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Klimakrise Jahr 2021Rasanter Anstieg der CO2-Emissionen in Deutschland

Altes Kohlekraftwerk und Solaranlage
Es sind noch zu viel fossile Energien im System, der Ausbau der Erneuerbaren wird politisch verschleppt. (Foto: Pixabay / Free License)

Die CO2-Emissionen in Deutschland werden laut Schätzung von Agora Energiewende in diesem Jahr um 47 Mio. Tonnen gegenüber 2020 steigen – der größte Anstieg seit 1990. Das 2020-Ziel, 40 Prozent gegenüber 1990 einzusparen, wird damit klar verfehlt.

17.08.2021 – Klimaschutz in Deutschland? Fehlanzeige! Mit dem voraussichtlichen Anstieg von Deutschlands Treibhausgasemissionen 2021 um rund 47 Millionen Tonnen CO₂ gegenüber dem Vorjahr steht die Bundesrepublik vor dem größten Anstieg von Treibhausgasemissionen seit 1990 – dem Referenzjahr, an dem internationale Klimabemühungen gemessen werden. Das zeigt die aktuelle Analyse der Denkfabrik Agora Energiewende, die sich auf Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen stützt. Sie hatte für das erste Halbjahr 2021 einen Anstieg des Energieverbrauchs um 4,3 Prozent und um 6,3 Prozent höhere CO2-Emissionen ermittelt.

Pandemie-Effekte sind vorbei, nichts gelernt

„Die Corona-Sondereffekte sind vorbei, und prompt steigen die Treibhausgasemissionen 2021 wieder – und zwar mit knapp 50 Mio. Tonnen so stark wie noch nie seit 1990“, sagt Agora-Chef Patrick Graichen. Das übertreffe selbst den Anstieg nach der Wirtschaftskrise in den Jahren 2009 und 2010, wo es einen Anstieg um rund 33 Mio. Tonnen CO₂ gab. „Der vermeintliche Erfolg von 40 Prozent Emissionsminderung im letzten Jahr war kein wirksamer Klimaschutz, sondern eine Eintagsfliege, bedingt durch Corona und Sondereffekte“, so Graichen. „2021 stehen wir damit wieder an der Startlinie.“

Klimaschutzgesetz verpflichtet zum Sofortprogramm

Die Sektorenzielverfehlung bei Verkehr, Industrie und erneut Gebäude sei schon absehbar. Laut Klimaschutzgesetz verpflichte die Verfehlung der Sektorenziele klar zur Umsetzung eines Sofortprogramms, das dem Emissionsanstieg entgegenwirkt.

Den Anstieg der Emissionen aus der Energiewirtschaft schätzt Agora insgesamt auf etwa 30 Millionen Tonnen CO₂. Denn bereits im ersten Halbjahr hätten Kraftwerke den Vorjahreswert um rund 20 Millionen Tonnen CO₂ übertroffen. Grund dafür sei der verstärkte Einsatz von fossilen Kraftwerken, nachdem sich die Stromnachfrage nach der Corona-Pause wieder erholt habe. Insbesondere Braunkohlekraftwerke seien im ersten Halbjahr bei einem hohen Gaspreis wieder wirtschaftlicher geworden und hätten einen großen Teil zum Emissionsanstieg beigetragen. Der Energiekonzern RWE teilte mit, dass seine Stromproduktion aus Braunkohle im ersten Halbjahr fast 50 Prozent höher war als im Vorjahreszeitraum.

Bei der Stromerzeugung durch Windkraftanlagen an Land ging es in den ersten sechs Monaten dagegen um 20 Prozent zurück. Durchschnittliche Windverhältnisse im ersten Halbjahr 2021 – im Unterschied zu den besonders windertragreichen Monaten von 2020 – hätten für einen Rückgang bei der Windverstromung im Vergleich zum Vorjahr gesorgt, auch im Juli. Laut Angaben der Bundesnetzagentur lag die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien wetterbedingt 6,7 Prozent unter dem Vorjahreswert.

Gebäudesektor weiterhin zu hohe Emissionen

Nach einem langen und eher kalten Winter rechnet Agora auch im Gebäudebereich mit steigenden Emissionen. Es war bereits im letzten Jahr der einzige Sektor, der sein Klimaziel trotz Corona verfehlt hatte. Aufgrund des angestiegenen Heizbedarfs Anfang des Jahres rechnet Agora mit einer erneuten Zielverfehlung um rund 7 Millionen Tonnen CO₂.

Verkehrswende nicht in Sicht

Und auch beim Verkehr sieht es nicht besser aus, hier müssten die Emissionen gegenüber dem Vorjahr sinken, um das Klimaziel zu erreichen. Das sei recht unwahrscheinlich – war doch das Verkehrsaufkommen im Pandemie-Jahr 2020 gesunken. Vermutlich werde sich dieser weiter „normalisieren“ – daher rechne man mit einem Emissionsanstieg von bis zu 10 Millionen Tonnen CO₂. Gerade in diesem Sektor hätte man aus den Erfahrungen mit der Corona-Krise viel lernen können.

Große CO2-Brocken Industrie und Landwirtschaft

Mit dem Wiederhochfahren der industriellen Produktion sei auch eine Verfehlung des Industrie-Sektorenziels um rund 8 Millionen Tonnen CO₂ wahrscheinlich. Lediglich der Landwirtschaftssektor sei kaum von der Corona-Krise beeinflusst. Hier erwartet Agora eine Trend-Fortschreibung und entsprechend einen geringfügigen Emissionsrückgang. In diesem Sektor müsste allerdings ohnehin viel mehr getan werden, um die Emissionen zu verringern.

Klimaschutz-Sofortprogramme notwendig

Mit einem Sofortprogramm müsse die nächste Regierung in den ersten 100 Tagen die entscheidenden Weichen für Klimaneutralität stellen, mahnt Agora. Dazu gehöre etwa ein vorgezogener Kohleausstieg sowie die Verdreifachung des Ausbaus von Windkraft- und Solaranlagen.

Es ist wie ein Mantra: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss sehr viel schneller vorangehen. Auch der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) fordert in Hinblick auf die alarmierenden Zahlen ein „Erneuerbares Beschleunigungspaket“ auf den Weg zu bringen.

„Im Corona-Jahr 2020 wurde uns noch politisch verkauft, dass Deutschland sein Klimaziel – eine Treibhausgasminderung um 40 Prozent gegenüber 1990 – erreicht. Heute ist aber klar, dass dieser vermeintliche Erfolg vor allem auf dem Produktions- und Reiserückgang in der Krise beruhte“, kommentiert BEE-Präsidentin Simone Peter die Ergebnisse. Subventionen in fossile Energieträger müssten nun endlich gestoppt und gleichzeitig in den ersten 100 Tagen der neu gewählten Bundesregierung ein Erneuerbares-Beschleunigungspaket auf den Weg gebracht werden, „das Hürden und Hemmnisse in Gesetzen sowie bei Flächen- und Genehmigungsbereitstellung beseitigt und den Energiemarkt nach den Bedürfnissen der Erneuerbaren ausrichtet“, so Peter. Auch die Bürgerbeteiligung brauche ein klares Update.

Runter von der Ausbaubremse für Erneuerbare

Der amtierenden Regierung sei es nicht gelungen, durch wirksame Maßnahmen den Trend zu verhindern, sagt Antje von Broock, Geschäftsführerin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Stattdessen haben das Wirtschaftsministerium und die unionsgeführten Bundesländer wie Bayern und Nordrhein-Westfalen den Ausbau der Erneuerbaren Energien systematisch ausgebremst.“ Der Kohleausstieg müsse auf 2030 vorgezogen werden. „Deutschland steht vor der Herkulesaufgabe, nach der Wahl beim Klimaschutz schnell und sozialverträglich umzusteuern“, fordert der BUND. na


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