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KohlekommissionIm Osten entscheidet sich der Kohleausstieg

Blick auf den Braunkohletagebau Nochten in der nördlichen Oberlausitz.
Blick auf den Braunkohletagebau Nochten in der nördlichen Oberlausitz. (Foto: © Julian NyčaCC-BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

60 Milliarden Euro Strukturhilfen, Landtagswahlen und die Furcht vor der AfD: Die ostdeutschen Ministerpräsidenten fordern viel für den Kohleausstieg, die Bundesregierung spielt mit. Die Lausitz soll zu Lasten des Westens zunächst verschont bleiben.

16.01.2019 – Am Dienstagabend machte die Bundeskanzlerin den Kohleausstieg zur Chefsache, so der Tenor vieler Medien. Tatsächlich hatte Angela Merkel (CDU) die vier Vorsitzenden der Kohlekommission, die Braunkohle-Ministerpräsidenten aus Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen und die zuständigen Bundesminister zum Gespräch geladen. Die ostdeutschen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD), Michael Kretschmer und Reiner Haseloff (CDU) sind unzufrieden mit den bisherigen Ergebnissen der Kohlekommission und hatten Ende des Jahres deren Verlängerung erzwungen.

Bundesregierung sagt „erhebliche Mittel“ zu

Der Ende Oktober vorgelegte Zwischenbericht des Gremiums zu Strukturwandelhilfen reichte den Landesfürsten nicht aus, sie beharren seit Wochen medienstark auf mindestens 60 Milliarden Euro über die nächsten Jahrzehnte. Zwei Milliarden für die nächsten 30 Jahre, festgelegt per Gesetz. Plus eventuelle Entschädigungszahlungen an Kraftwerksbetreiber und Ausgleichszahlungen für die Industrie im Falle höherer Strompreise. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) zog zunächst nur zögerlich nach und forderte 10 Milliarden für sein Bundesland, den Großteil dürfte der Kohlekonzern RWE erhalten.

Nach dem Spitzentreffen im Kanzleramt teilte Haselhoff mit, die betroffenen Braunkohleregionen könnten mit langfristigen Finanzhilfen des Bundes rechnen. Das habe Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zugesagt. Es handele sich um „erhebliche Mittel“ über viele Jahre. Zunächst müsse die Kohlekommission allerdings „Leitplanken“ dafür setzen. Die entscheidende Sitzung des Gremiums findet am 25. Januar statt. Kommt es nicht zu einem Ergebnis, soll am 31. Januar erneut ein Treffen der Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung stattfinden.

Zu Kohle für die Kohle?

Dass die Lausitz von den Strukturbrüchen und dem Niedergang ganzer Industrien nach der Wiedervereinigung schwer gebeutelt und traumatisiert ist, wird nicht bestritten. Dennoch fragen sich manche, ob mit dem vielen Geld nicht auch Fehler der ostdeutschen Ministerpräsidenten ausgebügelt werden sollen. Zudem steht die Kritik im Raum, die Spitzenpolitiker hätten gar keinen Plan, wofür das Geld fließen soll. Mit teuren neuen Autobahnen und Bahntrassen allein ist niemandem geholfen. Allein zwischen 1995 und 2015 hat die Lausitz 18,7 Prozent ihrer Einwohner verloren, vor allem die Jungen verlassen die Region.

Interessanter sind die Ideen der Kohlekommission: Neben den üblichen Infrastrukturmaßnahmen wird im Zwischenbericht ein „Revierbonus“ vorgeschlagen, der sicherstellen soll, dass neue Infrastrukturprojekte schneller und einfacher geplant und umgesetzt werden können. Auch könnten die Braunkohle-Reviere Modellregionen für die Einführung des neuesten Mobilfunkstandards 5G werden. Bundesbehörden und Forschungseinrichtungen würden in die betroffenen Gebiete umziehen und Neugründungen dort angesiedelt werden. Zu Forschungs- und Entwicklungsstandorten für neue Energie- und Speichertechnologien könnten sich die Regionen entwickeln.

Im Osten dürfen die Kohlekraftwerke länger laufen

Zudem scheint intern ziemlich sicher zu sein, dass die Braunkohlekraftwerke im Osten als letztes abgeschaltet werden. Zum einen eint die Spitzenpolitiker aus CDU und SPD im Bund und auf Landesebene die Furcht vor der AfD. Man möchte der aufstrebenden Rechtspartei keine Munition für die Landtagswahlen am 1. September in Brandenburg und Sachsen liefern, so das Kalkül. Dass die Parteien mit einem durchdachten, zukunftsfähigen Plan für die Regionen punkten können, kommt man offenbar nicht.

Zum anderen dürfte der Strukturwandel im Rheinischen Revier deutlich einfacher vonstattengehen. Die Region zwischen Köln und Aachen ist nicht so abhängig von der Braunkohle wie die Lausitz, dort haben sich zahlreiche Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen angesiedelt, die Infrastruktur ist in einem besseren Zustand. Dennoch ist auch hier der Kohlebergbau tief verwurzelt.

Wird der Hambacher Wald gerettet?

Zudem sind sich etliche Kommissionsmitglieder einig darin, den Hambacher Wald zu erhalten. Das Waldstück westlich von Köln hat sich zum Symbol im Kampf gegen die Kohle entwickelt, Umweltschützer würden eine Rodung zum Braunkohleabbau kaum hinnehmen. Der Tagebau Hambach, das größte Loch Europas, und die daran angeschlossenen Braunkohlekraftwerke dürften wohl eher früh als spät stillgelegt werden. Ein weiterer Grund: Die Anlagen des Braunkohlekonzerns LEAG in der Lausitz sind zum Großteil moderner als die RWE-Anlagen und emittieren entsprechend weniger Treibhausgase und andere Schadstoffe.

Dennoch drängt die Zeit. Der aktuelle Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung sieht vor, die Emissionen der Energiewirtschaft bis 2030 gegenüber 1990 um 61 Prozent zu senken. Ein Großteil davon wurde nach der Wende durch das Abschalten alter Anlagen in Ostdeutschland erreicht. Dennoch muss sich in spätestens elf Jahren die Kapazität der deutschen Kohlekraftwerke von heute 46 Gigawatt auf etwa 20 Gigawatt reduzieren. Die besonders schmutzigen Braunkohlekraftwerke stehen dabei im Fokus, an ihnen hängen mit den Tagebauen die meisten Jobs. cw


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