Spielball der Atomindustrie: Deutschlands Atommüll bleibt Jahrzehnte in Frankreich
Eigentlich sollte der in Frankreich lagernde Atommüll bis 2024 zurück nach Deutschland transportiert werden. Doch die Atomindustrie stellt sich quer – aus wirtschaftlichen Interessen. Und die Bundesregierung lässt sie offenbar gewähren.
10.08.2020 – Im französischen La Hague stehen seit Jahrzehnten zwei Anlagen zur Wiederaufbereitung atomarer Brennstoffe. Auch deutsche AKW-Betreiber haben hier in der Vergangenheit rund 6o Prozent ihres Atommülls abgeladen. Das entspricht laut Greenpeace mehr als 4.500 Tonnen strahlenden Abfällen. In aufwendigen Verfahren werden aus abgebrannten Brennelementen hochgiftiges Plutonium und Uran abgetrennt, wodurch riesige Mengen Atommüll entstehen.
Bis spätestens 2024 sollte der gesamte Atommüll von La Hague wieder nach Deutschland gebracht werden. Darauf hatten sich die Nachbarländer im Rahmen eines Notenwechsels vor zwölf Jahren geeinigt. Doch daraus wird wohl nichts. Die GNS Gesellschaft für Nuklear-Service – eine 100 prozentige Tochter deutscher Atomkonzerne – favorisiert den Rücktransport mit eigenen, sich noch in der Entwicklung befindenden Behältern, anstatt vorhandene zu nutzen. Der Grund? Die Behälter sind zu teuer, sie stammen vom französischen Konkurrenten Orano. Nun beginnt GNS mit der eigenen Herstellung entsprechender Behälter, was wohl noch ein paar Jahrzehnte dauern kann.
Lagerkapazitäten von Atomgelände
Bis mindestens zum Jahr 2040 bleibt Frankreich also auf dem deutschen Atommüll sitzen. Durchaus ein großes Problem, denn: In La Hague hatte man fest damit gerechnet, dass Deutschland seinen Atommüll pünktlich abtransportiert. Jetzt müssen wahrscheinlich die Lagerkapazitäten auf dem Atomgelände erweitert werden, wofür die Bundesregierung jedoch jede Verantwortung von sich weist.
Unter Bezugnahme auf das allgemeine Völkerrecht werde eine finanzielle Entschädigung von deutscher Seite abgelehnt, heißt es in einer Antwort des Bundesumweltministeriums (BMU) auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag, die der energiezukunft vorliegt. Die „Worst case“-Szenarien für die Rückführung des Atommülls nach Deutschland reichen demnach bis in die Mitte der 2040er Jahre.
Weshalb das BMU die wirtschaftlichen Interessen der Atomindustrie mutmaßlich deckt oder zumindest nicht verhindert, bleibt unklar. Schließlich wurde bereits im Jahr 2008 aus La Hague hochradioaktiver Abfall mit dem Behälter „TN85“ des französischen Herstellers TN International, der zur Orano-Unternehmensgruppe gehört, nach Deutschland transportiert. Wieso sollte dieser Behälter also nicht für die Rückführung von mittelradioaktivem Abfall ausreichen?
Zu hohe Sicherheitsstandards für einen Atommülltransport?
Für diesen Fall müsste das Zulassungsverfahren des „TN85“ noch einmal durchlaufen werden – große Hürden sind dabei nicht bekannt. Aus Sicht der GNS dürfte der Behälter jedoch zu teuer sein, da er eher klein ist und höhere Sicherheitsstandards besitzt, als für den mittelradioaktiven Atommüll im französischen La Hague notwendig wäre. Stattdessen lässt man Frankreich lieber für weitere zwanzig Jahre, wenn nicht sogar länger, auf dem strahlenden Abfall sitzen.
Oberste Priorität muss ein sicherer und geordneter Rücktransport des radioaktiven Abfalls haben„Die Bundesregierung darf nicht auf Kosten der guten Beziehungen zu Frankreich die deutschen Atomkonzerne von ihrer Verantwortung befreien“, fordert Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen, gegenüber der energiezukunft. „Oberste Priorität muss ein sicherer und geordneter Rücktransport des radioaktiven Abfalls haben und nicht das wirtschaftliche Interesse der Atomindustrie.“ Es zeuge von mangelnder moralischer Kompetenz, so Kotting-Uhl weiter, den deutschen Atommüll für weitere Jahrzehnte im Ausland schlummern zu lassen. „Gerade weil das Bundesumweltministerium Frankreich für seine Atompolitik häufig zu Recht kritisiert, darf es vor deutschen Verfehlungen nicht die Augen verschließen.“ jk
Kommentare
Felix Ruwe am 10.08.2020
TN-International (Areva) und GNS haben schon einen Behälter entwickelt, der aber für das Brennelemente Zwischenlager Ahaus viel zu schwer war, da der 140to Hallenkran diesen Behälter mit 36 Kokillen nicht tragen konnte! Der Behälter mit der Bezeichnungs TGC36 wog leer 118to und die Kokillen bis zu 950 kg / Stück. Damit wäre der Hallenkran in Ahaus völlig überlastet. Als ich das damals zuständige BFS darauf aufmerksam machte, wurde mir lapidar mitgeteilt, dass die Franzosen nur leichte Kokillen in die Behälter packen. Kurz darauf verschwand der TGC36 von der Bildfläche und die Entwicklung desTGC27 wurde angekündigt!
Ein Trauerspiel der Atommüllentsorger! Auch die Behauptung, dass der Atommüll nur schwach radioaktiv sei ist mehr als irreführend! Der Müll ist zwar nicht mehr wärmeentwikelnd, aber im Bereich zwischen hoch- und mittelradioaktiv angesiedelt. Bei dem Müll handelt es sich um hochdruckkompaktierte Brennelementhülsen und Strukturteile, die in Edekstahlkokillen eingeschweißt sind. Der Müll soll eigentlich nach Ahaus, aber das Lager ist nur bis 2036 genehmigt. Also sollten sich die Absender dieser Rückstände aus der Wiederaufarbeitung darauf einrichten, dass sie auch diesen Müll in ihren Lägern aufnehmen müssen!
Felix Ruwe
Sprecher der BI - Ahaus
WWW.bi-Ahaus.de