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E-MobilitätZuerst die Ladestationen, dann die Elektroautos

Tesla Model X an einer Ladestation
Auch Stromversorger wissen: Ohne Ladestationen keine E-Fahrzeuge. Im Bild eine Station der Lechwerke AG in Augsburg. (Foto: Wilhelm Wilming)

Die Einführung neuer Technologien braucht oft lange Vorlaufzeiten; das war beispielsweise schon bei Photovoltaik- und Windenergieanlagen der Fall. Bei E-Fahrzeugen wiederholt sich dieses Phänomen, was bei potenziellen Käufern oft genug zu Verstimmung und Desinteresse führt.

30.07.2018 – Verbraucher behaupten dann gern, die Automobilhersteller verzögerten den Markteintritt aus kommerziellen Gründen. Umgekehrt konnten die Hersteller unwidersprochen argumentieren, es fehle eine flächendeckende Ladeinfrastruktur; und ohne Ladesäulen sei der Kauf eines Elektroautos nun mal widersinnig. Damit ähnelt dieses Hin und Her dem bekannten „Henne-Ei-Problem“. Während es aber auf die Frage, wer zuerst auf der Welt war, die Henne oder das Ei, keine eindeutige Antwort geben kann, zeichnet sich im E-Mobility-Sektor jetzt eine Festlegung ab: Zuerst kommen die Ladestationen, dann die Autos.

Das Problem mit dem Laden

Doch damit tauchen Fragen zur Technik auf: Warum dauert das Laden so lange und warum ist die Reichweite so gering? Zum Ladevorgang hier eine kurze Erläuterung, die auch der technisch weniger versierte Laie verstehen dürfte: Um die Batterie eines Kleinwagens mit einer Kapazität von vielleicht 22 Kilowattstunden (kWh) mit Energie zu füllen, benötigten wir eine elektrische Leistung von 22 Kilowatt (kW) und eine Ladezeit von 1 Stunde (h). Die Reichweite bei diesem Kleinwagen läge bei etwa 150 Kilometern (km). Bei einer wünschenswerten Füllzeit von maximal 3 Minuten (1/20 Std.), wie wir sie für das Volltanken von Benzin- oder Dieselfahrzeugen kennen, müsste die elektrische Leistung schon auf den 20-fachen Wert, also auf 440 kW steigen.

Wollten wir dann noch die Reichweite von 150 km vervierfachen, um auf die bei heutigen PKWs durchaus möglichen 600 km zu kommen, müsste die benötigte Leistung ebenfalls um das Vierfache steigen, also auf 1,76 MW, was der Leistung einer Windenergieanlage mittlerer Größe entspräche. Für Ladesäulen eine völlig unrealistische Lösung.

Die Batterie beschränkt

Wir müssen uns vor Augen führen, dass die Reichweite eines Elektrofahrzeugs weder von der Leistung des Ladepunktes noch von der Ladezeit abhängt, sondern in erster Linie vom Fassungsvermögen der Batterie (die Faktoren Streckenverlauf (Berg- und Talfahrt), Verkehr (Stop and Go), Zuladung, Fahrstil und andere wollen wir hier nicht weiter beleuchten). Gerade deshalb arbeiten weltweit Forscher und Entwickler mit Hochdruck an Batterien höherer Kapazität bei geringerem Platzbedarf und Gewicht.

Tesla legt vor

Eine schwierige Aufgabe, die nach Meinung von Experten noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Damit bleibt zunächst nichts anderes übrig, als sich mit den physikalisch bedingten Beschränkungen zu arrangieren, wie es mittlerweile viele Akteure aus dem Bereich der E-Mobilität vorexerzieren. Zu den bekanntesten zählt das amerikanische Unternehmen Tesla Inc. Es produziert nicht nur Elektroautos, sondern betreibt auch ein eigenes Netzwerk aus 145-kW-„Superchargern“, mit denen sich die 100-kWh-Batterie eines Tesla-Modells in weniger als 50 Minuten aufladen lässt. Leider profitiert davon bislang nur die eigene Kundschaft, da die verwendete Technik nicht mit der der Konkurrenz kompatibel ist.

Auch deutsche Autokonzerne wollen schnellladen

Wenn es nach den neuesten Plänen von fünf namhaften deutschen Automobilherstellern geht, könnte diese nicht sehr überzeugende Insellösung bald ergänzt oder gar abgelöst werden: Die Ionity GmbH, ein Joint Venture der BMW Group, Daimler AG, Ford Motor Company sowie des Volkswagen-Konzerns mit Audi und Porsche, will bis zum Jahre 2020 entlang der europäischen Autobahnen 400 Schnellladestationen mit einer Leistung von jeweils 350 kW installieren. Der Abstand zwischen den Standorten soll etwa 120 km betragen. Für die Bedienung genüge eine einmalige Registrierung, erläutert CEO Michael Hajesch. Jeder Standort habe üblicherweise bis zu sechs Ladepunkte.

Der Strom für die Ladestationen in Deutschland komme vom Münchener Ökostromanbieter Polarstern. Hajesch weiter: „Ionity hat sich dem ‚usecase‘ Langstrecke in Europa gewidmet. Wir ermöglichen es mit unseren Ladesäulen, die Vorteile der Elektromobilität auf die Langstrecke zu übertragen. Die neue Generation der E-Mobile ist mit unseren Ladesäulen innerhalb von 15 Minuten startklar für die nächsten 300 Kilometer.“ Ionity wurde im Jahr 2017 gegründet, im April 2018 sind in Deutschland die ersten Stationen in Betrieb gegangen. Es folgten in kurzen Abständen Standorte in der Schweiz, in Dänemark und in Frankreich.

Selbstverständlich dürfen neben den beispielhaft genannten Initiativen von Tesla und Ionity nicht die zahlreichen Aktivitäten von weniger prominenten Unternehmen wie beispielsweise Parkhaus- und Parkplatzbetreibern, Lebensmittelläden, Kinos, kommunalen Behörden und anderen großen Arbeitgebern vergessen werden. Sie investieren in Wallboxen und Ladestationen, die sie dann ihrer Belegschaft und ihren Kunden zur Nutzung anbieten.

Stadt der intelligenten Mobilität

So hat beispielsweise die Stadt Leipzig gemeinsam mit vielen lokalen Akteuren einen Maßnahmenplan mit dem Namen „Leipzig – Stadt der intelligenten Mobilität“ erarbeitet. Grundlage dieses Projekts sei das Elektromobilitätsgesetz, heißt es dazu aus dem Rathaus. Dieses Gesetz erlaubt Kommunen, Elektrofahrzeuge beim Parken zu bevorzugen. In diesem Rahmen errichtete man 26 Ladestationen mit einer Leistung von 22 kW, zwei weitere mit einer geringeren Leistung.

Als Anreiz bietet die Stadt den Autofahrern die Möglichkeit, ihr Elektrofahrzeug während des Ladevorgangs für vier Stunden kostenlos zu parken. Die für das Projekt ausgewählten Stellplätze haben den Vorteil, dass Autofahrer hier umstandslos auf Verkehrsmittel des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) umsteigen können: ein einfaches aber sicher interessantes E-Mobility- Konzept für Energieeffizienz und Klimaschutz.

Innerhalb eines Jahres fast verdoppelt

Aber nicht nur die bis hierher genannten gewerblichen oder öffentlich-rechtlichen Akteure, sondern auch Privatleute haben vielerorts damit begonnen, sich eine Lademöglichkeit zu schaffen. In vielen Fällen dürfte das eine einfache Schukosteckdose in der Garage sein, oder ein „Wallbox“ genanntes Installationsgehäuse an der Hauswand, bestückt mit einer oder mehreren Steckdosen für höhere Leistungen.
Bei der Bundesnetzagentur sind mittlerweile 5.138 öffentliche Ladesäulen im gesetzlich geforderten Ladesäulenregister eingetragen (Stand: 2.7.2018). Im Vorjahr (14.7.2017) waren es zum selben Zeitpunkt erst 2.925. Das zeigt: Die Ladeinfrastruktur wächst in großen Schritten und bietet damit ein immenses Marktpotenzial, aus dem Ladesäulenhersteller und -betreiber sowie Elektroinstallateure und Informationstechniker gleichermaßen schöpfen können. Wilhelm Wilming


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