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Nachgefragt
01. April 2022

„Wir eröffnen auch Experimentierräume“

Anfang Februar nahm das neue Karlsruher Transformationszentrum für Nachhaltigkeit und Kulturwandel (KAT) seine Arbeit auf. Zielsetzung ist, Wissenschaft und Gesellschaft zu verknüpfen und praktische Maßnahmen für einen nachhaltigen Klimaschutz auf den Weg zu bringen.

Oliver Parodi, promovierter Philosoph, Kulturwissenschaftler und Diplom-Ingenieur, leitet das KAT.

Oliver Parodi, promovierter Philosoph, Kulturwissenschaftler und Diplom-Ingenieur, leitet das KAT.
Bildquelle: KAT

Herr Parodi, das KAT ist am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) angesiedelt, das auf 25 Jahre Erfahrung im Bereich der Nachhaltigkeitsforschung zurückblickt. Welche neuen Impulse setzt das KAT, um eine zukunftsfähigere Lebensweise und nachhaltiges Wirtschaften praktisch voranzubringen?

Das KAT verknüpft Wissenschaft und Gesellschaft. Es erarbeitet und vermittelt partizipativ Wissen und Expertise für eine nachhaltige Entwicklung. Hierzu betreiben wir ganz unterschiedliche Forschungs- und Transformationsprojekte. Ein wesentlicher methodischer Entwicklungsschritt ist bereits vor zehn Jahren erfolgt mit der Gründung unseres Reallabors „Quartier Zukunft – Labor Stadt“ in der Karlsruher Oststadt. Dort erproben und erforschen wir, wie eine nachhaltige Entwicklung in einem Stadtquartier entstehen und gelebt werden kann. Das war ein großer Schritt von der Theorie in die Praxis. Mit der Gründung des KAT Anfang des Jahres haben wir die Reallabor-Idee nun verstetigt und weiterentwickelt. Wir haben nun die Chance, Transformationsprozesse zu mehr Nachhaltigkeit noch intensiver und langfristig zu begleiten. Des Weiteren haben wir unser Handlungsspektrum – ergänzend zur transformativen Forschung – nochmals ausgeweitet und vor allem Bildungs- und Beratungsangebote geschaffen, beispielsweise für Kommunen, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Organisationen. Und wir eröffnen auch Experimentierräume und begleiten Transformationsprozesse.

Können Sie praktische Beispiele für die Beratung von Kommunen nennen?

In Freiburg und Braunschweig beispielsweise haben wir kommunale Transformations- und Stadtentwicklungsprojekte beraten. Häufig geht es nicht ausschließlich um Beratung, sondern auch um Kooperation und Begleitung. So begleiten wir mit unserem aktuellen Projekt „Karlsruher Reallabor Nachhaltiger Klimaschutz“ die städtischen Klimaschutzmaßnahmen von Karlsruhe, versuchen sie zu stärken, langfristig in die Gesellschaft einzubringen und bewerten sie auf Nachhaltigkeit im Ganzen. Das heißt, wir betrachten neben der CO2-Vermeidung weitere soziale, ökonomische und ökologische Aspekte.

Wie sieht Ihre Arbeit hier konkret aus?

Das KAT setzt auf verschiedenen Ebenen an. Wir organisieren beispielsweise Bürgerforen oder ressortübergreifende Workshops für die Stadtverwaltung oder beforschen ganz klassisch Partizipationsprozesse. Letztes Jahr haben wir einen Klimapakt aller Karlsruher Hochschulen und der Stadt Karlsruhe initiiert, entwickeln für diesen ein gemeinsames Monitoring, konzipieren und erproben gerade ein Nachhaltigkeitsbewertungstool für konkrete Klimaschutzmaßnahmen, das wir der Stadt zur Verfügung stellen. Ich gebe noch ein ganz anderes Beispiel, wir sperren auch mal temporär einen Straßenabschnitt, um zu zeigen, dass öffentlicher Raum auch anders genutzt werden kann.

Das KAT ist also in einer Mehrfachrolle, neben der Forschung, Moderator und Prozessbegleiter?

Ja, wir können Wissen vermitteln, Impulse setzen, Prozesse gestalten als auch neue Ansätze erforschen. Hierbei binden wir gegebenenfalls auch das breite Know-how des KIT mit ein. Sehr wichtig ist uns dabei immer eine integrative, ganzheitliche Sichtweise von Nachhaltigkeit.

Und Sie arbeiten hierbei eng mit den verschiedensten Gruppierungen zusammen, von der Kommune über Initiativen, Verbände bis hin zu Unternehmen und Hochschulen?

Ja, Nachhaltigkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und muss gemeinsam angegangen werden. Deshalb verfolgen wir den Ansatz einer inter- und transdisziplinären Zusammenarbeit. Ferner ist uns wichtig, unterschiedliche Akteure zusammenzubringen. So sind beispielsweise in Gemeinschaften und Ökodörfern sehr viele Nachhaltigkeitsinnovationen am Start, im Sozialen, im Baulichen und im Technischen. Und das dann in die Kommunen zu spielen, Richtung Bürgerinnen und Bürgern im Quartier, kann sehr fruchtbar sein. Solche Brücken zu bauen, setzt praktische Impulse für Nachhaltigkeit frei.

Stichwort gesellschaftliche Diversität und Nachhaltigkeit: Wie wichtig ist denn die Einbindung von Menschen mit Migrationshintergrund?

Ja, das ist tatsächlich ein wichtiger Aspekt, auch für unsere tägliche Arbeit. So holen wir beispielsweise ein breites Publikum durch Veranstaltungen ab, die nicht so sehr auf Sprache abzielen, da Sprache häufig eine Hürde darstellt. Was gut ankommt, sind beispielsweise Möbelbauworkshops oder Reparatur-Cafés, dadurch können wir viele Menschen direkt integrieren und für Nachhaltigkeitsthemen sensibilisieren. Und durch die Verbindung von praktischem Tun und sozialer Integration tragen wir direkt zur Nachhaltigkeit bei. Oder wir gehen direkt in die Communities – dann eben mit der entsprechenden Sprache. Ganz allgemein möchten wir die Nachhaltigkeitstransformation in möglichst viele Ecken unserer Gesellschaft tragen.

Das Gespräch führte Hans-Christoph Neidlein.


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