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Klimawandel stoppenWie die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden kann

Photovoltaikanlage, im Hintergrund schneebedeckte Berge
Das Netto-Null-Szenario zeichnet den Weg zur Klimaneutralität für die Schweiz vor. (Foto: Roy Buri / Pixabay)

Die „Energieperspektiven 2050+“ zeigen Wege, wie die Energieversorgung der Schweiz bis 2050 klimaneutral umgebaut werden kann. Alle Szenarien setzen dabei auf mehr inländische erneuerbare Energieproduktion und Energieeffizienz.

04.12.2020 – Die Schweiz will bis 2050 klimaneutral werden. Der Weg dahin wird nun in den Energieperspektiven 2050+ skizziert, die Anfang Dezember vom Schweizer Energieministerium veröffentlicht wurden. Vier große Beratungsunternehmen haben das Strategiepapier gemeinsam erarbeitet.

Die verschiedenen Szenarien unterscheiden sich in ihren Annahmen und Pfaden, zeigen jedoch, dass eine klimaneutrale und sichere Energieversorgung in der Alpenrepublik gewährleistet werden kann. Die Kernenergie soll 2050 keine Option mehr sein. Allerdings sehen die Modelle geringe Mengen Restemissionen vor.

Im Zentrum steht das Szenario „Zero Basis“, mit dem bis 2050 das Netto-Null-Ziel erreicht wird. Auch eine ausgeglichene Jahresbilanz bei der Stromversorgung, also eine Versorgung ohne Stromimporte in größerem Umfang, ist mit diesem Szenario möglich. Drei weitere Zero-Varianten bilden neben unterschiedlichen Ausbaugeschwindigkeiten der Erneuerbaren Energien unterschiedliche technologische Pfade ab.

Als Vergleich dient das Szenario „Weiter wie bisher“. Dieses Szenario basiert auf den bis Ende 2018 in Kraft getretenen Maßnahmen und Instrumenten der Energie- und Klimapolitik und bildet den Weg ohne zusätzliche politische Maßnahmen ab.

Netto-Null ist möglich

Die Analyse zeigt, dass mit den heute verfügbaren oder in Entwicklung befindlichen Technologien das Netto-Null Klimaziel erreicht werden kann. Allerdings muss dafür der Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigt und andere Maßnahmen, zum Beispiel im Gebäudesektor, zeitnah auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Naturgemäß liegen solchen Langfristszenarien Annahmen zugrunde. In diesem Fall gingen die Autoren von einer steigenden Einwohnerzahl aus, von heute 8 auf 10 Millionen Personen im Jahr 2050. Außerdem steigt demnach das Bruttoinlandprodukt im Vergleich zu 2019 um rund 38 Prozent; die zurückgelegten Kilometer pro Person nehmen um rund 17 Prozent zu, der Güterverkehr um rund 31 Prozent; die beheizten oder klimatisierten Flächen von Gebäuden steigen um etwa 17 Prozent, am stärksten bei den Haushalten und im Dienstleistungssektor.

Der Umgang mit Restemissionen

Obwohl die Haushalte, der Verkehr und der Dienstleistungssektor ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf praktisch null senken – die größte Reduktion soll es im Verkehr geben – gehen die Analysten von Restemissionen von rund 12 Millionen Tonnen im Jahr 2050 aus.

Die Netto-Null kann deshalb nur erreicht werden, wenn die unvermeidlichen Restemissionen eingelagert werden. Sie fallen hauptsächlich in der Landwirtschaft, bei der thermischen Verwertung von Abfällen und bei industriellen Prozessen an und müssen durch CO2-Abscheidungs- und Einlagerungstechnologien sowie Negativemissionstechnologien (NET) kompensiert werden.

Wärmepumpe wird das wichtigste Heizsystem

Im Gebäudesektor werden energieeffiziente neue Gebäude schwer sanierbare Altbauten ersetzen und Effizienzmaßnahmen bei Prozessen, Anlagen und Geräten sichtbare Erfolge zeigen. 2050 ist die Wärmepumpe das wichtigste Heizsystem. Aus den heute vorhandenen 300.000 Wärmepumpen sollen 1,5 Millionen werden. Zudem werden Wärmenetze ausgebaut. Überraschendes Detail: die Autoren gehen davon aus, dass durch die Klimaerwärmung der Raumwärmebedarf langfristig um rund 10 Prozent sinken wird.

Fünfmal mehr Stromverbrauch im Verkehr

Beim Stromverbrauch wird eine Steigerung von rund 11 Prozent angenommen. Das mag wenig erscheinen, wo doch viele Anwendungen elektrifiziert werden sollen – aber bei diesem Szenario sind die verbesserten Wirkungsgrade der Technologien bereits berücksichtigt. Insgesamt wird der Anteil der Elektrizität am Endenergieverbrauch kräftig steigen und im Jahr 2050 bei rund 43 Prozent liegen (2019 rund 27 Prozent). Im Verkehrssektor wird der Stromverbrauch fünfmal höher sein als heute.

2050 kommt der Strom fast ausschließlich aus Wasserkraftwerken (53 Prozent) und anderen Erneuerbaren Energien (46 Prozent). Geringe Anteile an fossiler Stromerzeugung kommen zur Jahrhundertmitte aus den Müllverbrennungsanlagen, in der Schweiz Kehrichtverbrennungsanlagen genannt.

Die Kapazität der Wasserkraftwerke soll durch Aus- und Neubau um zehn Prozent steigen. Photovoltaik ist die zweitwichtigste Energiequelle und soll vor allem in Verbindung mit Batteriespeichern ausgebaut werden. Die Windenergie kämpft ähnlich wie in Deutschland mit starken Verzögerungen bei den Bewilligungsverfahren. Erst nach 2035 rechnen die Autoren mit einer Beschleunigung des Ausbaus. Bei der Geothermie wird nur ein geringer Zubau angenommen.

Die Atomkraft wird 2034 aus der Energieerzeugung verschwinden. Dann ist das Kernkraftwerk Leibstadt 50 Jahre in Betrieb und erreicht damit das Ende seiner Laufzeit. Rein theoretisch könnte es noch länger laufen, wenn es den Sicherheitsanforderungen weiter entspricht. Das Zero-Szenario geht aber von einer Schließung 2034 aus. In dieser Phase wird die Schweiz auf Energieimporte angewiesen sein, kann sich jedoch im Folgejahrzehnt bis 2050 zumindest rechnerisch selbst versorgen. Speicherkraftwerke mit neun Gigawatt Leistung und Pumpspeicherkraftwerke mit sechs Gigawatt Leistung sollen 2050 für die nötige Flexibilität sorgen.

Nur acht Prozent mehr Investitionen notwendig

Um das Netto-Null Ziel bis 2050 zu erreichen, muss der Umbau des Energiesystems rasch vorangehen. Es braucht frühere zusätzliche Investitionen in Produktionsanlagen, Elektrofahrzeuge, Wasserstofffahrzeuge, Wärmepumpen, Wärmenetze, Gebäudesanierungen, Neubauten, Stromnetze und andere Infrastrukturen. Dafür sind Investitionen von 109 Milliarden Franken notwendig. Doch auch im „Weiter wie bisher“-Szenario sind 1.400 Milliarden Franken notwendig für die energetische Erneuerung und den Ersatz bestehender Infrastrukturen. Mithin betragen die Mehrkosten des Netto-Null-Szenarios nur acht Prozent. Gleichzeitig birgt es gewaltige Einsparungen an Energiekosten in Höhe von 50 Milliarden Franken.

Wie geht es weiter?

Die Arbeiten an den Energieperspektiven 2050+ sind noch nicht abgeschlossen, weitere Ergebnisse werden 2021 erwartet. Das Strategiepapier zeigt, welche technischen Maßnahmen zum Erfolg bei den Klimazielen führen können, gibt jedoch keine Handlungsempfehlungen an die Politik. Die politischen Maßnahmen sollen in den demokratischen Prozessen der Schweiz diskutiert und entschieden werden. pf


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