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Urbane VerkehrswendeElektrobusse nehmen weiter Fahrt auf

Die Stadtwerke Osnabrück setzen auf E-Busse des holländischen Hersteller VDL. Bis 2030 sollen sämtliche Busse in der niedersächsischen Kommune emissionsfrei unterwegs sein. (Foto: H.C. Neidlein)
Die Stadtwerke Osnabrück setzen auf E-Busse des holländischen Hersteller VDL. Bis 2030 sollen sämtliche Busse in der niedersächsischen Kommune emissionsfrei unterwegs sein. (Foto: H.C. Neidlein)

Der Elektrobus-Markt kommt ins Rollen. Die Reichweiten steigen, es gibt mehr Fahrzeuge und der Bund stockt die finanzielle Förderung auf. Über die Clean Vehicles Directive zieht die EU ab Sommer 2021 die Daumenschrauben an und zahlreiche Kommunen setzen auf einen emissionsfreien Busverkehr.

08.04.2020 – Die Palette der verfügbaren batteriebetriebenen E-Busse wächst dynamisch und kletterte mittlerweile auf rund 100 verschiedene Fahrzeuge, wie Martin Schmitz, Geschäftsführer Technik beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) berichtet. Bis vor kurzem bestückten vor allem kleinere ausländische Anbieter wie Solaris (Polen), VDL und Ebusco (beide Niederlande) oder Sileo (deutsch-türkisch) den noch jungen Markt hierzulande. BYD, Weltmarktführer bei E-Bussen, konzentriert sich bisher stark auf das boomende Geschäft in seinem Heimatmarkt und Asien sowie andere europäische Länder.

Deutsche Platzhirsche mischen mittlerweile mit

Doch mittlerweile mischen auch die beiden großen deutschen Platzhirsche Daimler und MAN im E-Busmarkt mit. Im Dezember 2018 startete die Serienproduktion des Mercedes-Benz E-Citaro im Mannheimer Werk. Im Jahr 2019 wurden laut Vertriebsleiter Carsten Reineck rund 150 Fahrzeuge ausgeliefert, für dieses Jahr rechnet er mit einem Absatz von 500 bis 700.  Mangelnde Lieferfähigkeit ist für ihn kein Thema. „Wir können die Nachfrage voll erfüllen“, sagt Reineck. Die jährliche Produktionskapazität in Mannheim liegt laut seinen Angaben bei circa 1.800 E-Bussen. „Die Lieferzeiten des E-Citaro unterscheiden sich mit sechs bis acht Monaten nicht von der von Dieselbussen“, so Reineck. Maßgeblich hierfür sei, dass die E-Busvariante auf derselben Linie wie die konventionellen Citaros gefertigt werde. „Wir haben keine getrennten Produktionsprozesse“, sagt er.

Noch nicht ganz so weit ist die VW-Tochter MAN Truck & Bus mit ihrem Lion City 12E. Erste Auslieferungen und Pilottests liefen jüngst an, so in Hamburg. Weitere Testläufe sind unter anderem in Wolfsburg und München geplant. Die Serienproduktion des E-Busses mit dachintegrierten Batterien soll laut Verkaufsleiter Frank Krämer im September dieses Jahres starten. Verwendet werden Pkw-Batterien aus dem VW-Konzernbaukasten „Wir sehen hierin einen interessanten Ansatz für die weitere Hochskalierung “, sagt Schmitz.

In Bälde Reichweiten von mehr als 300 Kilometern

 „Die Entwicklung bei Reichweite und Leistung von batteriebetriebenen E-Bussen geht in die richtige Richtung“, unterstreicht Schmitz. So liegen derzeit die Reichweiten der E-Busse bei 150 bis 250 Kilometer. Nötig ist allerdings laut Einschätzung von VDV-Präsident Ingo Wortmann eine Reichweite von 250 Kilometer plus. So erwarten 63 Prozent der befragten Verkehrsunternehmen laut einer aktuellen VDV-Umfrage für einen stabilen Linienverkehr eine Reichweite der E-Busse von bis zu 300 Kilometer. Doch dies könnte schon bald soweit sein. Rechnet doch der VDV für das kommende Jahr mit einem weiteren Sprung in der Batterietechnik sowie effizienteren Heiz- und Klimatisierungssystemen, was ermöglichen könnte, dass die E-Busse in vielen Fällen über 300 Kilometer am Stück abfahren.

Fördermittel werden weiter aufgestockt

Aktuell sind laut VDV-Angaben mehr als 400 batteriebetriebene Elektrobusse in Deutschland im Einsatz. Ihre Zahl wird nach Schätzungen bis Ende des Jahres auf über 1000 steigen. Gefördert werden derzeit rund 750 E-Busse. Das Bundesumweltministerium (BMU) und das Bundesverkehrsministerium (BMVI) kündigten jüngst eine weitere Aufstockung an. So plant das BMU bis Ende 2023 weitere 300 Millionen Euro Fördermittel für E-Busse bereitzustellen, bei einer Förderquote von 80 Prozent, so BMU-Abteilungsleiterin Gertrud Sahler. Die Notifizierung durch die EU sei jüngst erteilt worden. Unterstützt werden allerdings keine neuen Vorhaben, sondern bereits eingereichte Projekte. Künftig soll die Förderung beim BMVi gebündelt werden, welches die Förderung für emissionsfreie Busse ebenfalls um mehrere hundert Millionen Euro erhöhen will.

Gesamtkosten dreimal so hoch

Schmitz verweist darauf, dass die Gesamtinvestitionskosten für E-Busse dreimal so hoch seien wie für Euro-6-Dieselbusse, wenn man die Ladeinfrastruktur und den Mehrbedarf an Fahrzeugen aufgrund der kürzeren Linienreichweiten mit einbeziehe. Bezogen auf eine mittlere Flottengröße von 115 Bussen pro kommunalem Verkehrsunternehmen kalkuliert der VDV die Kosten für die Umstellung auf Euro-6-Busverkehr auf 35 Millionen Euro und auf eine E-Busflotte mit stationärem Laden im Busdepot auf 125 Millionen Euro. Die Beschaffungskosten eines Euro-6-Busses liegen nach VDV-Angaben zwischen 240.000 und 330.00 Euro, eines E-Busses zwischen 480.000 und 700.000 Euro.

Spagat mit bezahlbaren Ticketpreisen – verschärfte EU-Vorgaben

Deshalb sieht Schmitz verstärkt die Länder finanziell in der Pflicht, vor allem nach Auslaufen der Bundesförderung. So entlaste das neue Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz die Länder mit zusätzlichen Milliarden beim erforderlichen Ausbau der Schiene. Freiwerdende Mittel sollten künftig auch für die Förderung von emissionsfreien Bussen verwendet werden – und zwar auch über erhöhte Betriebskostenzuschüsse.

Denn es gelte ja zwei Herausforderungen zu meistern, nämlich auf möglichst emissionsfreie Antriebe umzustellen und durch ein noch attraktiveres Angebot mehr Menschen in die Busse und auf die Schiene zu bringen. Dazu gehörten auch bezahlbare Ticketpreise. Jedenfalls sieht Schmitz die Unternehmen unter erheblichem Handlungsdruck, nicht nur durch die Klimabeschlüsse der Bundesregierung, sondern auch durch die Vorgaben der verschärften EU Clean Vehicles Directive. Entsprechend müssen in Deutschland in dem Zeitraum von August 2021 bis 2025 45 Prozent der öffentlich beschafften Busse „sauber“ sein, davon die Hälfte emissionsfrei, bis 2030 66 Prozent „sauber“ und 50 Prozent davon emissionsfrei.

Dazu kommen Beschlüsse zahlreicher Kommunen für einen vollständig emissionsfreien Busverkehr bis zum Jahr 2030, beispielsweise in Hamburg, Berlin, München, Köln, Osnabrück oder Freiburg. Hans-Christoph Neidlein


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