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KohlenstoffspeicherVor allem alte Wälder könnten viel mehr CO2 speichern

Primärwälder mit einer großen Artenvielfalt und hohem Totholzanteil speichern besonders viel CO2
Wälder können viel CO2 speichern, am meisten, wenn sie alt und artenreich sind. (Foto: energiezukunft / Petra Franke)

Die Wiederherstellung natürlicher Wälder könnte rund 226 Gigatonnen Kohlenstoff zusätzlich binden – und damit mehr als gedacht. Allerdings nur dann, wenn die Menschheit auch ihre Emissionen stark reduziert und für die biologische Vielfalt kämpft.

17.11.2023 – Weltweit könnten Wälder rund 226 Gigatonnen Kohlenstoff zusätzlich binden. Zu diesem Fazit kommt eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde. Die Studie unterstreicht die entscheidende Bedeutung der Erhaltung, Wiederherstellung und nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern für das Erreichen der internationalen Klima-​ und Biodiversitätsziele. Die Forschenden betonen, dass dieses Potenzial durch Anreize für gemeinschaftliche Anstrengungen zur Förderung der Biodiversität erreicht werden kann. An der Studie waren Hunderte von Wissenschaftlern aus aller Welt beteiligt.

Speicherpotenzial von Wäldern wird kontrovers diskutiert

Das CO₂-Speicherpotenzial von Wäldern ist ein kontrovers diskutiertes Thema. Eine ähnliche Studie, die vor vier Jahren in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde, ergab, dass durch Wiederaufforstung über 200 Gigatonnen Kohlenstoff gebunden werden könnten – was etwa 30 Prozent des vom Menschen in die Atmosphäre freigesetzten Kohlenstoffs entspricht.

Damit entbrannte nicht nur eine wissenschaftliche Debatte über die Rolle der Natur im Kampf gegen den Klimawandel. Während weitere Studien die Ergebnisse bestätigten, warnten andere davor, dass das Speicherpotenzial um das Vier-​ bis Fünffache überschätzt worden sein könnte. Die Studie weckte zudem Bedenken bezüglich der negativen Auswirkungen von Massenaufforstungen, Kohlenstoffkompensationsprogrammen und Greenwashing.

Um dieses kontroverse Thema anzugehen, hat sich ein internationales Team von hunderten Forschenden unter der Leitung des Crowther Lab der ETH Zürich zusammengeschlossen und das Speicherpotenzial von Wäldern neu bewertet. Dazu verwendeten die Forschenden eine breite Palette von Ansätzen, einschließlich umfangreicher bodengestützter Datenaufnahmen und Satellitendaten.

Wege zu vollem CO₂-Speicherpotenzial der Wälder

Aufgrund der fortschreitenden Entwaldung liegt das Kohlenstoff-​Speichervermögen der Wälder weltweit um etwa 328 Gigatonnen unter seinem natürlichen Potenzial. Einen Großteil der gerodeten Flächen nutzt der Mensch mittlerweile für Siedlungen und die Landwirtschaft. Außerhalb dieser Gebiete, in nur dünn besiedelten Regionen, könnte die Renaturierung von Wäldern den Forschenden zufolge noch rund 226 Gigatonnen Kohlenstoff binden. Etwa 61 Prozent dieses Potenzials können erreicht werden, indem bestehende Wälder geschützt werden und sich bis zur natürlichen Reife erholen können. Die restlichen 39 Prozent können durch die Wiedervernetzung fragmentierter Waldlandschaften, durch nachhaltiges Management und Wiederherstellung von Ökosystemen erreicht werden.

„Die meisten Wälder der Erde sind stark geschädigt. Die meisten Menschen waren noch nie in einem der wenigen Primärwälder, die es noch gibt», erklärt Lidong Mo, einer der Hauptautoren der Studie. „Um die Biodiversität weltweit wiederherzustellen, muss vor allem die Entwaldung gestoppt werden.“

Die neuen Daten zeigen weiter, dass ungefähr die Hälfte des globalen Speicherpotenzials von Wäldern von der Biodiversität abhängt. Daher betonen die Forschenden, dass Maßnahmen zur Wiederherstellung auf die natürliche Artenvielfalt abzielen müssen, um das volle Speichervermögen zu erreichen. Unterstützend könnten nachhaltige Land-​ und Forstwirtschaft sowie die Förderung von Biodiversität den Erfolg maximieren.

Wiederherstellung neu definiert und mit Blick auf lokale Gemeinschaften

Die Autorinnen und Autoren betonen, dass verantwortungsvolle Wiederherstellung von Ökosystemen eine grundlegend gesellschaftliche Aufgabe ist. Sie beinhaltet zahlreiche Einzelschritte, wie die Ausweisung und Erhalt von Schutzgebieten, die natürliche Regenerierung, Renaturierung, Forstwirtschaft, Agroforstwirtschaft und alle anderen von der Gemeinschaft getragenen Bemühungen zur Förderung der Biodiversität. Nötig ist dazu eine gerechte Entwicklung, die durch Richtlinien vorangetrieben wird, welche die Rechte lokaler Gemeinschaften und indigener Völker priorisieren.

„Wir müssen bei vielen Menschen ein neues Verständnis von Wiederherstellung verankern“, sagt Thomas Crowther, leitender Autor der Studie und Professor an der ETH Zürich. „Wiederherstellung bedeutet nicht, massenhaft Bäume zu pflanzen, um Kohlenstoffemissionen auszugleichen. Wiederherstellung bedeutet, den Wohlstand zu Millionen von lokalen Gemeinschaften, indigenen Völkern und Bauern umzulenken, die weltweit die biologische Vielfalt fördern. Nur wenn eine gesunde Artenvielfalt zur bevorzugten Wahl für lokale Gemeinschaften wird, erreichen wir langfristig als positiven Nebeneffekt das volle CO₂-Speicherpotenzial.“

Das Wissenschaftsteam kommt weiter zum Schluss, dass umweltgerechte Wiederherstellung nicht andere Ökosysteme, die von Natur aus waldfrei sind, wie Tundren oder Grasländer, umfassen darf. „Bei der globalen Wiederherstellung von Natur geht es nicht nur um Bäume“, sagt Constantin Zohner, Senior Scientist an der ETH Zürich. „Wir müssen die natürliche Biodiversität aller Ökosysteme, die für das Leben auf der Erde wichtig sind, schützen – dazu zählen auch Wiesen, Moore oder Feuchtgebiete.“

Die Natur als Verbündete im Kampf gegen den Klimawandel

Die Studie beleuchtet die entscheidende Bedeutung natürlicher, vielfältiger Wälder, die bis zu 30 Prozent des vom Menschen verursachten Kohlenstoffs binden könnten. Wiederherstellungsmaßnahmen ersetzen jedoch keine der Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen aus fossilen Brennstoffen. Wenn der Treibhausgasausstoß weiter steige, so warnt die Studie, würden Wälder durch anhaltende Dürren, Waldbrände und die Erderwärmung bedroht. Dies würde auch ihr Kohlenstoff-​Speichervermögen massiv schmälern.

„Meine größte Befürchtung ist, dass Unternehmen die Erkenntnisse unserer Studie missbrauchen, um ihre Treibhausgasemissionen nicht senken zu müssen. Aber je mehr Treibhausgase wir ausstoßen, desto grösser ist die Gefahr für Mensch und Natur. Wir können allerdings nicht wählen, ob wir Emissionen senken oder die Natur schützen wollen – beides ist dringend nötig. Wir brauchen die Natur für das Klima und wir brauchen Klimaschutz für die Natur“, betont Crowther. pf


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Kommentare

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Mika 17.11.2023, 08:04:11

Was ja sich verheerend auswirkt und es kaum jemand auf der Rechnung hat: Werden Wälder abgeholzt, wie es ja rund um den Globus geschieht, in immer schnelleren Tempo, dann wird das gespeicherte CO2 aus den Bäumen wieder freigesetzt. Egal was mit den Bäumen gemacht wird. Ob für die Möbelindustrie, für den Kamin oder zum Häusle bauen, die gespeicherte Menge CO2 im Baum wird dann wieder in die Atmosphäre gebracht. Also ist es doppelt gefährlich Wälder abzuholzen. Es fehlen dann die Speicher und es wird CO2 wieder freigesetzt.

Habe ich verlinkt, ihr habt eine interessante und immer sehr aktuelle Seite. Schaue ich gerne rein.

https://www.mika71.com/


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