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Klimaforschungsinstitut MCCForscher beleuchten positive Effekte der Energiekrise

Blick aus dem Weltall auf Europa bei Nacht
Europa hält sich gut in der Energiekrise. Befürchtete Blackouts gab es bislang nicht, Bürger, Kommunen und Gewerbe sparen aber Energie. (Foto: ESA/A.Gerst, CC BY-SA 3.0 IGO on Flickr / CC BY-SA 2.0)

Die Energiekrise könnte für Klima und Wirtschaft besser ausgehen als befürchtet. Eine Studie berechnet für 2022, mit Blick auf CO2-Emissionen und Bruttoinlandsprodukt, den Ausfall von russischem Gas und Öl sowie EU-weite Bedarfseinsparungen.

08.02.2023 – Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine waren die Prognosen für Klima und Wirtschaft eher düster. Es wurde befürchtet, dass die geopolitischen Spannungen klimapolitische Themen erstmal in den Hintergrund drängen und Preisexplosionen fossiler Energien die Wirtschaft schwächen.  Eine in der Fachzeitschrift Nature Climate Change aktuell publizierte Studie unter Mitwirkung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) auf Basis eines ökonomischen Gleichgewichtsmodells hält nun aber auch eine Win-Win-Situation für Klima und Wirtschaft für möglich.

Das Forschungsteam rechnet dabei rückwirkend für das Jahr 2022 durch, wie sich der Rückgang russischer Energielieferungen in die EU auf die Emissionen des wichtigsten Klimagases CO2 auswirkt und auf die im Bruttoinlandsprodukt gemessene Wirtschaftsleistung. Dabei stützen sich die Wissenschaftler auf das in der internationalen Klimaforschung vielgenutzte und in China entwickelte globale Gleichgewichtsmodell C3IAM. Ausgangspunkt ist das Szenario einer „moderaten Disruption“: Die Energielieferungen aus Russland wären demnach im Jahr 2022 je nach Art des fossilen Brennstoffs um 61 bis 70 Prozent eingebrochen, und infolge einer späteren Entspannung würde dieser Einbruch bis 2025 zur Hälfte revidiert.

Das Modell simuliert zunächst die Reaktionen des Marktes: Die Verknappung der fossilen Energieträger führt zu Preissteigerungen, zu weniger Nachfrage und in bestimmtem Umfang auch zu zusätzlichem Angebot aus anderen Regionen der Welt. Im Ergebnis liegt die EU-Wirtschaftsleistung im Jahr 2022 in diesem Szenario um 1,5 Prozent niedriger als in einem Szenario ohne Ukraine-Krieg und Energiekrise, und die CO2-Emissionen liegen um 12,3 Prozent niedriger. Auch im Jahr 2025 ist die Wirtschaftsleistung noch um 0,6 Prozent geschmälert. Also: Klima gut, Wirtschaft schlechter.

Doch dieser Wohlstandsverlust, so die Kernaussage der Studie, lasse sich im Prinzip vermeiden. Das Forschungsteam modellierte dazu eine Variante, in der die EU und nationale Regierungen im Jahr 2022 eine besonders große Energiespar-Aktion in die Wege geleitet hätten. Dabei wird unterstellt, dass im Verkehrssektor der Spritverbrauch der Pkws sowie wie im Gebäudebereich der Energieverbrauch von privaten Haushalten und Dienstleistungsbetrieben jeweils um zehn Prozent zurückgegangen wären.

„Die Politik kann den Trend zum Energiesparen, der sich durch die höheren Preise ohnehin ergibt, durch Vorgaben oder Empfehlungen verstärken“, erläutert Felix Creutzig, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Verkehr und Co-Autor der Studie. „Sie kann dabei zum Beispiel auf die soziale Norm für die übliche Temperatur in Innenräumen zielen oder auf den Straßen mit Tempolimits und autofreien Sonntagen den Sparknopf drücken. Die Antwort über die Nachfrageseite könnte das negative Ergebnis einer Energiekrise auf die Wirtschaft schnell ins Gegenteil umschlagen lassen.“

Laut der Modellstudie hätte in einem solchen Szenario der EU-weite CO2-Ausstoß im Jahr 2022 sogar um 14,8 Prozent niedriger gelegen als ohne Ukraine-Krieg und Energiekrise, statt um 13,3 Prozent im Szenario ohne Energiespar-Aktion. Der Verlust an Wirtschaftsleistung hätte sich von 1,5 auf 0,8 Prozent reduziert, und für 2025 stehe sogar ein Plus von 0,3 Prozent zu Buche. Also: „Klima gut, Wirtschaft auch gut“, schreiben die Studienautoren.

Selbst im ebenfalls gerechneten Szenario einer „starken Disruption“, in dem Russlands Energielieferungen in die EU im Jahr 2022 um 90 Prozent sinken, ergibt sich laut Studie unter der Annahme einer solchen Energiespar-Aktion nur ein Mini-Verlust von 0,1 Prozent Wirtschaftsleistung im Jahr 2025.

Die Studie beziffert zudem, wie die EU durch eine Importabgabe auf noch verbleibende Lieferungen Geld vom russischen in den eigenen Staatshaushalt leiten könnte. „In der von Moskau provozierten Abkopplung steckt bei richtiger Ausgestaltung durchaus die Chance, den Europäischen Green Deal und den Weg hin zu Klimaneutralität zu beschleunigen“, bilanziert MCC-Direktor  Ottmar Edenhofer und auch Co-Autor der Studie. „Die EU sollte dies aktiv vorantreiben.“ MCC / na


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