Menü öffnen

KonzernklagerechteUniper und RWE drohen der Niederlande

Bild eines im Bau befindlichen Kohlekraftwerks im Regen.
Erst 2015 von RWE fertig gestellt, könnte das Kohlekraftwerk Eemshaven schon 2030 wieder vom Netz gehen. Dank des beschlossenen Kohleausstiegs der Niederlande. (Foto: Wutsje / Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Ein internationaler Vertrag macht es möglich: Energiekonzerne können die Niederlande auf Entschädigung verklagen, weil der Staat bis 2030 aus der Kohle aussteigt. Dieses System gehört laut NGOs abgeschafft. Doch es könnte sogar ausgeweitet werden.

12.12.2019 – Ursprünglich wurde der Energiecharta-Vertrag 1994 abgeschlossen, um Investitionen westlicher Konzerne in die ehemaligen Ostblockstaaten anzuregen und abzusichern. Dabei handelt es sich um einen Investitionsschutzvertrag. Investoren haben demnach die Möglichkeit, Staaten vor eigens geschaffenen Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie enteignet werden. Als Enteignung gilt bereits, wenn ein Staat neue Regeln aufsetzt, die die Investitionsbedingungen verschlechtern. Sollte ein Unternehmen an Wert verlieren, weil es durch die Veränderung staatlicher Regeln weniger Gewinn machen kann als geplant, kann es sich auf den Energiecharta-Vertrag berufen und klagen. Das Verfahren findet innerhalb eines staatlich unabhängigen privaten Investitionsschiedsverfahren statt.

Derzeit sind 51 Staaten Mitglied der Energiecharta-Konferenz, die den Energiecharta-Vertrag zur Grundlage hat. Auch Deutschland und die Niederlande sind dabei. Darüber hinaus sind die Investitionsschiedsverfahren teil bestehender und geplanter Freihandelsabkommen. Der Energiekonzern Uniper mit Sitz in Deutschland hat angekündigt die Rechtsmittel in Anspruch zu nehmen und will den niederländischen Staat verklagen. Dieser hatte 2017 entschieden bis spätestens 2030 den Ausstieg aus der Kohle zu vollziehen. Davon wäre auch das Uniper Kraftwerk Maasvlakte 3 bei Rotterdam betroffen. Aus Sicht des Energiekonzerns kann das Kraftwerk bis dahin nicht genügend Gewinn erwirtschaften und fordert deswegen Entschädigung.

Die Niederlande will nicht zahlen, deswegen drohen die Energiekonzerne mit teuren Klageverfahren

Ein vorgeschlagener Kompromiss seitens Uniper scheiterte im August dieses Jahres. Die niederländische Regierung lehnte es ab, dass Uniper jenseits von 2030 Kraftwerkskapazitäten zur Versorgungssicherheit bereithalten und dafür jährliche Zahlungen von 150 Millionen bekommen würde. Da das Gesetz zum Ausstieg aus der Kohleverstromung in den Niederlanden bald in Kraft tritt, bereitet Uniper die Klage vor.

Auch RWE erwägt rechtliche Schritte gegen den niederländischen Staat. Ihr Kraftwerk in Eemshaven ging 2015 in Betrieb. Eine Abschaltung 2030 würde nach Ansicht des Energiekonzerns ebenfalls mit hohen Verlusten einhergehen. Ein weiteres älteres Kraftwerk von RWE in den Niederlanden soll bereits 2024 vom Netz gehen. Nach Berichten der FAZ hofft RWE aber noch im „Dialog mit der Politik“ einen Ausgleich für finanzielle Nachteile zu erwirken. Nachdem die niederländische Regierung jedoch bereits das Angebot von Uniper ablehnte, erscheint eine Einigung mit RWE mehr als fragwürdig. Es drohen langwierige Gerichtsprozesse.

Die aktive Zivilgesellschaft hat es satt

Ein Schlag ins Gesicht, nicht nur für die niederländische Regierung, sondern vor allem für die dortige Zivilgesellschaft. Denn es waren die Umweltbewegungen, die den Kohleausstieg vorantrieben und die Regierung letztendlich überzeugen konnten, wie Willem Wiskerke von Milieudefensie (Friends of the Earth Niederlande) deutlich macht. „Aber nun wollen die deutschen Unternehmen Uniper und RWE dagegen klagen. Sie fordern Milliarden Euro an Schadensersatz – aus Steuergeldern“, warnt Wiskerkse in einer Twitter-Botschaft. Und Kees Kodde von Greenpeace Niederlande macht deutlich: „Die Sondergerichte für die fossile Industrie sind eine echte Gefahr für Demokratie und Klimapolitik.“

In Deutschland ist die Kritik ebenfalls groß. Katrin Ganswandt fürchtet, dass die teuren Klagen weltweit Regierungen einschüchtern und von Klimaschutzmaßnahmen abhalten könnte. Auch die deutsche Regierung hat mit einem Investitionsschiedsverfahren in Milliardenhöhe zu kämpfen. Seit 2012 verklagt das schwedische Energieunternehmen Vattenfall die Bundesrepublik wegen deren Ausstieg aus der Atomkraft. Der Streitwert liegt bei 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz plus Zinsen. Ein Urteil wird im kommenden Jahr erwartet.

Ein weltweites Netzwerk an Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen warnt davor, dass dieses System künftig sogar noch ausgeweitet werden könnte. Neben geplanten Freihandelsabkommen will die EU-Kommission, unterstützt von weiteren EU Staaten einen globalen ständigen Gerichtshof für Konzerne einrichten. Dieser soll ausschließlich Konzernen und Investoren zugänglich sein und ihnen die Möglichkeit bieten Staaten auf Schadensersatz zu verklagen. Stattdessen fordern die NGOs den Austritt aus allen Abkommen, die Investitionsschiedsgerichte beinhalten. mf


Mehr zum Thema


energiezukunft