, die Menschen stärker für Klimaschutz mitzunehmen und über eine veränderte Werbung auch klimafreundliches Verhalten zu fördern?

Ja und nein. Wir haben immer noch Greenwashing, das heißt viele geben sich ein grünes Mäntelchen. Wenn ich mir vor der 20 Uhr Tagesschau die Werbespots der Firmen anschaue, dann sind durch die Bank alle klimafreundlich und klimaneutral und wollen das Beste für die  Zukunft. Aber manche pflanzen halt ein paar Bäumchen und verkaufen das dann als großen Klimaschutz. Aber es ist zumindest mal ein Thema, das heißt auch als Unternehmen glaubt man, sich hier positionieren zu müssen, weil dies von der Kundenseite auch nachgefragt wird. Und das ist schon mal sehr spannend. Dann ist es wiederum Aufgabe der Kundinnen und Kunden, den Unternehmen auf die Finger zu schauen, ist das echt oder Greenwashing. Und die Politik muss natürlich die richtigen Rahmenbedingungen setzen, beispielsweise im Ernährungsbereich. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben ja gar keine Chance zu sehen, welches Gemüse wie weit transportiert wird oder wie hoch der ökologische Fußabdruck ist. Da bräuchte man beispielsweise eine CO2-Ampel auf den Produkten, so dass man bewusst eine Kauf-Entscheidung treffen kann.

Sie fordern in Ihrem Buch auch ganz grundsätzliche Veränderungen unseres Lebensstils, sei es ein weitgehender Verzicht auf Flugreisen oder halb so viele Autos in Deutschland. Steht dies direkt im Widerspruch zum Wirtschaftswachstum?

Das ist eine sehr spannende Frage. Wir fokussieren uns immer auf das Wirtschaftswachstum. Die Frage ist, ob das überhaupt die richtige Messgröße ist. Also, wenn das Wirtschaftswachstum unter zwei Prozent ist, dann kriegen alle einen Schluckauf in Deutschland. In Bhutan gibt es einen Glücksminister, der einfach sagt, wir versuchen die Zufriedenheit der Menschen zu messen. Mehr wirtschaftlicher Wohlstand heißt nicht automatisch mehr Zufriedenheit. Wenn beispielsweise die Arbeitsbelastung stark zunimmt, dann hilft mir auch der ganze Megakonsum nichts. Klar, man braucht eine gewisse wirtschaftliche Sicherheit, das ist für die Zufriedenheit gut und wichtig, aber ob ich nun 70.000, 80.000 oder 90.000 Euro Jahresgehalt habe, das spielt eigentlich für die Zufriedenheit der Menschen gar keine so große Rolle, aber das höhere Gehalt wird halt meistens in Konsum umgesetzt. Deshalb muss man schon überlegen, ob die Wirtschaft allein die richtige Messgröße ist, oder ob es nicht um die Zufriedenheit der Menschen geht. Punkto weniger Autos und weniger Fliegen. Wenn ich in meine jüngste Kindheit zurückschaue, da hatten wir einen Zustand mit weniger Autos und wir sind auch nicht in Urlaub geflogen. Aber die Zufriedenheit, die ich damals empfunden habe, war auch nicht deutlich kleiner als heute. Und die schönsten Urlaube verbringt man vielleicht mit der Familie 200 Kilometer entfernt von zu Hause, wo man gemeinsam mit dem Fahrrad hingefahren ist. Ziel ist es ja nicht, im Urlaub irgendwo hinzufliegen, sondern sich zu entspannen, mit netten Leuten zusammen zu sein und eine schöne Umgebung zu haben.

Das Interview führte Hans-Christoph Neidlein.

Zusammen mit seiner Frau Cornelia veröffentlichte Volker Quaschning vor kurzem das Buch Energierevolution – Jetzt!


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