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Bits & BäumeWieso Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammenpassen

Teilnehmer der „Bits & Bäume“-Konferenz
Erste Reihe von links: Rainer Rehak (FifF), Thomas Korbun (IÖW), Rolf Buschmann (BUND), Sven Hilbig (Brot für die Welt), Maria Bossmann (DNR), Constanze Kurz (CCC), Nadine Evers (OKF); Zweite Reihe von links: Christoph Bals (Germanwatch), Nina Treu (Konzeptwerk Neue Ökonomie), Tilman Santarius (Technische Universität Berlin) (Foto: Santiago Engelhardt)

Auf der „Bits & Bäume“-Konferenz in Berlin haben rund 1.700 Teilnehmer über die Chancen und Risiken von Digitalisierung und Nachhaltigkeit diskutiert. Für die Energiewende ist das Zusammenspiel beider Themen zwar wichtig – birgt aber auch Gefahren.

20.11.2018 – Am vergangenen Wochenende sind an der Technischen Universität Berlin über 1.700 Engagierte aus der Nachhaltigkeits- sowie Netzaktivistenszene zusammengekommen. Zum ersten Mal haben sie auf der „Bits & Bäume“-Konferenz darüber diskutiert, weshalb die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit gut zusammenpassen. In zahlreichen Diskussionen, Workshops und Vorträgen wurden im Laufe der zwei Tage Ideen und Lösungen für eine zukunftsfähige Digitalisierung entwickelt.

Initiiert wurde die Konferenz von zehn Organisationen aus Umwelt- und Netzpolitik, Entwicklungszusammenarbeit und Wissenschaft, die zum Ende der Veranstaltung gemeinsam eine nachhaltige Digitalisierungspolitik forderten. Die Digitalisierung solle dem Gemeinwohl und Frieden dienen, den Datenschutz ernst nehmen und zugleich soziale wie auch ökologische Ziele fördern. Grundsätzlich sei eine nachhaltige Digitalisierung zwar machbar, dürfe aber nicht alleine der Politik und Wirtschaft überlassen werden. Wissenschaftler und die breite Zivilgesellschaft müssten diese ebenfalls mitgestalten.

Energiewende & Datenschutz

Eine Podiumsdiskussion behandelte am Samstag das Thema „Digitale Energiewende“. Die Teilnehmer diskutierten die Chancen eines „smarten“ Energiemarktes, aber auch die Risiken in Form der Verwundbarkeit des Stromnetztes und Aspekte des Datenschutzes. Bernd Hirschl, Forschungsfeldleiter und Themenkoordinator „Klima und Energie“ am IÖW, bezeichnete die Begriffe Digitalisierung und Energiewende als zwei Megatrends, die zunehmend miteinander verschmelzen und neue innovative Geschäftsmodelle hervorbringen.

Die Digitalisierung sei jedoch grundsätzlich kein Selbstzweck, sondern ein Ermöglicher, stellte Stephanie Ropenus, Projektleiterin Netze und Digitalisierung bei Agora Energiewende, fest. Deshalb gebe es viele Gründe, weswegen die Digitalisierung für die Energiewirtschaft so wichtig sei. Die Energiewende habe ein riesiges Koordinationsproblem, da sie aus einem System mit vielen dezentralen Einspeisern bestehe. An dieser Stelle könnten Kommunikations- und Steuerungssysteme helfen, Stromnachfrage und -angebot in ein Gleichgewicht zu bringen.

Digitalisierung schafft Synergien für Sektorenkopplung

Neben der Energiewende gewinnen aber auch die Wärme- und Verkehrswende eine immer größere Bedeutung. Durch die Digitalisierung könnten zunehmend Synergien für die Sektorkopplung entstehen, so Ropenus. Schließlich müsse auch zwischen den unterschiedlichen Sektoren kommuniziert werden. Außerdem ermögliche die Digitalisierung auch die Hebung von Effizienzs- und Flexibilisierungspotenzialen für die Energiewende. Dies gelte nicht nur bei den Haushalten, sondern auch bei Techniken wie etwa Power-to-Heat oder Power-to-X.

Für die Kommunikation seien Messung und Steuerung zwar notwendig, so Ropenus, trotzdem müsse die Frage gestellt werden, wie hochauflösend diese Messung überhaupt sein dürfen. Die Projektleiterin Netze und Digitalisierung gab außerdem zu bedenken, dass es inzwischen eigentlich zwei unterschiedliche Formen von Sektorenkopplung gebe. Zum einen die zwischen dem Strom-, Wärme- und Verkehrssektor, zum anderen die zwischen dem gesamten Energie- und dem Telekommunikationssektor.

Energiewende und Datenschutz auf Kollisionskurs

Neben den Chancen birgt die Digitalisierung jedoch vor allem im Hinblick auf Datenschutz und Cyber Security enorme Risiken. So befänden sich Energiewende und Datenschutz inzwischen auf einem „brutalen Kollisionskurs“, bemängelte Malte Engeler, digital- und netzpolitischer Autor sowie Richter am Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht. Smart Metering sei ja prinzipiell nichts anderes als eine Überwachung des Energieverbrauchs zur Steigerung der Effizienz. Damit gebe es jedoch automatisch Konflikte mit dem Datenschutzrecht, so Engeler. So könnten Verbrauchsdaten trotz der Datenschutzverordnung mit Einwilligung der Anschlussinhaber ausgelesen werden. Genau über diese Einwilligung sollte man jedoch noch einmal nachdenken, forderte Engeler. Es fehle an dieser Stelle auch eine klare Grenze, welche Daten überhaupt ausgelesen werden dürfen.

„Reclaim Smart City“

Bei einer weiteren Podiumsdiskussion zum Thema „Reclaim Smart City“ erörterten die Teilnehmer, wie Städte die Digitalisierung für ihre Zwecke nutzen können. Schließlich dürften urbane Ballungszentren nicht zu Techniklaboratorien von Großunternehmen werden. Vielmehr sollten lokale Gemeinschaften die nachhaltigen Räume gemeinsam gestalten. Moderne Städte müssten in Hinblick auf Ressourceneffizienz, digitaler Teilhabe sowie auch dem Gemeinwohl verändert und optimiert werden.

In ihrem Vortrag warf Geographin, Umwelt- und Stadtforscherin Sybille Bauriedl die Frage auf, wie mit nachhaltiger Stadtentwicklung Zukunft generiert werden könnte. Bei der aktuellen Entwicklung in Hamburg, wo ein modernes Parkmanagement für Autobesitzer freie Parkplätze erkennt und so die Verteilung parkender Autos in der Innenstadt optimiert, scheint das eher nicht der Fall zu sein. Hier wird der städtische Individualverkehr mit Autos nicht minimiert – was viele Verkehrsforscher zurzeit als zukunftsweisendes Modell annehmen – sondern weiter optimiert.

Wem gehörten die Daten?

Daher sei nicht die Frage, wieviel Smartness eine Stadt habe, sondern eher, wieviel Urbanitätspotenzial eine smarte Stadt bieten könne, so Bauriedl. Dafür sei entscheidend, wer die eingesetzten Technologien kontrolliere, wem die gewonnen Daten gehören und welchen Beitrag sie für eine partizipative Demokratie, ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit leisten können.

Grundsätzlich ging die Veranstaltung am Sonntag mit unterschiedlichen Forderung des Bündnisses von zehn Organisationen zu Ende. Die politische Regulierung der Digitalisierung müsse auf umwelt-, sozial- und entwicklungspolitische Ziele hin ausgerichtet werden. Gleichzeitig solle die Technologie-Branche verpflichtet werden, in den Abbau- und Produktionsländern die Prinzipien menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Bei den Themen Datenschutz und Kontrolle von Monopolen sehe man ebenfalls dringenden Handlungsbedarf.

Außerdem sollten technische Geräte reparier- und recyclebar sein und Hersteller dazu verpflichtet werden, Ersatzteile für alle anzubieten. „Eine nachhaltige Digitalisierung erfordert auch, das Wissen über technische Informationen zu öffnen“, sagt Nadine Evers, Geschäftsführerin der Open Knowledge Foundation. „Endet der Support für ein Gerät, muss der Quellcode der Software open source weiterentwickelt werden können, um die Lebensdauer von Geräten zu erhöhen.“ jk


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