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KohleausstiegZweifelhafte Milliarden für RWE und LEAG

Der Tagebau Jänschwalde
Noch bis 2023 baut die LEAG im Tagebau Jänschwalde Kohle ab. Die Kraftwerke in der Lausitz sollen zum Teil noch bis 2038 laufen.  (Bild von Jörg Peter Rademacher auf Pixabay)

Neue Berechnungen zeigen: RWE und LEAG könnten für den Kohleausstieg fast zwei Milliarden Euro zu viel erhalten. Klimaschützer kritisieren die dunklen Geschäfte zwischen Politik und Kohleindustrie und hoffen auf eine Vertagung des Kohlegesetzes.

02.07.2020 – Morgen – kurz vor der Sommerpause – soll es im Bundestag verabschiedet werden: das Kohleausstiegsgesetz. Kritiker bezeichnen es als Kohleeinstiegsgesetz. Verträge des Staates mit den Kraftwerksbetreibern riskieren, dass der Stilllegungspfad nicht verändert und an neue Realitäten angepasst wird. Aus rein wirtschaftlichen Gründen würden die Kohlekonzerne wohl viel früher aus der Kohle aussteigen. Neueste Berechnungen des Öko-Instituts zeigen, dass RWE und LEAG – Stand heute – bis zu zwei Milliarden Euro zu viel vom Staat erhalten.

Mit 4,35 Milliarden beziffert das Bundeswirtschaftsministerium die ausgehandelten Entschädigungen für RWE und LEAG. 2,6 Milliarden soll RWE erhalten, 1,75 Milliarden die LEAG. Dabei geht es um Entschädigungen für entgangene Gewinne in der Zukunft und die Finanzierung von Tagebaufolgekosten. Doch wie diese immensen Summen zustande gekommen sind, wollte das Wirtschaftsministerium auf Nachfrage von Spiegel Online nicht sagen. „Die Entschädigungen sind das Ergebnis eines intensiven Verhandlungsprozesses“, heißt es nur aus dem Ministerium.

Doch die LEAG erhält laut Schätzung des Öko-Instituts eine Milliarde zu viel. Bei der RWE könnte die Entschädigung von 2,6 Milliarden stimmen, aber nur wenn Umbau und Renaturierung der Tagebaue wirklich zwei Milliarden Euro in Anspruch nehme. Der Beweis dafür fehlt dem Öko-Institut. Belegbar ist nur eine Milliarde. Demnach könnte auch RWE fast eine Milliarde zu viel an staatlicher Entschädigung erhalten.

Die berechnete Differenz von bis zu zwei Milliarden Euro liegt, neben den Umbaukosten für die rheinischen Tagebaue, vor allem an den künftigen Erträgen der Braunkohle und Kosten für CO2-Zertifikate. Der Europäische Emissionshandel treibt die Kosten der Braunkohleverstromung in die Höhe und Finanzinstitute ziehen ihr Geld zunehmend aus dem Kohlegeschäft raus.

Auch wurde die Kohlewirtschaft bislang stark subventioniert. Doch EU-Regularien schränken staatliche Beihilfen immer weiter ein. Kohle-Bergwerke dürfen schon seit Anfang letzten Jahres keine Subventionen mehr erhalten. Ab 2025 ist es EU-Ländern verboten Subventionen für Kohlekraftwerke im Rahmen von Kapazitätsmechanismen bereitzustellen. Diese sollen bislang sicherstellen, dass in Ausnahmesituationen genügend Energie zur Verfügung steht.

Doch das erhält unrentable Kohlekraftwerke künstlich am Leben und behindert den Ausbau Erneuerbarer Energien und Speicherkapazitäten. Dabei sind schon heute Bau und Betrieb regenerativer Energienanlagen meist günstiger als der Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken – die ökologischen Folgekosten noch nicht einmal mit einberechnet.

Transparenz Fehlanzeige

Mit Blick auf die Entschädigungszahlungen für RWE und LEAG erklärte Felix Matthes vom Öko-Institut gegenüber Spiegel Online: „Wir brauchen eine klare Entschädigungsformel, eine unabhängige und transparente Prüfung der Entschädigungstatbestände und eine Anpassung der Entschädigungssummen nach Marktlage.“

In Auftrag gegeben hat die Studie die Klima-Allianz Deutschland. Deren Leiterin für Energiepolitik ergänzte: „Würde die Bundesregierung die teils katastrophale Ertragslage der Kohlekraftwerke berücksichtigen, müsste sie die Entschädigungen deutlich senken und Stilllegungen beschleunigen.” Die weitere Kritik richtet sich vor allem an die intransparenten Verhandlungen zwischen Politik und Kohlekonzernen.

Thomas Banning Vorstandsvorsitzender der NATURSTROM AG konstatierte, dass die ausgehandelten Entschädigungszahlungen einmal mehr „die besondere Sympathie der großen Koalition für die alten Konzerne“ zeigen. Passenderweise gab es gestern vielfältige Proteste in Berlin. Ende Gelände und Extinction Rebellion blockierten die Parteizentrale der SPD und Greenpeace verhüllte die CDU-Zentrale mit schwarzem Stoff. Symbolisch verwandelten sie die Parteizentrale damit in ein dunkles Hinterzimmer. Auf einem Plakat mit dem Abbild von Wirtschaftsminister Altmaier kritisierten sie die CDU für „Dunkle Geschäfte mit der Kohleindustrie“.

„Für die nächste, bereits heranwachsende Generation jedenfalls zeigen die Politiker an der Macht keine Verantwortung, das ist geradezu traurig mitanzusehen“, so Banning. Die jungen Klimaaktivsten von Fridays for Future zeigen indes mit einer ganzen Aktionswoche was sie von Großer Koalition und Kohlegesetz halten. Vor dem Bundeswirtschaftsministerium haben sie eine „Galerie des Scheiterns“ aufgebaut und heute Nachmittag wollen sie mit einer großen Fahrraddemo durch Berlin gegen die #GroßeKohleKoalition demonstrieren.

Damit die Menschen auch von Zuhause aus aktiv werden können, ruft Fridays for Future dazu auf den für seinen Wahlkreis zuständigen Abgeordneten zu kontaktieren und Druck auszuüben. „Wenn wir jetzt laut genug sind, könnte der Beschluss auf nach die Sommerpause verschoben werden,“ schreiben die Aktivisten in ihrem Aufruf, in der Hoffnung dann genug Zeit zu haben das Gesetz nachzujustieren und klimagerecht zu gestalten. mf


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Kommentare

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Uwe F. 13.07.2020, 17:20:56

+103 Gut Antworten

Guten Tag,

diese Verlautbarungen sind an offenkundiger Scheinheiligkeit leider nicht zu überbieten!

Andere in Misskredit bringen, damit es der eigenen Sache nützt. Nachtigall...

Wo sind wir nur hingekommen? So etwas sollte verboten/bestraft werden. Ist natürlich völlig unrealistisch.

Kein offener und ehrlicher Diskurs indes mehr.

Weltweit sind - trotz eines Rückganges - immer noch hunderte Kohlekraftwerke in Planung und Bau.

Es ist vollkommen realitätsfern zu glauben, dass diese vielen Neubaukraftwerke - irgendwelchen Beispielen folgend - vor einer Amortisierung abgeschaltet werden.

Es trägt religiöse Züge (mit auf eigene Geschäfte bedachtem Hintergrund) was Sie hier insgesamt betreiben. Simpel und durchsichtig. Ohne realistische Lösungen für das große Ganze. Einfach nur schlimm.

MfG

Uwe F.


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