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KlimaschutzgesetzWarum ein starker Expertenrat für Klimaschutz so wichtig ist

Eine wichtige beratende Funktion für den Bundestag könnte der Expertenrat sein. (Bild: pixabay, Public Domain)

Der neue „Expertenrat für Klimafragen“ der Bundesregierung ist nicht mehr als ein zahnloser Tiger. Dabei zeigt ein Blick nach Großbritannien: Für eine wirtschaftlich sinnvolle und verlässliche Klimapolitik ist ein starker Expertenrat unerlässlich.

14.10.2019 – CO2-Reduktion und Klimaziele überwachen, Vorschläge machen, wenn die Klimaschutzmaßnahmen der Minister nicht ausreichen und jährlich Bilanz ziehen. Das hätte der mit dem Klimaschutzgesetz neu geschaffene „Expertenrat für Klimafragen“ übernehmen können und wäre so zum Herzstück eines ansonsten verkorksten Klimaschutzgesetzes geworden. Die Ideen lagen auf dem Tisch. Doch CDU/CSU und SPD haben ihn zum zahnlosen Tiger gemacht.

Mal wieder ein machtloses Expertengremium

Wozu ist aber eine Kommission voll von Professoren gut, wenn man die Vorschläge ohne Konsequenzen ignorieren kann? Seit Jahren zeigen Regierungsberater, angefangen vom Sachverständigenrat für Umweltfragen über die Monitoring-Kommission für die Energiewende bis zum Bundesrechnungshof, detailliert auf, was falsch läuft in der Klima- und Energiepolitik und geben Vorschläge, wie es besser ginge.

Im Kanzleramt und den Ministerien sind diese Gutachten aber nur ein Fall für die Schublade.

„Committee on Climate Change“ als Vorbild

Wie wichtig Regierungsberater und Experten sein können, zeigt dagegen ein Blick nach Großbritannien. Das dortige Committee on Climate Change (CCC) ist Kernbestandteil des bereits 2008 beschlossenen Klimaschutzgesetzes Climate Change Act (CCA). Sowohl das Gesetz als auch die Kommission orientieren sich am Langfristziel, bis 2050 mindestens 80 Prozent der Treibhausgase gegenüber 1990 einzusparen. Bereits im Sommer hatte sich die Regierung von Premierministerin Theresa May verpflichtet, dieses Ziel auf „klimaneutral bis 2050“ zu ändern.

An dem Langfristziel orientieren sich die unabhängigen Wissenschaftler des Expertengremiums CCC und erarbeiten Fünfjahresbudgets für alle britischen Treibhausgasemissionen, die jeweils zwölf Jahre zuvor rechtlich fixiert werden. Hier erarbeitet der Expertenrat, anders als in Deutschland vorgesehen, konkrete Pläne, zu denen die britische Regierung Stellung nehmen muss. Sie ist zudem verpflichtet, aus den Empfehlungen konkrete Maßnahmen zu beschließen. Daraus resultierte unter anderem ein CO2-Mindestpreis, den die Regierung 2013 einführte.

Jährlicher Bericht zur Klimapolitik und öffentliche Verantwortung

Zwar sieht das britische Klimaschutzgesetz vor, dass die Regierung auch von den Expertenplänen abweichen darf – aber sie muss dies ordentlich und öffentlich begründen. Bislang haben sich Regierungen stets an die Vorgaben gehalten, was den Stellenwert des Expertengremiums verdeutlicht.

Jedes Jahr erstellt das CCC einen Fortschrittsbericht zur britischen Klimapolitik und auch die Regierung muss mit einem Bericht sich gegenüber Parlament und Öffentlichkeit für seine Klimapolitik verantworten.

Was bringt ein Expertenrat konkret für den Klimaschutz?

Das haben Wissenschaftler der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) bereits 2018 herausgefunden:

  • Während Deutschland zwischen 1990 bis 2015 insgesamt 27 Prozent der Treibhausgasemissionen eingesparte, beläuft sich die Reduktionsrate in Großbritannien auf 39 Prozent.
  • Noch deutlicher wird der Unterschied mit Blick auf den Zeitraum von 2005 bis 2016: Hier erreichte die deutsche Klimapolitik eine Reduktion von 8 Prozent, in Großbritannien hingegen wurden die Emissionen um 30 Prozent reduziert.

Die Wissenschaftler schlussfolgerten: „Dies ist ein weiterer Indikator dafür, dass der langfristig orientierte, gesamtwirtschaftlich ausgerichtete und wissenschaftlich fundierte Ansatz in Großbritannien Erfolg hat.“

Auch Konservative sind für Klimaschutz

Wie andere erfolgreiche Klimaschutz-Länder in Europa, beispielsweise Schweden, haben die Briten früh angefangen. Zwischen 2005 und 2008 ergab sich ein günstiges politisches Zeitfenster, in dem auch die konservativen Tories Klimaschutz als wichtiges Politikfeld entdeckten und in dessen Folge der Climate Change Act beschlossen wurde.

Zudem herrschte ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber, wie wichtig Klimapolitik ist, schreiben die SWP-Wissenschaftler. Ein wichtiges Element, das auch die Bundesregierung aktuell nutzen könnte. Angesichts von Fridays for Future und über einer Million Menschen auf Deutschlands Straßen war es wohl noch nie so einfach, ehrgeizige Klimapolitik durchzusetzen – wenn man denn wollte.

„Nächste Zielverfehlung vorprogrammiert“

Doch mit dem Klimaschutzgesetz der Bundesregierung wird es soweit nicht kommen, sind sich Wissenschaftler einig. „Mit dem offenbar auf Misstrauen basierendem, extrem engen Auftrag an die Kommission wird sie keine vergleichbare Rolle spielen können“, schreibt Thorsten Müller, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht.

Der „Expertenrat für Klimafragen“ kann keine Vorschläge erarbeiten, nicht darlegen, ob die Bundesregierung zu wenig tut für den Klimaschutz tut und wie groß die CO2-Lücke bis zu den Klimazielen ist. Das wird weiter politisch ausgehandelt, obwohl es wissenschaftlich feststellbar ist. Damit dürften „die nächsten Zielverfehlungen programmiert“ sein, stellt Müller fest.

Klimaziele bleiben Spielball der Politik

Soll heißen: Schon jetzt ist klar, dass mit diesem Klimaschutzgesetz und der kaum vorhandenen unabhängigen Überprüfung die Klimaziele 2030 gerissen werden. Die Klimaziele werden weiter Spielball der Parteien bleiben, obwohl Klimaschutz in einem langfristig angelegten Prozess, wirtschaftlich sinnvoll und verlässlich möglich wäre. Anders als in der Politik kann man mit dem Klima nicht verhandeln und keine Kompromisse schließen. Die Bundesregierung hat das noch nicht verstanden. cw


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