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EU-TaxonomieKriterien für nachhaltige Investitionen weiter mangelhaft

Ein Weg in einem Forst, mit aufgeschichteten Baumstämmen am Wegesrand.
Die Forstwirtschaft ist ein mächtiger Wirtschaftszweig in der EU. Sie haben es geschafft, dass ihr Geschäft zu großen Teilen als nachhaltig eingestuft wird. (Bild von Jürgen Polle auf Pixabay)    

Die EU ringt weiter um neue Kriterien für nachhaltige Investitionen. Die Einstufung von Gas und Atomkraft wurde erneut verschoben. Nachhaltigkeitskriterien für Forstwirtschaft und Bioenergie hingegen wurden beschlossen, stoßen jedoch auf Kritik.

24.04.2021 – Es ist ein elementarer Teil des europäischen Green Deals, mit einer neuen EU-Taxonomie-Verordnung sollen einheitliche und transparente Kriterien für nachhaltige Investitionen geschaffen werden. Ziel ist es, in der EU mehr Geld in nachhaltige Tätigkeiten zu lenken. Seit Monaten wird über die Umsetzung gerungen, vergangenen Mittwoch schließlich legte die EU-Kommission ein Maßnahmenpaket vor, am selben Tag, an dem auch das neue EU-Klimagesetz verabschiedet wurde.

Das Maßnahmenpaket umfasst demnach eine delegierte Verordnung zur EU-Klimataxonomie, die klar stellen soll, welche Wirtschaftstätigkeiten am meisten zur Erreichung der EU-Umweltziele beitragen. Dazu kommt ein Richtlinienvorschlag zur Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen, der dafür sorgen soll, dass Finanzunternehmen Anlegern sowie dem breiteren Publikum vergleichbare und verlässliche Angaben zum Thema Nachhaltigkeit zur Verfügung stellen. Teil des Pakets sind schließlich auch sogenannte Änderungsrechtsakte zu treuhänderischen Pflichten und zur Anlage- und Versicherungsberatung. Das Thema Nachhaltigkeit soll damit verpflichtend in Anlageberatungen für Kunden aufgenommen werden sowie Risiken bei Investitionen in umwelt- und klimaschädliche Unternehmen stärker in den Fokus rücken.

Der EU-Kommissar für Handel, Valdis Dombrovskis, sagte bei der Vorstellung des Maßnahmenpakets: „Mit der ersten Klimataxonomie, die Unternehmen und Anlegern helfen wird, zu beurteilen, ob ihre Anlagen und Tätigkeiten wirklich ökologisch sind, machen wir heute einen großen Schritt nach vorn. Die Taxonomie ist eine wesentliche Grundlage dafür, private Anlagen in nachhaltige Unternehmen zu mobilisieren und in Europa bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen.“

Industrieller Holzeinschlag als nachhaltig eingestuft

Der World Wide Fund For Nature (WWF) begrüßte in einer ersten Analyse das Vorhaben, die Transparenz zu verbessern sowie verpflichtende sektorspezifische EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung einzuführen. Doch was künftig als nachhaltige Investition eingestuft werden soll, wird vom WWF und weiteren kritisch beäugt. So fallen „kleinere Forstbetriebe“ nicht unter die Anforderungen der Taxonomie. Das umfasst im Detail alle Forstbetriebe, die unter 25 Hektar Land betreiben, was jedoch zwei Drittel aller Forstbetriebe in der EU betreffe, kritisiert der französische Europaabgeordnete Pascal Canfin gegenüber euractiv.

Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF, nennt diese Einstufung eine „katastrophale Nachricht für Klima und Artenvielfalt“. Denn damit werden industrieller Holzeinschlag und die Nutzung von Holz und Nutzpflanzen als Brennstoff zur Energiegewinnung als nachhaltige Investitionen eingestuft. Neben der großzügigen Auslegung von Nachhaltigkeitskriterien für die Forstwirtschaft ordnet die EU-Kommission Biomasse als CO2-neutral ein. Damit wird die Bioenergie nicht mehr als Übergangstechnologie gekennzeichnet, die Forstwirtschaft gilt fortan als nützlich für das Klima.

Der WWF verweist auf wissenschaftliche Untersuchungen, wonach die Verbrennung von Biomasse in der EU mehr als 350 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr emittiert und damit nicht klimaneutral ist. Auch ein Bericht der Kommission selbst stellte im Januar fest, dass Bioenergieszenarien im überwiegenden Maße ein Risiko für das Klima und die biologische Vielfalt darstellen. Laut der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch hatten sich Schweden und Finnland in den Verhandlungen gegen Experten durchgesetzt.

Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch fordert: „Hier müssen die Prüfkriterien spätestens mit der ersten Überprüfung des Kriterienkatalogs dringend nachgebessert werden.“ Laut EU-Kommission werde die delegierte Verordnung zur EU-Taxonomie von Zeit zu Zeit weiter an neue Entwicklungen und den technischen Fortschritt angepasst. Bas Eikhout, Berichterstatter des Europäischen Parlaments für die Taxonomie-Verordnung und Mitglied der Grünen/EFA-Fraktion, hofft, dass die EU-Kommission schon im Juni „ehrgeizige Gesetzesänderungen für die Forstwirtschaft und Bioenergie“ vorlegt. Dann soll die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU überarbeitet werden.  

Atomlobby am Werk

Komplett verschoben wurde hingegen die Entscheidung, wie künftig Investitionen in Gas und Atomkraft einzustufen sind. Befürworter der Kernenergie und der fossilen Energien versuchen seit Monaten, dass Gas und Atomkraft zumindest als Übergangstechnologien unter nachhaltige Kriterien fallen. So stufte kürzlich auch eine Expertengruppe der EU-Kommission vom Joint Research Center (JRC) die Nutzung der Atomenergie als nachhaltig ein.

Laut dem JRC hätten Analysen keine wissenschaftlich fundierten Beweise dafür erbracht, dass die Kernenergie der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt mehr schade als andere Stromerzeugungstechnologien, die bereits in der Taxonomie aufgeführt sind. Auch die Endlagerung des Atommülls in einem tiefengeologischen Endlager sei angebracht und sicher. Doch die für die Analyse zuständige Abteilung des JRC wird unter anderem von der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) finanziert.

Sylvia Kotting-Uhl Grünen-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sagte dazu: „Von einer Organisation, die direkt von der EU-Atomgemeinde EURATOM gefördert wird, konnte niemand einen unabhängigen Bericht zu den Gefahren der Atomkraft erwarten.“ Doch es sei schlimmer als befürchtet. „Die Schlussfolgerungen des JRC sind eine Märchenstunde über die Harmlosigkeit der Atomkraft“, so Kotting-Uhl.

Entscheidung gegen Ende des Jahres?

Durchgesetzt hat sich die Atomlobby bislang jedoch noch nicht. Eine Entscheidung über die Einstufung von Atomkraft und Gas wird gegen Ende des Jahres erwartet. Christoph Bals von Germanwatch kritisiert, dass die Bundesregierung wegen Unstimmigkeiten zur Einstufung von Gass zwischen Umwelt-, Finanz- und Wirtschaftsministerium in Brüssel stumm geblieben sei.

„Diese Interessengruppen werden nicht klein beigeben. Die Bundesregierung muss sich klar gegen Atom und Gas als angeblich nachhaltige Technologien positionieren“, so Bals. Der Wahlkampf dürfe nicht dazu führen, dass die Bundesregierung handlungsunfähig wird und damit Gas und Atom bei der nächsten Entscheidung darüber auf EU-Ebene Tür und Tor öffne. mf   


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