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Winter im AnthropozänWenn es Mikroplastik schneit

Fußspuren im Tiefschnee
Der Fußabdruck des Menschen reicht bis in den Schnee der Arktis. Und selbst da, wo noch kein Mensch gegangen ist, etwa auf Eisschollen im Polarmeer, finden sich Spuren der Zivilisation – in Form von Mikroplastik. (Foto: pxhere / CC0 1.0)

Von den Alpen bis zur recht menschenleeren Arktis haben Forscher im Schnee erstaunlich hohe Mengen an Mikroplastik gefunden. Die Kleinstpartikel werden auf weiten Strecken durch die Luft transportiert. Wir atmen sie wohl dementsprechend auch ein.

17.08.2019 – Sie finden sich in den Meeren, an entlegenen Küsten und Bergregionen, selbst auf treibenden Eisschollen im Polarmeer: winzige Plastikteilchen. Wie das Mikroplastik in die Arktis gelangt, hat ein Forschungsteam des Alfred-Wegener-Instituts auf Helgoland neu untersucht und berichtet darüber in der Fachzeitschrift Science Advances.

Mikroplastik im Eis der Arktis wurde bereits vor einigen Jahren nachgewiesen. Den Forschern stellte sich die Frage, wie es dorthin gelangen konnte. Der Wasserweg lag nahe – zumal Mikroplastik in Flüssen und Meeren weltweit gefunden wurde.  Zweite Möglichkeit: der Luftweg. Dass Mikroplastik durch die Luft transportiert wird, ist grundsätzlich auch nicht ganz neu. Dass die Kleinstpartikel aber in solch erheblichen Mengen über die Atmosphäre bis in die entlegensten Gebiete der Erde transportiert werden und sogar in Schneeproben von Eisschollen, die zwischen Grönland und Spitzbergen treiben, zu finden sind – das hat die Forscher doch überrascht. Schnee spiele dabei eine wichtige Rolle, so ein Ergebnis der Forscher.

Schneeflöckchen im Plastikröckchen, jetzt kommst du geschneit

Bislang hatten Wissenschaftler vor allem Staubablagerungen nach Plastikpartikeln untersucht. Denn auch Staub wird über weite Entfernungen transportiert und enthält dabei kleinste Plastikpartikel – etwa Wüstensand aus der Sahara. Schnee wasche das Mikroplastik aber wohl besonders effizient aus der Atmosphäre aus, berichtet das Forscherteam, daher wären die Konzentrationen in den Schneeproben viel höher als im Staub.

Zudem wende man eine neue Messmethodik an. Die Proben wurden mithilfe der Infrarotspektroskopie untersucht: Die Rückstände im geschmolzenen Schnee werden dabei mit Infrarotlicht bestrahlt. Dadurch können kleinste Teilchen erfasst werden, daraus lässt sich ein „optischer Fingerabdruck“ erstellen, der die Art des Kunststoffs verrät.

So fanden die Forscher heraus, dass es sich bei den Mikroplastikrückständen hauptsächlich um Abrieb von Lacken, verschiedensten Baumaterialien sowie Reifen handelt. Ein Teil davon stamme aus Europa, vermuten die Forscher. Als Vergleich ziehen sie den Transport von Pflanzenpollen und deren Verbreitung über die Luft heran: Von den Pollen ist bekannt, dass sie über weite Strecken, von Europa bis in die Arktis, gelangen. Und Mikroplastikteilchen haben eine ähnliche Größe wie Pollenkörner.

Je weiter weg der Mensch, desto besser für die Umwelt

Der untersuchte Schnee stammt aus den Schweizer Alpen, aus Bayern, Bremen, Helgoland und der Arktis. Je weiter weg die menschliche Zivilisation ist, desto besser für die Natur. So fanden sich in den untersuchten Schneeproben an einer Landstraße in Bayern 154.000 Partikel pro Liter, in der Arktis waren es noch knapp ein Zehntel davon. Im Schnee der Landstraße fanden die Forscher – kaum verwunderlich – vor allem Kautschuk, wie er in Autoreifen enthalten ist. In den Proben aus der Arktis war der Anteil an Nitrilkautschuk hoch: Das besonders resistente Material wird etwa für Schläuche und Dichtungen verwendet.

Wir essen und atmen Plastik

Mikroplastik im menschlichen Darm ist bereits weltweit nachgewiesen. Laut einer Studie der University of Newcastle in Australien nimmt ein Mensch im globalen Durchschnitt bis zu fünf Gramm Plastik pro Woche auf, das entspreche in etwa dem Gewicht einer Kreditkarte. Als Mikroplastik werden Plastikteilchen mit einem Durchmesser von 5 mm und kleiner bezeichnet. Die aktuelle Forschung legt den Schluss nahe, dass Mikroplastik auch über den Luftweg in den menschlichen Körper gelangt, das wäre dann vergleichbar mit Feinstaub. Dass eingeatmeter Feinstaub Herz- und Kreislauf- sowie Lungen- und Krebserkrankungen begünstigt, ist bereits untersucht und nachgewiesen worden. na


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