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Hambacher WaldWie die Landesregierung für RWE den Wald räumte

Bild einer Baumkrone, die voller Teile, wie Planen und Tücher, aus einem ehemaligen Baumhaus hängen.
Am Ende der Räumung blieben nur die Reste der ehemals weitverzweigten Baumhäuser in den Baumwipfeln hängen. Doch es haben sich inzwischen viele neue Baumhausgruppen gebildet. (Foto:  © Clemens Weiß)

Zwei Gutachten bringen ans Licht, was bisher nur vermutet wurde: Die rechtliche Grundlage für die Räumung des Hambacher Waldes im letzten Jahr war eine Farce. Das Innenministerium NRWs suchte offenbar händeringend nach Gründen für den Polizeieinsatz.

30.08.2019 – Monatelang hielt die NRW-Landesregierung die Gutachten, die Grundlage der Räumung der Baumhäuser im Hambacher Wald waren, unter Verschluss. Deswegen klagte der Klimaaktivist Daniel Hofinger auf Herausgabe dieser Gutachten. „Alle hatten ja immer schon so ein diffuses Gefühl, dass dieses Brandschutzargument, dass jetzt die Baumhäuser nach sechs Jahren aus Brandschutzgründen geräumt werden müssen, irgendwie nicht ganz den Kern der Sache trifft“, so Hofinger, der bei Ende Gelände aktiv ist. Mit Unterstützung von Innenminister Herbert Reul, erklärte Bauministerin Ina Scharrenbach die Baumhäuser damals zu baulichen Anlagen, bei denen die Brandschutzanforderungen nicht genügten.

Eine Rechtsgrundlage, die zuvor offensichtlich niemanden in den Behörden interessierte. Selbst unter dürrebedingter Waldbrandgefahr, die in den Monaten zuvor herrschte, kam niemand auf die Idee, die Baumhäuser hinsichtlich ihrer Brandschutzanforderungen zu überprüfen. Mehr noch: Aktivisten aus dem Wald berichteten, wie wenige Wochen vor der Räumung Polizisten bei einem kleineren Einsatz zahlreiche Feuerlöscher beschlagnahmten, die bei einem Brand geholfen hätten.

Warum die NRW-Landesregierung plötzlich mit dem Baurecht argumentierte? – dafür hatten die Kohlegegner schnell eine Erklärung: RWE übte Druck auf die Landesregierung aus, da der Energiekonzern ab Oktober 2018 auch den restlichen Wald roden wollte. Klar ist: am 02. Juli 2018 stellte RWE Anträge auf Räumung bei den Gemeinden Kerpen und Merzenich. Diese lehnten jedoch den Antrag am 01. August ab, da eine Rechtsgrundlage nicht gegeben sei. Danach wurde die Landesregierung aktiv, wie die nun veröffentlichten Gutachten belegen, denn die Klage von Daniel Hofinger hatte Erfolg. Um einem Rechtsstreit zu entgehen, legte die Landesregierung die entsprechenden Papiere offen. Auf deren Herausgabe hatten auch der WDR und die Grüne Fraktion im Landtag gedrängt.

Vor allem das erste Gutachten hat es in sich

Und während das zweite Gutachten die Einzelheiten des geplanten Vorgehens nach dem Baurecht klärt, hat es vor allem das erste Gutachten in sich, welches vom Innenministerium NRWs in Auftrag gegeben wurde. „Jetzt haben wir endlich den Beweis. Jetzt haben wir schwarz auf weiß abgedruckt, dass es der Landesregierung um jeden Preis darum ging Argumente zu konstruieren Jetzt haben wir schwarz auf weiß abgedruckt, dass es der Landesregierung um jeden Preis darum ging Argumente zu konstruieren, die ein Einschreiten gerechtfertigten“, so Hofinger mit Blick auf das erste Gutachten. Denn dort ging es einzig darum Gründe für einen Polizeieinsatz zu finden, trotz ablehnender Haltung der zuständigen Behörden. Dabei überprüften die beauftragten Experten von der Rechtsanwaltskanzlei Baumeister mehrere Szenarien auf ihre Rechtsgrundlage und schmetterten fast alle Überlegungen ab, wie der WDR analysiert.

So wird eine mögliche Straftatenverhütung überprüft, die ein Eingreifen erforderlich macht, wenn es sich bei den festzusetzenden Personen um „kriminelle, kriminologische, gefährdete oder gefährliche Milieus handelt”. Doch die Gutachter kommen mit Blick auf die Aktivisten im Hambacher Wald zu dem Schluss, dass dies „nicht frei von Zweifeln“ sei. Auch Aufenthaltsverbote könnten nicht ausgesprochen werden, da diese „unterhalb der Schwelle zur Straftat nicht eingesetzt werden“ dürfen. Eine Polizeiliche Vollzugshilfe entbehre ebenfalls jeder rechtlichen Grundlage, da niemand um Hilfe gerufen habe. Außerdem müsse der Einsatz von Polizeikräften „auf Eil- und Notfälle beschränkt“ bleiben. Auch von weiteren Überlegungen raten die Rechtsanwälte ab. Doch niemand habe sich gefragt, ob einfach nicht geräumt werden sollte, wenn die Rechtsgrundlage fehlt, sondern es wurde immer weiter gesucht, so Hofinger.

Reul sagte offensichtlich nicht die Wahrheit

Und schließlich fanden die Gutachter im Baurecht einen vermeintlichen Grund, der zur Räumung im vergangenen Jahr führte. Offensichtlich der einzig mögliche Grund von vielen, der damit klar als vorgeschoben gelten kann. Dabei hatte Herbert Reul am 23. September 2018 gegenüber dem WDR beteuert, dass die Räumung nicht mit der geplanten Rodung des Waldes zu tun habe. Es sei „Gefahr im Verzug“. Nur darum ginge es, so Reul damals. Die intensive Suche nach einer Rechtsgrundlage bescheinigt jedoch andere Beweggründe.

Ein interessanter Nebenaspekt dabei: Das erste Gutachten ist auf den 09. August datiert, obwohl der Auftrag der Landesregierung erst am 10. August offiziell erteilt wurde. Darüber hinaus ist der genaue Wortlaut der Auftragsvergabe durch das Innenministerium weiterhin nicht bekannt. Für Hofinger ergeben sich jetzt mehr Fragezeichen als vorher. Er appelliert an den Düsseldorfer Landtag einen Untersuchungsausschuss einzurichten, der Sachfragen klärt und Licht ins Dunkle bringt. mf      


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