Guyana: Die Weltbank finanziert eines der größten Ölprojekte der Erde
Mit Hilfe der Weltbank könnte das südamerikanische Guyana zum Land mit den höchsten CO2-Emissionen pro Kopf werden. Riesige Öl- und Gasvorkommen stehen vor der Erschließung. Auch der Mineralölkonzern Exxon Mobil hat seine Finger im Spiel.
02.04.2020 – Die Weltbank wird nicht müde zu betonen, dass sie hinter den Zielen des Pariser Klimaabkommens steht. 200 Milliarden versprach die Bank auf der Klimakonferenz 2018 in Polen Entwicklungsländern im Kampf gegen den Klimawandel. Und in einer gemeinsamen Analyse warnen Weltbank und Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung vor 100 Millionen Klimaflüchtlingen, wenn nicht schnell gegengesteuert wird. Das ist die eine, strahlende Seite der weltweit wichtigsten Entwicklungsbank. Doch die Weltbank hat auch eine dunkle Seite. Wiederholt machen Umweltschutzorganisationen wie die deutsche NGO urgewald darauf aufmerksam, dass die Weltbank das Pariser Klimaabkommen untergräbt. So sind etwa die finanziellen Mittel der Entwicklungsbank für fossile Energieträger in Afrika, mit 10 Milliarden US-Dollar, viermal so hoch, wie die der erneuerbaren Energien.
Ihre neueste Recherche führte das urgewald-Team nach Südamerika, genauer nach Guyana. Ein kleiner Staat mit 870.000 Einwohnern an der südamerikanischen Atlantikküste, östlich von Venezuela. Und wie vor der Küste Venezuelas, befinden sich auch vor Guyana riesige Ölvorkommen, mit dem Unterschied, dass ein Großteil noch nicht aufgebohrt wurde. Bis zu 13,6 Milliarden Barrel Öl liegen vor der Küste Guyanas. Das ist eines der größten Ölvorkommen, die in den letzten Jahren weltweit entdeckt wurden. Dazu kommen eine Billionen Kubikmeter Erdgas.
Sollte alles gefördert und verbrannt werden, könnten durch die Ölvorkommen 860 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt werden – mit der Erdgasproduktion wären es 1,7 Milliarden Tonnen zusätzliche CO2-Emissionen. Damit würde Guyana, dank seiner üppigen Regenwaldgebiete, von einem Land mit negativen CO2-Emissionen, zum Staat mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen der Welt aufsteigen.
An dieser Entwicklung ist auch die Weltbank beteiligt. Noch bis Dezember 2017 stellte die Entwicklungsbank Guyana vergleichsweise geringe Mittel zur Verfügung. Das änderte sich mit der Intensivierung der Öl- und Gasprojekte seitens der Regierung Guyanas. 2018 und 2019 stellte die Weltbank insgesamt 55 Millionen Euro für die Entwicklung der Öl- und Gaswirtschaft in Guyana bereit.
Die öffentliche Förderung steht im eklatanten Widerspruch zur Verpflichtung der Weltbank zum Pariser Klimaabkommen.
Für Heike Mainhardt von urgewald ist dies angesichts der Klimakrise ein ungeheuerlicher Vorgang. „Die öffentliche Förderung seitens der Weltbank für die Erschließung von Ölvorkommen in Guyana, steht im eklatanten Widerspruch zu Guyanas Klimaschutzzielen und der Verpflichtung der Bank zum Pariser Klimaabkommen.“ Guyanas Ziel ist es eigentlich, bis 2025 auf 100 Prozent Erneuerbare Energien umzuschwenken.
Doch mit der Erschließung der Öl- und Gasvorkommen rücken die Klimaschutzansprüche der Regierung Guyanas in weite Ferne. Eine Regierung, die womöglich gar nicht mehr regieren dürfte. Im Dezember 2018 brachte ein Misstrauensvotum die Regierungskoalition zu Fall. Ungeachtet dessen schloss die Weltbank im März 2019 weitere Verträge mit der noch regierenden Koalition. Am 02. März 2020 fanden schließlich Neuwahlen statt. Internationale Wahlbeobachter monieren, dass in entscheidenden Wahlbezirken die Stimmauszählung fälschlicherweise zugunsten der Regierung ausfiel. Landesweite Proteste waren die Folge.
Die Weltbank äußerte sich nicht zu den Vorgängen. Vor allem um die Öl- und Gasgeschäfte nicht zu gefährden, wie urgewald vermutet. Nach wie vor steht kein endgültiges Wahlergebnis fest. Laut Medienberichten wird eine Neuauszählung von Stimmen Seitens der Regierung blockiert. In der Zwischenzeit können die Öl- und Gasprojekte ungehindert voranschreiten. Projekte, die bereits mit der Ölförderung begonnen haben und in die auch der US-Amerikanische Mineralölkonzern Exxon Mobil involviert ist.
Verbindungen zwischen Weltbank, Guyanas Regierung und Exxon Mobil werden vor allem über eine Rechtsanwaltskanzlei deutlich, wie urgewald recherchiert hat. Es ist die US-Amerikanische Anwaltskanzlei Hunton Andrews Kurth, die von der Regierung Guyanas beauftragt wurde die neuen Erdölgesetze für das Land zu schreiben. Und das für 1,2 Millionen US-Dollar. Geld das aus den Mitteln der Weltbank kommt. Ein aktueller Plan der Weltbank sieht sogar 2,2 Millionen für Anwaltskanzleien vor, um neue Öl- und Gasgesetze vorzubereiten.
Das ist Good Governance für die Ölfirmen, nicht für die Menschen von Guyana und den Klimaschutz.
Einer der „regelmäßigen Klienten“ von Hunton Andrews Kurth ist zugleich Exxon Mobil. Die Weltbank stelle zwar den Anspruch an Good Governance Kriterien bezüglich der Ölgesetze in Guyana, doch gleichzeitig schreibt die Gesetze eine Anwaltskanzlei, die eng mit Exxon Mobil in Verbindung steht, kritisiert Mainhardt. „Das ist Good Governance für die Ölfirmen, nicht für die Menschen von Guyana und den Klimaschutz“, so Mainhardt weiter.
Urgewald appelliert an die Entscheidungsträger der Weltbank, die Öl- und Gasprojekte in Guyana nicht weiter zu unterstützen. Bei der deutschen Vertretung in der Weltbank war ein Aufruf der NGO vor einem Jahr bereits erfolgreich. Deutschland enthielt sich im März 2019 bei der Entscheidung für eine weitere Zusammenarbeit mit Guyana in dieser Form, was einer Gegenstimme gleichkommt. Andere Staaten zogen jedoch nicht mit. Aufgrund der neuesten Erkenntnisse und schwierigen politischen Lage in Guyana, hofft urgewald nun, dass weitere Staaten ihre Entscheidung überdenken. mf