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Aktionsplan StromnetzAltmaier nutzt Netzausbaureise zum Dialog mit Bürgern und Bauern

Peter Altmaier an einem Rednerpult mit CDU Emblem
Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie – Peter Altmaier – will den Netzausbau vorantreiben. (Foto: Olaf Kosinsky / Wikimedia.Commons, CC BY-SA 3.0)

Bei einer dreitägigen Inspektionsreise zu den Brennpunkten der Energiewende wirbt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier für seinen „Aktionsplan Stromnetz“. Bestehende Netze sollen schneller ausgebaut und optimiert sowie der Bau neuer Netze mit höherem Tempo als bisher vorangetrieben werden.

27.08.2018 – Dass der Netzausbau für die Energiewende eine wichtige Rolle spiele, hatte Altmaier schon zu Beginn seiner Amtszeit mit Nachdruck kundgetan. Jetzt aber musste er vor Beginn seiner Netzausbaureise in einer Pressekonferenz eingestehen, dass man mit dem Netzausbau derart in Verzug geraten sei, dass der Erfolg der Energiewende in Frage stehe. So seien für die Nord-Süd-Trasse insgesamt 5.900 Kilometer Leitungen vorgesehen, gebaut seien davon 150 Kilometer.

Der Schuh drückt aber auch noch an anderer Stelle, und zwar gewaltig, wie folgende Zahlen zeigen: Das bestehende Netz ist so sehr überlastet, dass die Übertragungsnetzbetreiber immer wieder teure Eingriffe – Redispatch-Maßnahmen (kostenpflichtige Änderungen von Kraftwerksfahrplänen: 423 Mio. Euro) und Einspeisemanagement-Maßnahmen (zum Beispiel Abregelung von Erneuerbare-Energien-Anlagen: 423 Mio. Euro) – vornehmen müssen. Hinzu kommen Aufwendungen für die Vorhaltung und den Einsatz von Reservekraftwerken (415 Mio. Euro). Die Kosten für diese Eingriffe in das Stromnetz summieren sich auf einen Betrag von 1,4 Milliarden Euro, aufzubringen von den Stromkunden. Kein Wunder, dass Altmaier aufs Tempo drücken und bestehende Hindernisse so schnell wie möglich identifizieren und überwinden will.

Bauern und andere Betroffene fordern mehr Geld

Schon an der Umspannstation Sechtem bei Bornheim südlich von Köln, dem  erstem Reiseziel, bekamen Altmaier sowie die ihn begleitenden Vertreter von Stromversorgern und Journalisten von Demonstranten zu hören und zu sehen, welcher Art die Hindernisse sind: Die Bauern wollen für ihre Weide- und Ackerflächen, die sie dem Stromversorger überlassen sollen, wiederkehrende Zahlungen als Ausgleich für entgangenen Erntegewinn oder Kompensationsleistungen in Form von landwirtschaftlichen Flächen.

Dabei sind nicht alle Bauern grundsätzlich gegen die Energiewende, sondern wollen einen schnellen Ausbau und eine faire Behandlung, wie eines der zahlreichen Plakate verriet. Die Diskussionen in Sechtem gingen nicht nur um Flächen, sondern auch um die geplante Technik, genauer, um das Ultranet, bei dem ein Hochspannungs-Drehstromsystem um ein Hochspannungs-Gleichstromsystem ergänzt werden soll.

Diese Hybridlösung hat den Vorteil, dass sie keine zusätzliche Trassenführung erfordert. Dafür müssen allerdings die vorhandenen Masten auf eine Höhe von 90 Metern wachsen. Auch dagegen regt sich Widerstand: Die Kombination von Gleich- und Drehstrom hoher Spannung führe zu Ionisation und damit zu Leukämie, behauptete ein Vertreter aus dem Nachbarort Hürth; für den ansonsten bestens informierten Altmaier eine neue Erfahrung.

Mit vielen Anregungen und Forderungen im Gepäck zog Altmaiers Karawane weiter – und musste an einer Kabelübergabestation im westmünsterländischen Borken ähnlich gelagerte Wünsche und Bedenken entgegennehmen, jetzt vom Westfälischen Landwirtschaftsverband. In Danker/Haren an der Ems, im dortigen Erdkabel-Infozentrum des Übertragungsnetzbetreibers Tennet, hatten die Teilnehmer der Netzausbaureise Gelegenheit, eine im Bau befindliche Erdkabelverlegung zu besichtigen.

Und auch hier bekam Altmaier Bedenken zu hören, jetzt von der emsländischen Bundestagsabgeordneten Connemann. Sie und ihre Mitbürger fragten sich immer häufiger, so die Vizevorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion in Richtung ihres Parteikollegen, ob die Flächen für Kabeltrassen und Windräder überhaupt ausreichten. Der Inhalt der Gespräche änderte sich auch an den Reisestationen Emden und Cloppenburg nicht grundsätzlich. Bleibt noch zu ergänzen, dass sich neben Bauernverbänden auch Bürgerinitiativen an den einzelnen Haltestellen der Reiseroute versammelten, um dem Bundeswirtschaftsminister ihre Anliegen vorzutragen.

Altmaier ruft zu Verantwortung und Kompromissen auf

Bundeswirtschaftsminister Altmaier, das muss man ihm lassen, ging keiner Kontroverse aus dem Weg und bemühte sich gleichzeitig, eine sachliche Grundlage für weitere Diskussionen um die Energiewende und den Folgen des Netzausbau herzustellen. Er schlug sich erkennbar auf die Seite der betroffenen Bauern und Anlieger, zum Beispiel, als er den Veranstalter darum bat, die laufende Veranstaltung trotz vorgerückter Stunde nicht eher zu beenden, als bis alle gestellten Fragen beantwortet seien.

Oder als er um Verständnis für die Landwirte warb; sie dürften als diejenigen, die mit ihren Flächen den Energietransport ermöglichten, nicht leer ausgehen, während die im Umkreis der Windenergie angesiedelte Industrie im Norden und die Energie verbrauchenden Unternehmen im Süden profitierten. Des Weiteren ermahnte er beispielsweise den Vertreter eines Netzbetreibers, der den Landwirten mit Enteignung gedroht hatte, zu mehr Feingefühl im Umgang mit potenziellen Vertragspartnern.

In der Auftaktpressekonferenz vor dem Start der Netzausbaureise hatte Altmaier mit deutlichen Worten festgestellt, dass Deutschland beim Ausbau der Netze katastrophal in Verzug sei. Als Antwort auf diese Herausforderung schlage er in seinem „Aktionsplan Stromnetz“ ein zweigleisiges Verfahren vor:

  • Zum einen müsse man die bestehenden Netze optimieren und höher auslasten. Es gebe noch Kapazitätsreserven, die man heben könne.
  • Zum zweiten müsse man den Ausbau der Netze beschleunigen. Dazu gehöre zuallererst ein vorausschauendes Controlling, bei dem Bund und Länder sowie die Netzbetreiber an einem Tisch säßen und sich  regelmäßig in einem professionellen Verfahren darauf verständigten, wie sie die Ausbauvorhaben konkret voranbringen könnten. Aber auch eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren mithilfe von Verfahrenserleichterungen gehöre dazu.

Alle politischen Akteure müssten für den Netzausbau stärker Verantwortung übernehmen, so Altmaier weiter. Er werde für den 20. September einen „Netzgipfel“ einberufen, zu dem er die zuständigen Politiker aus allen Bundesländern, aber auch Bürgerinitiativen sowie Vertreter der Landwirtschaft und der Netzbetreiber einladen werde. Für den Herbst kündigte der Minister eine Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes an. Es soll Planungen  vereinfachen und Verfahren beschleunigen, zum Beispiel über einfachere Anzeigeverfahren für kleine Netzverstärkungsmaßnahmen oder einen Verzicht auf die Bundesfachplanung dort, wo eine vorhandene Trasse genutzt wird.

Zum Schluss die Frage: Hat sich die Netzausbaureise gelohnt? Nicht alle Reiseteilnehmer und nicht alle Akteure der Energiewende werden die Meinung von Jochen Homann teilen. Der Präsident der Bundesnetzagentur begrüßte Altmaiers Initiative und sprach von einem großen Durchbruch. Der Minister müsse aber unbedingt auch jene mit ins Boot holen, die es sich bisher immer etwas leicht gemacht haben. Wilhelm Wilming


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