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Europäisches StrommarktdesignEU-Energieminister einigen sich auf Vorschläge für Strommarktreform

Round-Table in Luxemburg beim Energieministertreffen
Die Energieminister der Mitgliedsstaaten einigten sich am 17.10.2023 auf eine Position für eine Strommarktreform, mit der sie nun in Verhandlung mit dem Parlament treten. (Foto: European Union)

Die Energieminister der EU haben sich zur Reform des Strommarkts geeinigt. Um diesen Kompromiss war lange gerungen worden, weil die Marktregeln unter anderem darüber bestimmen, welche Energiearten eine Chance haben.

19.10.2023 – Der Weg für Verhandlungen zwischen EU-Rat und EU-Parlament ist nun frei: Die EU-Energieminister einigten sich am Dienstag in bisher strittigen Punkten, wie sie den Strommarkt in der Europäischen Union reformieren wollen. Die größten Differenzen hatte es zwischen Frankreich und Deutschland gegeben.

Deutschland hatte kritisiert, dass es ein Element der Reformen Frankreich ermöglicht hätte, die französische Industrie massiv mit niedrigen Strompreisen zu subventionieren. Frankreich hat dazu eine besondere Voraussetzung: Die Kernkraftwerke, die 70 Prozent des Stroms in Frankreich erzeugen, befinden sich in staatlicher Hand. Über niedrige, in Differenzverträgen festgelegte Preise, hätte der Staat enorm viele Einnahmen generieren können, die er zur Strompreissubventionierung hätte einsetzen können. Der Streitapfel – die Anwendung von Differenzverträgen auch für Atomkraft – findet sich im gefundenen Kompromiss. Über die wettbewerbliche Ausgestaltung wird allerdings die EU wachen.

Erneuerbare Erzeugung zukünftig verpflichtend über Differenzverträge fördern

Die Reform zielt darauf ab, die Strommärkte langfristig zu stabilisieren, indem der Markt für Stromabnahmeverträge (PPAs) gestärkt wird, Differenzverträge (CfD) verpflichtend werden und die Liquidität des Terminmarktes verbessert wird.

Nach dem Willen des Rates soll die staatliche Subventionierung neuer Erzeugungsanlagen über Differenzverträge obligatorisch werden und die existierenden garantierten Einspeisevergütungen ablösen. Differenzverträge (Contracts for Difference – CfD) sind langfristige Verträge, die einen Abnahme-Preis für den Strom aus der Anlage festlegen. Liegt der Marktpreis darunter, subventioniert der Staat die Differenz. Liegt der Marktpreis darüber, schöpft der Staat die Differenz ab. Auf diese Weise erhält der Anlageninvestor einen über die Jahre stabilen Preis und in die Staatskasse fließen in Zeiten hoher Preise automatisch die Übergewinne. Dieses Modell soll für Windenergie, Solarenergie, Geothermie, Laufwasserkraft und Kernenergie gelten.

Auch Bestandsanlagen dürfen über Differenzverträge subventioniert werden, wenn diese einem Repowering, einer Laufzeitverlängerung oder einem Kapazitätsausbau unterzogen werden. Diese Regel soll auch für Atomkraftwerke gelten.

Die Einnahmenaus der Gewinnabschöpfung über Differenzverträge können an Endverbraucher ausgeschüttet werden, allerdings soll hier die Kommission genau prüfen, ob die Umverteilung unfaire Wettbewerbsverzerrungen oder Verzerrungen im Binnenmarkt nach sich zieht.

Weiter sollen die Staaten Stromabnahmeverträge (PPAs) fördern, indem sie Hindernisse oder diskriminierende Verfahren oder Entgelte beseitigen. Bei diesen Verträgen schließt der Betreiber selbst mit einem Kunden einen Vertrag, der den Preis für die gelieferte Energie festlegt. Eine staatliche Subventionierung entfällt in diesem Fall.

Kapazitätsmechanismus: Förderung für Kohlestrom geht in die Verlängerung

Auch die Kapazitätsmechanismen in den Mitgliedsstaaten berührt die Reform. Dabei geht es um Subventionen für Kraftwerkskapazitäten, die vor allem für die Versorgungssicherheit vorgehalten werden. Auch hier gibt es ein Hintertürchen, das sich Polen erkämpft hat. Über eine Ausnahme im Kapazitätsmechanismus können Kohle- oder Gaskraftwerke, die über dem Emissionsstandard von mehr als 550 Gramm CO2 pro Kilowattstunde emittieren, bis Ende 2028 Förderung erhalten. Ursprünglich sollte diese besonders klimaschädlichen Kraftwerke 2025 vom Netz genommen werden.

Verbraucherschutz im neuen Strommarktdesign

Verbraucher werden durch die Reform gestärkt, indem ihnen die freie Wahl des Anbieters sowie die Wahlfreiheit zwischen dynamischen Strompreisen und Festpreisverträgen garantiert wird. Strengere Regeln für Stromanbieter, wie sie ihre Preise absichern, sollen die Kunden vor Preisschwankungen auf den Großhandelsmärkten schützen. Außerdem soll keinem Haushalt mehr der Strom abgestellt werden. Ein weiteres großes Versprechen: das Recht auf Balkonsolar und auf Energy Sharing - das gemeinsame Nutzen und Speichern selbst erzeugter Energie.

Verhandlungen mit dem Parlament können jetzt starten

Mit diesen Positionen geht der Rat nun in die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament. Insbesondere „die Schlupflöcher für Frankreichs marode Atommeiler und Polens dreckige Kohleschleudern“ wollen die Grünen im Europaparlament nicht hinnehmen, wie deren Verhandlungsführer und klimapolitischer Sprecher Michael Bloss ankündigte. „Der Rat kann die Rechnung nicht ohne das Parlament machen, denn neue Kohlesubventionen oder Extrawürste für die Atomkraft schließen wir aus. Neue Kohlesubventionen sind ein No-Go in Zeiten der Klimakrise. Dass Atomkraftwerke sich nicht dem Wettbewerb und Markt stellen sollen, ist ineffizient und uneuropäisch. Auch hier wird das Parlament Verbesserungen verlangen“, kommentierte Bloss.

Das Europäische Parlament hatte schon am 19. Juli sein Verhandlungsmandat beschlossen. Der Industrieausschuss (ITRE) hatte einen Kompromissvorschlag angenommen, der im September vom Plenum bestätigt wurde. Damit steht das Parlament für die Gespräche mit den Mitgliedstaaten bereit.

Neben den Differenzverträgen will das Parlament auch äquivalente direkte Fördermechanismen für Erneuerbare ermöglichen. Es fordert außerdem, dass mindestens die Hälfte des Volumens an CfDs über öffentliche Ausschreibungen vergeben werden. Zum Energy Sharing und zum Verbraucherschutz hat das Parlament bereits detaillierte Vorschläge unterbreitet.

Reaktion des BEE: Einigung bleibt hinter Erwartungen zurück

Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) sieht umfassenden Korrekturbedarf in den anstehenden Trilog-Verhandlungen. Er kritisiert die Entscheidungen in Bezug auf Differenzverträge sowie zur Förderung von Kohle und Atomkraft. „Die Entscheidung der Energieminister wirkt teils wie aus der Zeit gefallen“, kommentiert BEE-Präsidentin Simone Peter. „Die Subventionierung von Kohle und Atom stehen nicht nur dem Erneuerbaren Ausbau diametral entgegen, sondern auch einer resilienten, sauberen und dauerhaft bezahlbaren Energieversorgung.“ Der Beschluss der EU-Energieminister bleibe nicht nur hinter den Branchenerwartungen, sondern auch hinter dem Beschluss des Europäischen Parlaments zurück. Die Mitgliedsstaaten dürfen nicht in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt werden, wenn es um die Wahl der richtigen Förderinstrumente für Erneuerbare Energien geht. Deswegen müssten in der EU neben CfD auch andere gleichwertige Fördermechanismen erlaubt bleiben.

Positiv kommentiert der BEE das zu schaffende Recht auf Energy Sharing. Simone Peter sagt: „Wir begrüßen diese Entscheidung ausdrücklich. Deutschland hat hier viel Nacholbedarf.“  Petra Franke


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