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RohstoffeKritische Metalle und seltene Erden für die Energiewende

Tagebau mit Terrassenförmigen Abraumhalden
Kupfermine in Schweden: Zehn Prozent des in Europa verwendeten Kupfers werden in Schweden abgebaut. (Foto: Neta623 auf Pixabay)

Die globale Energiewende braucht Rohstoffe – Metalle und seltene Erden. Verfügbarkeit und Bedarf könnten sich schon bald auseinanderentwickeln. Recycling und Wiederbelebung des Bergbaus sind mögliche Lösungsansätze für Europa.

27.09.2021 – In Elektromotoren, Batterien, Solarmodulen und Windturbinen stecken Metalle und seltene Erden. In einem Sonderbericht hat die Internationale Energieagentur im Mai dieses Jahres die zentrale Bedeutung von Mineralien wie Kupfer, Lithium, Nickel, Kobalt und Seltene Erden für eine sichere und schnelle globale Energiewende untersucht.

Der Bericht konstatierte ein drohendes Missverhältnis zwischen den Klimazielen der Welt und der Verfügbarkeit von kritischen Mineralien, die dafür gebraucht werden. Schwachstellen müssten angegangen werden, um den globalen Fortschritt für eine nachhaltige Energiezukunft nicht zu verspielen.

Im Gegensatz zu Erdöl sind Produktion und Verarbeitung vieler Mineralien wie Lithium, Kobalt und einiger seltener Erden stark auf eine Handvoll Länder konzentriert, wobei mehr als dreiviertel der weltweit gelieferten Mengen von nur drei Produzenten stammen. Komplexe und manchmal undurchsichtige Lieferketten bergen Risiken: physische Unterbrechungen durch Handelsbeschränkungen oder instabile Entwicklungen in wichtigen Förderländern. Hinzu kommt, dass es derzeit zwar keinen Mangel an Ressourcen gibt, die Qualität der verfügbaren Vorkommen aber abnimmt, da die am leichtesten zugänglichen Ressourcen zuerst ausgebeutet werden. Zusätzlich sehen sich die Produzenten mit strengeren Umwelt- und Sozialstandards konfrontiert – Faktoren, die die zukünftige Verfügbarkeit beeinflussen können.

Der französische Wissenschaftler Gilles Lepesant vom Centre Marc Bloch hat die Rolle von kritischen Metallen vertiefend analysiert, das Deutsch-Französische Büro für die Energiewende (DFBEW) hat seine Betrachtung veröffentlicht. Lepesant sieht in dem enormen Bedarf an kritischen Metallen eine mögliche Quelle für neue Spannungen in den internationalen Beziehungen, da die benötigten Metalle aus wenigen Ländern und insbesondere aus China stammen. Doch er geht auch auf die Wege ein, die die EU beschreiten kann.

Nicht nur die Vorkommen an sich sind ungleich verteilt – auch die Raffinierung und Veredlung sind kapitalintensive Industrieprozesse, auf die sich nur wenige Länder spezialisiert haben. Besonders China beherrscht den Markt der Veredelung: 35 Prozent der Nickelmenge, zwischen 50 und 70 Prozent von Lithium und Kobalt sowie 90 Prozent der seltenen Erden werden in China veredelt. Andere Länder haben sich aus diesem Geschäft weitgehend zurückgezogen, da es finanziell wenig lohnend und zudem umweltschädlich ist.

Kritische Metalle in der EU

Die Analyse von Lepesant liefert zunächst eine Begriffsklarstellung: Eine klare Definition für kritische Metalle gibt es nämlich nicht, die Einordnung hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die EU hat ihre Liste strategischer oder kritischer Metalle in den letzten Jahren mehrfach angepasst. Inzwischen werden 30 Metalle als kritisch eingestuft, weil sie eine herausragende Rolle in der Wertschöpfungskette spielen, von nur wenigen Ländern geliefert werden, schwer zu ersetzen sind, keine signifikante Recyclingquote aufweisen und ihre Nachfrage voraussichtlich stark steigen wird.

Bei seltenen Erden hingegen ist die wissenschaftliche Abgrenzung klar. Sie sind weltweit reichlich vorhanden, allerdings ist ihr Konzentrationsgrad im Boden niedrig und ihre Trennung von anderen Elementen erfordert spezielle und kapitalintensive Technologien. Für die Energiewende sind sie deshalb relevant, weil sie zur Herstellung von Permanentmagneten notwendig sind – diese wiederum werden häufig in Elektromotoren verbaut. Elektromotoren finden sich nicht nur in Elektrofahrzeugen und anderen Anwendungen – auch in Windturbinen finden sich Permanentmagneten.

Die Photovoltaikbranche ist derzeit von Verknappungen noch wenig betroffen, mit ihrem geplanten starken Ausbau wird aber der Bedarf vor allem von Kupfer und Silber stark steigen. Auch die Wasserstofftechnologie, für die ein starkes Wachstum prognostiziert wird, trägt zu einem Anstieg der Metallnachfrage bei, insbesondere für Elektrolyseure (Nickel und Zirkonium) und Brennstoffzellen (Platin).

In aller Munde ist bereits die große Nachfrage nach Lithium für Lithium-Ionen-Batterien. Nach Angaben der Europäischen Kommission könnte der Lithiumbedarf der EU für Elektrofahrzeuge und Speichersysteme bis 2030 um das 18-fache (bis 2050 um das 60-fache) und der Kobaltbedarf um das 5-fache (bis 2050 um das 15-fache) steigen. Unter anderem weil die Gewinnung von Lithium in Lateinamerika große ökologische Auswirkungen hat, drängen Nachhaltigkeitsaspekte mehr und mehr in den Vordergrund. Aber nicht nur bei der Lithiumgewinnung wird die Umwelt in Mitleidenschaft gezogen. Generell haben Minen einen großen Flächenbedarf und erhebliche Auswirkungen auf Umwelt, Wasserhaushalt, Biodiversität und Lebensqualität der lokalen Bevölkerung. 

Umso wichtiger ist es laut Lepesant, dass Europa Antworten und Strategien für diese sich abzeichnenden Abhängigkeiten und Marktverhältnisse entwickelt.

Herkunft zuverlässig rückverfolgen

Bergbauminen und die Verarbeitung von Metallen sind kaum ohne ökologische Auswirkungen denkbar. Deshalb sei es ein erster Schritt, in internationalen Abkommen dafür zu sorgen, dass nur solche Materialien in die Lieferketten gelangen, bei deren Förderung Menschenrechte nicht verletzt und bestimmte Umweltstandards eingehalten werden. Weil gerade die Umweltstandards viel Geld kosten, gibt es weltweit viele illegale Förderstätten. Aber auch bewaffnete Konflikte entstehen immer wieder rund um die Metallgewinnung. Wirksame internationale Strukturen sollten dafür sorgen, dass Rohstoffe aus diesen Quellen nicht in den Handel gelangen.

Die Wiederbelebung des Bergbaus in Europa

Die europäischen Veredelungskapazitäten sind selbst bei Basismetallen wie Kupfer gering. Bergbaukapazitäten wurden vielerorts abgebaut. In den nordeuropäischen Ländern wurden in den letzten Jahren indes einige Bergbauaktivitäten verstärkt. Eisen, Kupfer, Nickel und andere Metalle werden in Norwegen, Schweden und Finnland abgebaut. Aber auch Lithiumvorkommen gibt es in Europa: in Serbien, Portugal, Spanien, Finnland, Österreich und im französischen Zentralmassiv. Die Europäische Kommission schlägt vor den Abbau verstärkt zu fördern und hält es für möglich, große Teile des europäischen Bedarfs aus eigenen Vorkommen zu decken. Die soziale Akzeptanz, Umweltrisiken und Fragen der Rentabilität sind jedoch ernsthafte Hindernisse.

Die Recycling-Option

In Europa werden Metalle wie Eisen, Zink und Platin zu über 50 Prozent recycelt und damit ein Viertel des Verbrauchs gedeckt. Bei anderen Metallen sind die Recyclingquoten niedriger, die Kosten dafür meist so hoch, dass recycelte Metalle teurer sind als solche aus Primärquellen.

Im Batteriebereich liegt die Kobalt-Recyclingquote bei 32 Prozent, Lithium wird nur selten wiederverwertet. Soll Recycling zukünftig leichter und damit kostengünstiger werden, müssen Produkte so beschaffen sein, dass eine zerstörungsfreie Zerlegung der verschiedenen Komponenten möglich ist.

Webinar zu kritischen Metallen und seltenen Erden in der EU

Das Deutsch-Französische Büro für die Energiewende widmet dem Thema ein Webinar. Diskutiert werden die verschiedenen Lösungsansätze, um den Bedarf an kritischen Metallen zu decken. Recyclinglösungen schaffen und im industriellen Maßstab aufbauen, Abbau und Veredlung in Europa, bessere Rückverfolgbarkeit der Lieferketten – jeder dieser Wege erfordert spezifische Investitionen und Ressourcen, ist verbunden mit Risiken, geopolitischen Aspekten sowie Umwelt- und Sozialthemen.

Webinar zur Rolle von kritischen Metallen bei der Energiewende

12. Oktober, 14.00 Uhr – die Teilnahme ist kostenfrei.

Hier geht’s zur Anmeldung.


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