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Synthetische KraftstofffeKerosin aus Luft und Sonnenlicht

Parabolspiegel mit Solarzellen auf dem Dach der ETH in Zürich
Selbst unter den klimatischen Verhältnissen in Zürich beweist die Mini-​Raffinerie die Umsetzbarkeit der Technologie. (Foto: ETH Zürich / Alessandro Della Bella)

Treibstoff aus Sonnenlicht und Luft, dazu noch CO2-neutral – das von Wissenschaftlern der ETH Zürich entwickelte Verfahren läuft seit zwei Jahren erfolgreich im Echtbetrieb. Die Technologie muss nun den Weg aus der Forschung in die Industrie finden.

05.11.2021 – Es klingt wie im Märchen, wo Stroh zu Gold gesponnen wird, nur können die Forscher der ETH Zürich tatsächlich konkrete Ergebnisse vorweisen. Die Wissenschaftler haben eine Anlage gebaut, mit der sich CO2-neutrale Treibstoffe herstellen lassen. Neben dem technischen Verfahren machen sie Vorschläge, wie das solare Kerosin den Weg aus der Forschung in die industrielle Produktion finden kann.

Mit der Zürcher Anlage lassen sich synthetische flüssige Treibstoffe herstellen, die bei der Verbrennung nur so viel Kohlendioxid freisetzen, wie zuvor der Luft entnommen wurde. In dem Verfahren werden Kohlendioxid und Wasser direkt aus der Umgebungsluft gewonnen und mit Solarenergie aufgespalten.

Drei thermochemische Umwandlungsprozesse finden statt: die Abscheidung von Kohlendioxid und Wasser aus der Luft, die solare Spaltung und die anschließende Verflüssigung. Das der Umgebungsluft über einen Absorber entnommene CO2 und Wasser wird in den Solarreaktor im Fokus eines Parabolspiegels geleitet. Der Parabolspiegel konzentriert die Solarstrahlung um den Faktor 3000 und erzeugt im Inneren des Mini-Reaktors eine Hitze von 1.500 Grad Celsius. Dort findet eine thermochemische Reaktion in zwei Stufen statt, in deren Ergebnis Syngas entsteht, eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Je nach Verfahren kann das Syngas zu zahlreichen Kohlenwasserstoffen verarbeitet werden: Kerosin, Benzin, Methanol oder zu anderen flüssigen Treibstoffen. Diese sind dann CO2-neutral, weil bei ihrer Verbrennung nur so viel CO2 frei wird, wie zuvor der Luft entnommen wurde.  Hier geht’s zu einer Animation, die das Verfahren erklärt.

 

Proof of Concept ist erbracht

Seit zwei Jahren betreiben Forschende um Aldo Steinfeld, Professor für Erneuerbare Energieträger der ETH Zürich, ihre Mini-Solarraffinerie auf dem Dach des Maschinenlaboratoriums mitten in Zürich. Rund einen Deziliter pro Tag produziert die Anlage im Schnitt. „Wir konnten die technische Machbarkeit der gesamten thermochemischen Prozesskette zur Umwandlung von Sonnenlicht und Umgebungsluft in Drop-in-Treibstoffe erfolgreich nachweisen. Das Gesamtsystem arbeitet unter realen Sonneneinstrahlungsbedingungen stabil und dient uns als einzigartige Plattform für weitere Forschung und Entwicklung“, sagt Steinfeld. Die Technik sei nun reif für den Transfer in die Industrie.

Markthochlauf über Quotensystem

Betrachtet man den gesamten Prozess, würde der Treibstoff bei einer Produktion im industriellen Maßstab 1,20 bis zwei Euro pro Liter kosten. Als Produktionsstandort eigneten sich Wüstenregionen mit hoher Sonneneinstrahlung. „Im Gegensatz zu Biokraftstoffen, deren Potenzial wegen der Knappheit landwirtschaftlicher Flächen begrenzt ist, könnte der weltweite Bedarf an Flugzeugtreibstoff durch die Nutzung von weniger als einem Prozent der weltweiten Trockenflächen gedeckt werden und stände nicht in Konkurrenz zur Nahrungs- oder Futtermittelproduktion“, erläutert Johan Lilliestam, Forschungsgruppenleiter am IASS und Professor für Energiepolitik an der Universität Potsdam.  Wenn die Materialien für den Bau der Produktionsanlagen wie Glas und Stahl mit erneuerbaren Energien hergestellt werden, gingen die Treibhausgasemissionen gegen Null.

Angesichts der hohen Anfangsinvestitionskosten benötigen Solarkraftstoffe allerdings politische Unterstützung beim Markteintritt. Die bestehenden Förderinstrumente der Europäischen Union –reichen nach Meinung von Lilliestam nicht aus, um die Marktnachfrage nach Solartreibstoffen zu fördern. Deshalb schlagen die Forscher ein technologiespezifisches EU-Quotensystem für Flugzeugtreibstoff vor: Die Fluggesellschaften sollten verpflichtet werden, einen Anteil ihres Treibstoffs aus solaren Quellen zu decken.

Für den Anfang, wenn der Preis für das solare Kerosin hoch und die Produktionskapazitäten niedrig sind, empfehlen die Studienautoren eine Quote von 0,1 Prozent. Ein solcher Anteil hätte kaum Auswirkungen auf die Kosten des Fliegens, würde aber den Aufbau von Produktionsanlagen ermöglichen – und somit eine Lernkurve in Gang setzen, die zu verbesserter Technologie und niedrigeren Preisen führen kann. So könnte die Quote nach und nach steigen, bis Solarkerosin den Marktdurchbruch ohne weitere Fördermaßnahmen schafft.

CO2-neutrale Treibstoffe sind für eine nachhaltigere Luft- und Schifffahrt von zentraler Bedeutung. Denn der Luft- und Schiffsverkehr macht derzeit etwa acht Prozent der durch den Menschen verursachten CO2-Emissionen aus. pf


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