Menü öffnen

Letzte GenerationDie FDP im Fokus

Ein Mann sitzt mit einer Christian-Lindner-Maske und Schild auf einer Straße auf einer
Protest am Mittwochmorgen auf der Landsberger Allee in Berlin (Bild: Letzte Generation)

Unter dem Motto „einmal so blockieren wie die FDP“ störten Aktivist:innen der Letzten Generation hinter Christian Lindner-Masken gestern den Verkehr in Berlin und lösten Feueralarm in der FDP-Zentrale aus.

17.11.2022 – Ein 9-Euro-Ticket und Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde auf deutschen Autobahnen sind die Kernforderungen der Aktivist:innen der „Letzten Generation“, die seit Monaten den Verkehr und andere Infrastrukturen in Deutschland mit zivilem Ungehorsam lahm legen. Bei ihren gestrigen Blockaden des Straßenverkehrs an zwei Berliner Kreuzungen richteten sie ihren Protest daher direkt an die FDP und ihren Chef Christian Lindner. An der Landsberger Allee traten die Aktivist:innen in Anzug und Christian Lindner-Masken auf die Straße und hinderten den motorisierten Straßenverkehr am Fortkommen. Zudem lösten weitere Aktivist:innen in der FDP-Zentrale in der Berliner Reinhardtstraße Feueralarm aus.

„Die 1,5-Grad-Grenze ist bereits nicht mehr zu halten. Die FDP muss umgehend ihre Blockadehaltung einfachster Sicherheitsmaßnahmen aufgeben. Sonst geraten wir in eine Spirale aus Klima-Kipppunkten mit tödlichen Folgen für die Bevölkerung“, so die Aktivist:innen auf Twitter, die, laut eigener Aussage, bei Wiedereinführung eines 9-Euro-Tickets und Tempo 100 auf deutschen Autobahnen ihre Protestaktionen einstellen würden.

Christian Lindner war es, der der Fortführung eines 9-Euro-Tickets im August eine Absage erteilte und allgemein eine vermeintliche „Gratismentalität“ anprangerte und speziell das 9-Euro Ticket nicht fair nannte. Menschen auf dem Land, ohne Bahnhof in der Nähe und angewiesen auf das Auto, würden den günstigen Nahverkehr mit subventionieren, so Lindner damals. Dem setzten Befürworter:innen des günstigen Tickets entgegen, dass auch die Subventionen für Diesel, Kerosin und Dienstwagen, von allen subventioniert aber nur von wenigen, meist Wohlhabenden, genutzt werden. Eine Umverteilung von den fossilen Subventionen hin zu einer Unterstützung und Förderung des öffentlichen Verkehrs wird angemahnt.

Immense CO2-Einsparungen

„Aus einem 9-Euro-Ticket wird unter Christian Lindner nur ein 49-Euro-Ticket“, kritisiert die Letzte Generation. Besonders für Geringverdiener, die im Sommer noch von neuen Freiheiten für Reisen profitierten, sei ein 49-Euro-Ticket zu teuer, sagen unter anderem die Verbraucherzentralen. In Berlin wird es immerhin bis Ende März 2023 weiter ein 29-Euro-Ticket für normale Abonnementen und ein 9-Euro-Sozialticket für Geringverdiener geben. Weitere, über den März hinausgehende, Überlegungen gibt es noch nicht.

Wie viele Menschen bundesweit das 49-Euro-Ticket nutzen werden ist noch offen. Das 9-Euro-Ticket hatte während seines dreimonatigen Bestehens im Sommer rund 1,8 Millionen Tonnen CO₂ eingespart, schätzt der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Demnach habe die Aktion rund eine Milliarde Fahrten pro Monat ermöglicht. Jeder zehnte Nutzer des Tickets habe mindestens eine Fahrt mit dem ÖPNV gemacht, die er ohne das Ticket im Auto zurückgelegt hätte. Die CO2-Ersparnis beträgt fast so viel (1,9 Tonnen), wie ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen in einem ganzen Jahr bringen würde.

Ein Tempolimit von 100 auf Autobahnen indes, würde laut Umweltbundesamt jährlich sogar 5,4 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Fast überall in Europa gelten Tempolimits zwischen 100 und 140 Stundenkilometer. Doch die FDP schaffte es, entgegen der ursprünglichen Forderungen von SPD und Grünen, den Satz „ein generelles Tempolimit wird es nicht geben“ in den Koalitionsvertrag zu schreiben. Auch nach dem Angriffskrieges Russland in der Ukraine rückte die FDP trotz drohender Energieknappheit nicht von ihrem Standpunkt ab. Erst letzte Woche erklärte Lindner plötzlich im Podcast Lage der Nation, dass man offen für ein generelles Tempolimit sei, verknüpfte dies aber mit der Forderung nach einer längeren Laufzeit von Kernkraftwerken.

Aktivistin begründet Protest

Aimée van Baalen, eine Sprecherin der Letzten Generation, sagte zu den gestrigen Protestaktionen: „Wir können uns das egoistische Verhalten einiger weniger Reichen und Schönen nicht mehr leisten. Sie fliegen in Privatjets über unsere Köpfe hinweg, verschwenden lebenswichtige Ressourcen wie knapper werdende Wasservorräte mit ihren Pools und Rasensprengern und schicken damit alle nachfolgenden Generationen im Klimakollaps ins Elend. Eine Partei, die auf Kosten der Allgemeinheit Politik für dieses Klientel macht, ist heute nicht mehr tragbar!”

Die Blockadeaktionen der letzten Generation sorgten in den letzten Wochen für hitzige Debatten. Insbesondere, nachdem eine Radfahrerin von einem Betonmischer überrollt wurde und ein Bergungsfahrzeug aufgrund einer Blockade der Aktivist:innen im Stau steckte. Doch die Notärztin erklärte gegenüber der Süddeutschen Zeitung, dass das verspätete Eintreffen des Bergungsfahrzeugs keinen Einfluss auf die Rettungsaktion der Frau gehabt hätte. Das Fahrzeug wurde ohnehin nicht gebraucht. Unterstützer:innen der Protestaktionen machten darauf aufmerksam, dass tagtäglich durch Staus und Falschparker:innen Rettungsfahrzeuge verspätet an Unfallorten eintreffen würden.

Beim ARD-Polittalk Maischberger erläuterte van Beelen ihre grundsätzlichen Beweggründe für diese Art des zivilen Ungehorsams: „Was soll ich dann als junge Frau anderes tun als in den Protest zu gehen. Ich habe Petitionen unterschrieben. Ich habe an die Politik appelliert – Jahrelang. Und das haben auch schon Menschen vor mir 30 Jahre lang getan. Und das ist das, was mir eben jetzt noch bleibt, der zivile Widerstand. mg


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft