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KommentarLNG Terminals: Geldverschwendung für fossile Abhängigkeit

Luftaufnahme eines LNG-Terminals mit Gasspeichern am Wasser.
Ein LNG-Terminal in Yokohama City, Japan. (Bild: Σ64, Wikimedia Commons, CC BY 3.0)

Nach Nord Stream 2, droht mit einem neuen LNG-Terminal in Brunsbüttel eine weitere fatale Bindung an fossiles Gas. Das könnte nicht nur der US-amerikanischen Fracking-Industrie nützen, sondern am Ende auch Russland.

07.03.2022 – Seit Jahren häufen sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Klimaschädlichkeit von fossilem Gas, dessen Hauptbestandteil Methan – bei Entweichen in die Atmosphäre - über einen 20-Jahreszeitrahmen eine bis zu 108mal höhere Treibhauswirkung als die von CO2 entfaltet. Das Klima-Benchmarking für LNG fällt – wegen der aufwendigeren Produktion, die 10-25% des Heizwertes von Gas verschlingt und wegen der komplexeren Transportwege – besonders schlecht aus.

Seit geraumer Zeit zeichnet sich ab,  dass neue Gasprojekte entweder einen sogenannten fossilen Lock-In-Effekt kreieren oder als Investitionsruinen enden.

Trotzdem haben bisherige Bundesregierungen dies ignoriert und fossiles Gas – entgegen jedweder ökologischer und ökonomischer Vernunft - weiter als Brücke in eine post-fossile Zukunft promotet.. Damit wurde nicht nur die fossile Abhängigkeit vertieft, sondern auch unsere Energieversorgung zu einem Großteil in die Hände von Putins Regime gelegt.

Die russische Pipeline Nord Stream 2 erfuhr – trotz Kritik u.a. seitens der EU-Kommission – signifikante deutsche politische Unterstützung auf oberster Ebene. Um jedoch die europäischen Nachbarn und die US-Verbündeten zu besänftigen, wurde simultan der Bau dreier LNG Terminals im Norden Deutschlands (Brunsbüttel in Schleswig-Holstein, Wilhelmshaven und Stade in Niedersachsen) angestoßen. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bezeichnete sie allerdings bereits im September 2018 als „Geste an unsere amerikanischen Freunde“.

Ein paar Monate und eine deutsch-amerikanische Konferenz zur Entwicklung des LNG-Importmarktes später ist der Rechtsrahmen derart geändert, dass die Gaskunden statt den Investoren für rund 90 Prozent der Bau- und Betriebskosten für die Anschlusspipelines der LNG-Terminals zahlen müssen. Das kam „on top“ der bereits damals genehmigten Fördermittel im Bundeshaushalt und aus dem Topf „Gemeinschaftsaufgabe regionale Wirtschaftsförderung“.

Trotz all dieser immensen Hilfestellungen hat es bislang keine der möglichen Investor*innen geschafft, eine finale Investitionsentscheidung zu treffen. Ganz im Gegenteil. Alle Vorhaben liegen erheblich hinter ihrem ursprünglichen Zeitrahmen zurück und das LNG Terminal Wilhelmshaven war vom Investor Uniper (die Firma, die Anteilseigner der russischen Nord Stream 1 und Finanzinvestor der Nord Stream 2 Pipelines ist) nach missglückter Marktabfrage bereits ad acta gelegt worden.

Jetzt ist Nord Stream 2 de facto tot und auch wenn Gazprom, der Haupteigner der Projekt AG, wohl noch nicht offiziell die Insolvenz beantragt hat, ist eine Inbetriebnahme kaum noch vorstellbar. Der größte deutsche Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea (ebenfalls Finanzinvestor von Nord Stream 2 und einer der Hauptpartner von Gazprom in Russland) hat die Finanzierung der Pipeline in Höhe von rund 1 Milliarde Euro bereits abgeschrieben. Bleibt abzuwarten, ob Wintershall nun das Geld von uns zurückerstattet haben möchte. Der Ruf nach Schadensersatz bei einem Aus von Nord Stream 2 war zumindest das Beste, was der in Russland weiterhin in der Öl-/Gasproduktion verbleibenden Firma am Tag der Invasion in die Ukraine einfiel.

Eine Radikale Erneuerung ist unwiderruflich notwendig

Der Krieg hat nun die Gaskrise und die Abhängigkeit von Putins Regime unverkennbar gemacht. Was tun? Eine radikale Erneuerung unserer Energieversorgung und auch -verteilung ist unwiderruflich notwendig. Das kann angesichts der Dramatik keiner mehr leugnen.

Während der Push für eine beschleunigte Energiewende, mit einer Verstromung „nahezu vollständig“ bis 2035 exakt das richtige Signal ist, erstaunt die unerschütterliche Liebe für LNG (insbesondere für den Standort Brunsbüttel im Heimatbundesland unseres Wirtschafts- und Klimaschutzministers).

Da die bereits in Aussicht gestellten Fördermittel von mindestens 50 Millionen € für das von der German LNG (ein Unternehmen von Oiltanking, Vopak und Gasunie) zusammen mit ihrem Partner RWE angestrebte Importterminal in Brunsbüttel anscheinend nicht ausgereicht haben, entschied Habecks Ministerium jüngst noch eine Schippe draufzulegen. Am 05.03.2022 wurde die Unterzeichnung eines Memorandums of Understanding zwischen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), dem niederländischen Staatsunternehmen Gasunie und RWE zur Errichtung eines LNG-Terminals in Brunsbüttel verkündet.

Damit verpflichtet sich die Bundesregierung über die KfW 50 % der – in Höhe von rund 500 Millionen € geschätzten - Finanzierung für das unwirtschaftliche Projekt zu übernehmen. Gasunie soll das LNG Terminal mit einer jährlichen Regasifizierungskapazität von 8 Mrd. m³ betreiben. Hauptgrund: Man wolle die Versorgungssicherheit erhöhen und zu mehr Unabhängigkeit vom russischen Gas beitragen. Ausgerechnet Gasunie soll die Unabhängigkeit vom russischen Gas bewirken. Seit 2018 setzt die Betreiberin des Gate LNG Rotterdam verstärkt auf russisches LNG, um die vormals schlechte Auslastungsquote des Standorts aufzupäppeln.

Könnte also auch in Brunsbüttel am Ende russisches Gas als LNG anlanden und damit das Ganze Vorhaben auch von der angestrebten Diversität her ad absurdum führen? Die Antwort lautet: Ja! Dies bestätigte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) u.a. in der FAQ-Liste zu LNG-Terminals in Deutschland. Solange es kein Embargo von russischem Öl und Gas gibt, kann dies nicht ausgeschlossen werden. Und sollte es zu Importverboten fossiler Brenn- und Rohstoffe aus Russland kommen, dann nützen uns auch keine LNG Terminals, die – auch dies musste das BMWK eingestehen – frühestens in 3 – 3,5 Jahren gebaut werden könnten.

Kaum jemand in Deutschland wird das wirklich wollen

Weiterhin steht der mögliche Import von klima- und umweltfeindlichem Fracking-Gas im Raum. Bereits frühzeitigt hatte sich RWE – kurz nach dem Abschluss des Regasifizierungsvertrags mit German LNG im September 2018 – Zugang zu US LNG vertraglich gesichert wobei Fracking-Gas u.a. aus Corpus Christi, Texas, nach Brunsbüttel bringen könnte. Kaum jemand in Deutschland wird das wirklich wollen -zumal ein Import von Fracking-Gas die Frage nach einer Aufhebung des Fracking-Verbots hierzulande unmittelbar mit sich bringen würde.

Auch wenn das Versprechen gemacht wird, dass das Terminal „so weit wie möglich wasserstoffready“ ist, wird die Anlage für eine Laufzeit von mindestens 25- 30 Jahren fossil geplant und beantragt. Solange also nicht definiert ist, was "so weit wie möglich wasserstoffready“ bedeutet und keine technische Konkretisierung erfolgt, ist diese Ankündigung nichts weiter als Wunschdenken.

Völlig ausgeblendet wird zudem der Umstand, dass der Standort Brunsbüttel auch aus Sicherheitsgründen völlig ungeeignet für den Bau einer LNG Terminals ist. Bereits 2019 hat die Deutsche Umwelthilfe in einem Rechtsgutachten dargelegt, dass ein Bau auf Grund der Nähe des ehemaligen AkWs, des ChemCoastParks sowie bestehender Wohngebiete störfallrechtlich auszuschließen ist.

Einstieg in Flüssigerdgas wird weder den Klimaschutzverpflichtungen noch dem Ziel nach fossiler Unabhängigkeit gerecht

Die Hartnäckigkeit mit der LNG Terminals in Deutschland durchgedrückt werden sollen, erinnert einen an die Sturheit, mit der die deutsche Politik über Jahre hinweg Nord Stream 2 verteidigt und vorangetrieben hat. Jetzt ist die Zeit diese fatale Abhängigkeit zu kappen! Wärmewende, Ausbau der Erneuerbaren, dezentrale regionale Energiesysteme in unser aller Händen, und vor allem Maßnahmen zur Eindämmung des Gasverbrauchs sind zu priorisieren. Ein Ausstieg aus Pipelinegas verbunden mit dem Einstieg in Flüssigerdgas wird weder den Klimaschutzverpflichtungen noch dem Ziel nach fossiler Unabhängigkeit gerecht!

Die Opposition gegen LNG ist in den Jahren zunehmend gewachsen und wird gerade nach der aktuellen Ankündigung des BMWK nicht nachlassen. Aktionen gegen LNG sind für den 8.4 in Hamburg, 22.4 in Brunsbüttel und vom 09. – 14.05.22 in Wilhelmshaven geplant.


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Kommentare

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Stephan Geue 09.03.2022, 18:25:13

Oje: "Wärmewende, Ausbau der Erneuerbaren, dezentrale regionale Energiesysteme in unser aller Händen, und vor allem Maßnahmen zur Eindämmung des Gasverbrauchs sind zu priorisieren."

 

Ich würde mal sagen, bei den Maßnahmen zur Eindämmung des Gasverbrauchs sind wir marktwirtschaftlich hervorragend unterwegs. Wo 4000 Dollar je 1000 cbm Gas aufgerufen werden, gehen nur noch die ganz Harten in den Garten. Alle anderen dürften den Umweltschützer in sich und auf ihrem Konto entdecken und lieber die Heizung ein bisschen runterdrehen.

 

Ansonsten? Was läuft heute Nacht ohne Gas? Die Wärmewände findet heute Nacht bei Minusgraden statt, die Erneuerbaren warten auf die aufgehende Sonne (denn Wind weht kaum), und dafür ist es unerheblich, ob da was dezentral oder zentral betrieben wird. Warum geht es so schwer in die Köpfe rein, dass ein krass schwankendes Angebot und eine ähnlich krass, aber kein bisschen synchron dazu schwankende Nachfrage nur über Energiespeicher bzw. Puffer in Einklang gebracht werden können? Der flexibelste Puffer ist bislang Gas (und nebenbei auch der Speicher mit den mit Abstand meisten Nullen vor dem Komma). Alle Tesla-Batterien dieser Welt zusammen würden Deutschland wenn überhaupt nur für Minuten versorgen.

 

Zweifellos wäre es klimaschonender, Deutschlands Industrie und Haushalte im Winter in einen Dornröschenschlaf zu versetzen, aber das ist doch Spinnerei. Können wir bitte Plädoyers für umsetzbare Szenarien haben? Natürlich ist ein forcierter Ausbau von Windkraft und PV notwendig und sinnvoll. Aber dennoch bleibt es nachts dunkel und oft auch windstill. Wer das nicht mit einkalkuliert, dessen Predigt ist unglaubwürdig.


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