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Europawahl 2019Wen wählen für mehr Klimaschutz?

Welche Partei setzt sich in Europa wirklich für Klimaschutz ein? Die SPD sagt: Wir! Fridays for Future und Scientists for Future dagegen: keine Partei tut genug. Wen also wählen im Mai? Das Abstimmungsverhalten der vergangenen Jahre verrät einiges.

22.04.2019 – Es gilt, die Europawahl im Mai zur Klimawahl zu machen, forderte Jakob Blasel von Fridays for Future beim Berliner Schülerstreik Mitte März. Denn klar ist: Wer mehr Klimaschutz fordert, sollte die Europawahlen sehr ernst nehmen. Schon die Vergangenheit hat gezeigt, dass europäische Entscheidungen richtungsweisend für mehr Klimaschutz sind. Ob nun Grenzwerte für den Straßenverkehr oder Energieeffizienz im Gebäudesektor, EU-Richtlinien geben auch in Deutschland vor, wo es langgehen soll.

Volker Quaschning, Mitinitiator von Scientists for Future, meint, dass keine der Parteien bislang genug getan habe, um die Klimakrise entschieden zu bekämpfen. Während die AfD Klimaschutz für einen Irrweg hält, stehen die anderen großen Parteien – Bündnis 90/die Grünen, Linke, SPD, CDU/CSU und FDP – zumindest hinter dem Pariser Klimaabkommen. Doch welche der Parteien hat in Europa bislang konsequenten Klimaschutz verfolgt und was lassen deren Wahlprogramme für die Zukunft hoffen?  

Bündnis 90/die Grünen

Die Grünen im europäischen Parlament zeigten bereits in der bisherigen Legislaturperiode ein sehr gutes Abstimmungsverhalten. Dies dokumentiert eine Analyse vom Deutschen Naturschutzring (DNR) und dem Climate Action Network (CAN). In 88 Prozent der gewerteten Abstimmungen stimmten die Abgeordneten demnach für konsequenten Klimaschutz. Bei den Spitzenkandidaten der Grünen aus Deutschland, Ska Keller und Sven Giegold, waren es sogar 96 Prozent der gewerteten Abstimmungen.

Und auch das neue knapp 200 Seiten lange Europawahlprogramm der Grünen strotzt vor ökologischer Programmatik. Bereits im ersten Kapitel stellen die Grünen ihre Klimaziele für die Zukunft Europas auf:

  • Ziele bis 2030: 45 Prozent Erneuerbare Energien bei Strom, Wärme und Mobilität; Senkung der CO2-Emissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990; Verbesserung der Energieeffizienz um 40 Prozent; ein vollständiger Kohleausstieg
  • Ziele bis 2050: 100 Prozent Erneuerbare Energien in allen Sektoren
  • Zeitnah: Die Einführung eines europäischen CO2-Mindestpreissystems für die Sektoren, die bislang nicht vom EU-Emissionshandelssystem erfasst sind; kein weiterer Ausbau von Importinfrastruktur für Erdöl und Erdgas; Begrenzung der Laufzeit von Atomkraftwerken auf insgesamt 40 Jahre

Doch es gibt auch Kritik an dem Programm. Die Jugendorganisationen von BUND und NABU in Nordrhein-Westfalen haben einen Parteiencheck zur EU-Wahl veröffentlicht und kritisieren teilweise unklare Stellungnahmen der Grünen. So fehlen ihnen klare Aussagen zu absoluten Emissionsbegrenzungen statt Emissionshandel, einem vollständigen Atomausstieg und einem europaweiten Tempolimit auf Autobahnen.

Die Linke

Die Linke schneidet beim Parteiencheck hingegen durchweg positiv ab. Zwar stellt die Partei in ihrem Europawahlprogramm Klimaschutz in der Reihenfolge hinter der Sozialpolitik an, doch in Kapitel sechs wird es konkret. Dort fordert sie einen sofortigen Stopp der Subventionen für fossile Energien und Atomkraft und nennt weitere konkrete Ziele für die Zukunft:

  • Ziele bis 2030: 45 Prozent Erneuerbare Energien am Verbrauch; Senkung aller klimaschädlichen Treibhausgasemissionen um mindestens 65 Prozent; Senkung des Primärenergieverbrauchs gegenüber dem Jahr 2000 um 40 Prozent; ein vollständiger Kohleausstieg
  • Ziele bis 2040:  100 Prozent Erneuerbare Energien am Verbrauch
  • Ziele bis 2050: Senkung aller klimaschädlichen Treibhausgasemissionen um mindestens 95 Prozent; Senkung des Primärenergieverbrauchs gegenüber dem Jahr 2000 um 60 Prozent
  • Zeitnah: sofortiger Ausstieg aus der Atomenergie; Abkehr vom Emissionshandel und stattdessen nationale Abschaltpläne für Kohlekraftwerke in Verbindung mit europäischen bzw. regionalen CO2-Mindestpreisen bzw. Begrenzungen von Volllaststunden für jeweils verbliebene Kohlemeiler; kein weiterer Ausbau von Importinfrastruktur für Erdöl und Erdgas

Es sind sehr ehrgeizige Ziele, die die Linke in ihrem Programm nennt. Doch im Vergleich zu den Grünen kommen die Forderungen oftmals weniger detailliert daher. Auch war das Abstimmungsverhalten der Linken in der bisherigen Legislaturperiode weniger positiv bezüglich konsequentem Klimaschutz.

So stimmten die Abgeordneten im EU-Parlament im Durchschnitt zu 59 Prozent für eine stärkere europäische Energie- und Klimapolitik. Martin Schirdewan, neben Özlem Demirel Spitzenkandidat der Linkspartei, kommt dabei auf 64 Prozent. Für die nächste Legislaturperiode fordert Schirdewan derweil gegenüber der Tageszeitung taz: „Die Interessen der Menschen und der Umwelt müssen die Hauptrolle spielen und nicht Unternehmensinteressen.“ 

SPD

Sehr viel klarer als Schirdewan, hat Udo Bullmann, einer der Spitzenkandidaten der SPD, in der Vergangenheit für konsequenten Klimaschutz im Europäischen Parlament gestimmt. Mit 85 Prozent liegt er an der Spitze der Sozialdemokraten, die insgesamt im Durchschnitt zu 63 Prozent für eine stärkere Energie- und Klimapolitik der EU gestimmt haben. Und die zweite Spitzenkandidatin der SPD, Katharina Barley, lobte jüngst sogar die Fridays for Future-Bewegung. „Wir sollten junge Menschen in ihrem politischen Engagement bestärken. Besonders bei den Zukunftsthemen wie Klimaschutz“, so Barley.

Bei der Nennung konkreter Ziele für die Zukunft ist die SPD jedoch nicht so klar und forsch, wie es Linke und Grüne sind. Dabei fehlen vor allem klare Bekenntnisse zu einem baldigen Kohle- und Atomausstieg sowie Positionen zur Zukunft von Erdöl und Erdgas. Klar benennen sie in ihrem Europaprogramm in Kapitel 7 nur:

  • Ziele bis 2030: Treibhausgasminderung um 45 Prozent gegenüber 1990; Ziel der Energieeffizienz von 32,5 Prozent  
  • Ziele bis 2050: Treibhausgasneutralität

CDU/CSU

Die Union verzichtet hingegen vollständig auf die Nennung konkreter Ziele in ihrem Europawahlprogramm und verweist lediglich darauf, die Ergebnisse der UN-Klimakonferenzen von Paris und Kattowitz zu „konkretisieren.“ Dabei geht es CDU und CSU vor allem um eine Versöhnung von „Ökonomie und Ökologie.“ Auch sind die Parteien in ihrem Programm voll des Lobes für das bisher Erreichte beim Klimaschutz in der EU.

Die Analyse von DNR und CAN zeigt jedoch, dass Unionsabgeordnete im Europäischen Parlament in sehr geringem Maße für konsequenten Klimaschutz gestimmt haben. In nur 13 Prozent der Fälle stimmten Abgeordnete der CDU für eine stärkere Energie- und Klimapolitik der EU – in den Reihen der CSU waren es nur 12 Prozent. Manfred Weber, Spitzenkandidat der Union, kommt hier auf 17 Prozent.

FDP

Nur geringfügig besser als bei der Union sieht es bei der FDP aus. Deren Abgeordnete im Europaparlament stimmten nur in 14 Prozent der Fälle für konsequenteren Klimaschutz. Und auch das Wahlprogramm der FDP für Europa zeigt sich weitab von konsequentem Klimaschutz. So ist unter anderem die Rede davon, dass „EU-Mitgliedstaaten im eigenen Land nicht erreichte CO2-Einsparungsziele gegen die Finanzierung von ebenso wirksamen, aber kostengünstigeren CO2-Einsparungen in Ländern außerhalb der EU verrechnen können.“ Zwar bekennt sich die FDP vordergründig ebenso zu den Pariser Klimazielen, stellt davor aber ein „gesundes Wirtschaftswachstum,“ welches künftig nachhaltig vom Treibhausgasausstoß entkoppelt werden soll.  

Globale Erwärmung als wichtiges Kriterium für die Wahlentscheidung

Mit ihren wenig konkreten Forderungen für mehr Klimaschutz könnten Union und FDP eine harte Landung bei der Europawahl vom 23. bis 26. Mai vollziehen. Denn einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos MORI zufolge sehen bis zu 77 Prozent der potenziellen Wähler die globale Erwärmung als wichtiges Kriterium für ihre Wahlentscheidung an.

Dies scheinen neben den Grünen inzwischen auch SPD und Linke erkannt zu haben. Doch während das Wahlprogramm der Linke Hoffnung macht, enttäuscht das Programm der SPD eher, insbesondere in der Frage nach einem Kohleausstieg. Den vollmundigen Ankündigungen von Katharina Barley werden sie damit nicht gerecht. Manuel Först


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