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Wiederaufbau nach der FlutWarum aus dem Ahrtal vorerst kein Solartal wird

Geröll und Müll 8 Tage nach der Flut im Ahrtal
Die Schäden im Ahrtal sind enorm, aber auch eine Chance, den Wiederaufbau stringent am Klimaschutz auszurichten. Doch die Politik zieht nicht mit. (Foto: Bettina Vier auf Wikimedia / CC BY-SA 4.0)

Die Politik hat versäumt, die Finanzhilfen zum Wiederaufbau im Ahrtal am Klimaschutz auszurichten. Dem Infrastruktur-Konzept „Ahrtal wird Solahrtal“ fließen mit dieser Begründung keine Gelder zu. Ein ambitioniertes Vorzeigeprojekt wird kaltgestellt.

24.06.2022 – Ein Schildbürgerstreich – so könnte man nennen, was gerade im Ahrtal geschieht, doch würde dies die Tragweite des politischen Versagens verharmlosen. Anstatt aus der zerstörten Region im Zuge des Wiederaufbaus eine Region mit moderner klimagerechter Infrastruktur zu machen, wie es ein breites Aktionsbündnis vorschlägt, werden Gelder nach einer Verordnung verteilt, die das Wort Klimaschutz und Erneuerbare Energien nicht enthält.

Schon kurz nach der verheerenden Katastrophe im Ahrtal formierte sich eine Initiative aus Bürgerinnen und Bürgern, politischen Akteuren und Vertretern von Unternehmen und Vereinen, um den Wiederaufbau im Ahrtal unter den Aspekt des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit zu stellen.

Im August 2021 skizzierte der Vertreter der Freien Wählergemeinschaft Jochen Seifert die Grundidee dieses Weges und stellte im Landkreis Ahrweiler den Antrag, eine Projektgruppe zu installieren und mit den zuständigen Landes- und Bundesbehörden zu vernetzen. Der Runde Tisch Erneuerbare Energien mit seinen 25 Nichtregierungsorganisationen setzte sich dafür ein, den Wiederaufbau mit 100 Prozent Erneuerbaren Energien zu schaffen und damit ein deutschlandweites, wenn nicht sogar europaweites Vorzeigeprojekt für die Energiewende und den Klimaschutz zu etablieren.

Gemeinsamer Projektvorschlag für klimaneutrale Infrastruktur

Inzwischen wurde daraus eine facettenreiche und von vielen Akteuren unterstützte Initiative: „Aus Ahrtal wird SolAHRtal“ – so ihr einprägsamer Name. Seit Mai 2022 liegt ein ausgearbeiteter Projektvorschlag der Initiative vor, der neben dem Aufbau einer klimaneutralen Infrastruktur, auch Teilhabe und Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern und Zusammenarbeit aller Beteiligten vor Ort vorsieht.

“Wichtig ist, dass beim Wiederaufbau nicht nur der Hochwasserschutz berücksichtigt wird, sondern die Gebäude und Infrastruktur auch auf 100 Prozent erneuerbare Energien umgerüstet werden,” formulierte Urban Weber von der TH Bingen. “Vor allem bei der Wärmeversorgung gilt es, durch geeignete Fördermaßnahmen und zielgerichtete Beratungsangebote einen Wandel zu fossil-freien Heizsystemen zu fördern, da nur so die Klimaziele erreichbar sind.”

Das Konzept stieß auf großes Interesse, sollte doch vorgemacht werden, wie eine integrierte kommunale Infrastrukturplanung funktionieren kann. Auch von Politikerinnen und Politikern wurde es positiv kommentiert. Allein: es fehlt der Startschuss!

Bisher ohne Finanzierung

Die Gründe dafür sind einfach erzählt, aber schwer zu verdauen: Die zuständige Staatssekretärin im Innenministerium des Landes Rheinland-Pfalz Nicole Steingaß, verwehrt dem Ansinnen die Unterstützung, weil es nicht konform mit den geschaffenen gesetzlichen Grundlagen zur Verwendung der Mittel aus dem Fonds Aufbauhilfe 2021 stehe.

Juristisch mag sie Recht haben – doch ist hier eindeutig die Politik der Verursacher der folgenschweren Lücke. Im Gesetz finden sich keine Vorgaben zur Priorisierung von Klimaschutz und einer modernen auf erneuerbare Energien aufgebauten Infrastruktur. Anstatt eine rechtliche Grundlage zu schaffen, die diese Ziele adressiert, wurde im Wesentlichen eine Vorlage von 2013 wiederverwendet.

30 Milliarden Euro haben Bund und Länder zum Wiederaufbau in den betroffenen Regionen bereitgestellt. Gut die Hälfte davon soll in die betroffenen Regionen in Rheinland-Pfalz fließen. Mit deutscher Akribie sind Voraussetzungen zur Mittelvergabe formuliert, nur der Klimaschutzgedanke fehlt völlig. Eine letzte bittere Pille der alten Bundesregierung.

Jochen Seifert übt Kritik: „Bei allem Verständnis für schnelle Soforthilfe: Jetzt, ein Jahr später, gibt es immer noch keine Finanzierung für ein Konzept, das den ganzen Landkreis und den Klimaschutz gleichzeitig in den Blick nimmt.“

Die parteilose Landrätin Cornelia Weigand habe unverbindlich den Ausbau Erneuerbarer Energien im Landkreis als eines ihrer Ziele genannt, bisher aber kein Gespräch mit der Koordinierungsgruppe der Initiative geführt. Dabei wäre es jetzt an der Zeit, die thematischen Arbeitsgruppen beispielsweise zu Wärme, Wind- und Solarkraft sowie Biomasse und Landnutzung ins Leben zu rufen und mit der konkreten Arbeit zu beginnen. Die Gründung einer Innovationsgesellschaft, unter deren Dach sich auch die Initiative einfinden sollte, ist bisher ebenfalls nicht erfolgt. "Es steht zu befürchten, dass alte fossile Strukturen mit Wiederaufbaugeldern neu errichtet werden und die Chance für einen klimagerechten Neuanfang vertan wird“, mahnt Seifert.

Haushaltsfachmann und Mitinitiator der Solahrtal-Initiative Rainer Doemen bewertet das bisherige Verhalten von Entscheider:innen so: „Der Umbau des Energiesystems auf Erneuerbare Energien muss überwiegend in den Städten, Gemeinden und Landkreisen erfolgen. Doch fehlen dafür klare Vorgaben. Dies gilt auch für einen nachprüfbaren Bewertungsmaßstab, wie das national verfügbare Treibhausgas-Budget. Diese Gemengelage führt dazu, dass weder Bund noch Land, Kreis oder Gemeinde ernsthaft und entschlossen handeln.“ pf


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Kommentare

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Mathias Behr 25.06.2022, 13:06:49

Wirklich zum Heulen, dank deutscher Nicht-Flexibilität und Beton-Köpfen an den Schaltstellen werden großartige Chancen liegen gelassen und intelligente Vorarbeit mit herausragender Arroganz ignoriert....bitte so einen Hauch China...machen statt labern...

Thorsten Barth 06.07.2022, 10:46:58

Unfassbar. Ein Jahr nach der Katastrophe, nach unzähligen Klimademos, und mitten im Krieg werden immer noch Gasheizungen eingebaut. Manchmal denke ich darüber nach, ob die Menschheit sich nicht völlig zurecht ausrottet, um Platz für eine intelligentere Spezies zu machen.


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