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Schärfere KlimaschutzvorgabenEU-Länder einigen sich auf strengere CO2-Grenzwerte für Autos

Neuwagen auf einem Parkplatz
Neuwagen soweit das Auge reicht. Zukünftig müssen diese in der EU strengere CO2-Grenzwerte einhalten. (Foto: Filip Filkovic Philatz on Unsplash)

Nach zähen Verhandlungen haben sich die EU-Umweltminister darauf geeinigt, bis 2030 den CO2-Ausstoß von Neuwagen um 35 Prozent zu senken. Während die Autoindustrie über zu hohe Grenzwerte klagt, sind Umweltverbände von dem Kompromiss enttäuscht.

11.10.2018 – Nun muss sich die europäische Autoindustrie doch noch auf strengere Klimaschutzvorgaben einstellen als sie es erhofft hatte. Die Umweltminister der EU-Staaten beschlossen am späten Dienstagabend in Luxemburg, dass der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß von Neuwagen zwischen 2020 und 2030 um 35 Prozent gesenkt werden soll. Die Bundesregierung hatte eigentlich eine Minderung von nur 30 Prozent gefordert, trug die Vorgabe aber trotzdem mit.

„Ich werde die in der Bundesregierung abgestimmte 30 Prozent-Reduktion für CO2 bei Autos vertreten, leider nicht mehr. Das wird mir sehr schwerfallen“, verkündete Bundesumweltministerin Svenja Schulze noch vor dem EU-Umweltrat. Sie hatte sich im Vorfeld in der Koalition nicht damit durchgesetzt, strengere Vorgaben zu fordern und musste daher die im Bundeskabinett abgestimmte Haltung vertreten. Umso zufriedener war sie nach den „langen und schwierigen Verhandlungen“, nun doch noch ein schärferes Reduktionsziel verkünden zu können.

Angesichts der Ausgangslage war dieses Ergebnis nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Schließlich hatte neben der Bundesrepublik Deutschland auch die EU-Kommission vorgeschlagen, dass der CO2-Ausstoß von Neuwagen bis 2030 im Schnitt um 30 Prozent reduziert werden soll. Einige östliche EU-Länder vertraten den gleichen Ansatz, die deutsche Autoindustrie hatte ebenfalls zugestimmt – wenn auch zähneknirschend.

Einigung geht vielen Ländern nicht weit genug

Jedoch standen sie anderen Staaten gegenüber, die gerne eine deutlich höhere Senkung umsetzen wollten. Vor allem Irland, Schweden, Luxemburg oder die Niederlande verlangten einen größeren Ehrgeiz beim Klimaschutz und zeigten sich auch von der nun beschlossenen 35 prozentigen Reduzierung noch sehr enttäuscht. Ihrer Meinung nach hätten europäische Neuwagen ab 2030 mindestens 40 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen müssen.

Schließlich war es aber der österreichische Umweltminister, der einen Kompromissvorschlag von 35 Prozent einbrachte. Das Land, das derzeit auch den EU-Vorsitz führt, musste dafür jedoch einige Sonderklauseln etwa für Nischenhersteller in Kauf nehmen. Als Zwischenziel soll dann aber bereits bis 2025 eine Reduzierung von 15 Prozent gegenüber dem Jahr 2020 erreicht werden. Für die schärferen Klimaschutzvorgaben sprachen sich 20 der insgesamt 28 EU-Staaten aus. Jeweils vier Länder stimmten dagegen oder enthielten sich.

Mehr Elektroautos für die Erreichung der EU-Klimaziele

Die Einigung soll nun dazu beitragen, die Klimaziele der Europäischen Union zu erreichen. Derzeit liegen diese nämlich noch in weiter Ferne. Entscheidend sind hierbei auch die Emissionen im Straßenverkehr. 2020 dürfen Neuwagen in der EU im Durchschnitt nicht mehr als 95 Gramm CO2 ausstoßen. Um die bis 2030 geforderte Reduzierung erreichen zu können, sind die Autohersteller nun darauf angewiesen, neben herkömmlichen Verbrennern auch deutlich mehr Pkw zu verkaufen, die überhaupt gar keine Emissionen verursachen – also reine Elektroautos.

Schwächung des Industriestandorts, Gefährdung von Arbeitsplätzen

Dem Verband der Automobilindustrie (VDA) geht das viel zu weit. Die „überzogenen CO2-Ziele“ würden den Industriestandort Europa schwächen und Arbeitsplätze gefährden. Das teilte der Präsident des VDA Bernhard Mattes auf Anfrage mit. „Mit dem gestrigen Votum wurde die Chance vertan, die CO2-Regulierung für die Zeit nach 2021 wirtschaftlich und technisch realistisch zu gestalten“, so Mattes. Klimaschutz und Beschäftigungssicherung seien nicht in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht worden.

„In keinem Teil der Welt sind vergleichbare Ziele in Sicht“, beklagt der VDA-Präsident. So werde die europäische Automobilindustrie im internationalen Wettbewerb viel zu stark belastet, was nicht nur Arbeitsplätze gefährde, sondern auch den gesamten Industriestandort schwäche.

Dieser Umbau hin zu einer umweltfreundlicheren europäischen Autoindustrie kann aber auch ganz anders ausgelegt werden. Gerade weil die Branche in direkter Konkurrenz zu Ländern wie China steht, muss sie nun so schnell wie möglich fit für die Zukunft gemacht werden. Ein stärkerer Fokus auf die Produktion von Elektroautos kann auch neue Arbeitsplätze schaffen – und nicht nur bestehende vernichten.

Einigung der EU-Umweltminister geht nicht weit genug

Aus dieser Perspektive betrachtet geht die Einigung des EU-Umweltministerrats noch nicht weit genug. Man sei dabei dem schwachen Vorschlag der EU-Kommission und nicht der ambitionierteren Position des Europaparlaments gefolgt, das eine Minderung um 20 Prozent bis 2025 und um 40 Prozent bis 2030 fordert, beklagt der ökologische Verkehrsclub VCD.

„Die EU-Umweltminister haben dabei versagt, dem alarmierenden Bericht des Weltklimarats Taten folgen zu lassen“, kommentiert Michael Müller-Görnert, Referent für Verkehrspolitik beim VCD, die Einigung. Mit solch harmlosen Klimaschutzvorgaben könne noch nicht einmal das 2-Grad-Ziel erreicht werden. „Es ist offenkundig, dass mit den beschlossenen Minderungsvorgaben sämtliche Klimaschutzziele verfehlt werden, ob auf internationaler, europäischer oder nationaler Ebene“, teilt auch Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), auf Anfrage mit.

Bundesregierung hat jegliche Ambition verhindert

Die Hauptverantwortung für diesen schwachen Beschluss trage aus Sicht des VCD die Bundesregierung. Man habe jegliche Ambition verhindert und so einen ganzen Kontinent beim Klimaschutz im Verkehr ausgebremst. „Die Bundesregierung ist mit einer Position nach Brüssel gereist, die nicht nur weit hinter den ursprünglich angekündigten Plänen der Bundesumweltministerin zurückbleibt, sondern im Schulterschluss mit Polen, der Slowakei, Tschechien und Ungarn die ambitionierteren Ziele von knapp der Hälfte der Mitgliedstaaten ausgebremst hat“, sagt Saar.

„Die Zukunft der Automobilität sind emissionsfreie Antriebe“

Auch in puncto Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Autoindustrie vertreten VCD und DUH eine ganz andere Auffassung als der VDA. „Mit dem Festhalten an Diesel- und Benzinmotoren werden Arbeitsplätze nicht geschützt“, so Müller-Görnert. „Die Zukunft der Automobilität sind emissionsfreie Antriebe und hier ist der globale Wettbewerb bereits stark.“ Deshalb müssten sich Mit dem Festhalten an Diesel- und Benzinmotoren werden Arbeitsplätze nicht geschütztdie europäischen Hersteller nun so schnell wie möglich gut aufstellen, was ohne entsprechende Vorgaben nicht gelingen könne. „Dies wird neue Technologien vorantreiben und verhindern, dass Deutschland als Standort hochwertiger Technologie im Automobilsektor abgehängt wird“, sagt auch Saar.

Nachdem nun immerhin schon einmal unter den EU-Umweltministern eine Einigung erzielt werden konnte, gilt es jetzt eine weitere Hürde zu nehmen. So stehen Verhandlungen mit dem Europaparlament an, die bereits am Mittwoch gestartet wurden. Im Parlament hatten sich die Abgeordneten nämlich bereits in der letzten Woche für eine CO2-Minderung um 40 Prozent ausgesprochen. Die Zukunft der Klimaschutzvorgaben für europäische Neuwagen ist damit noch immer ungewiss. jk


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