TOP-THEMA
Klimaklage





EuropaRohstoffe für die Energiewende

Lithium-Mine im Salar de Uyuni in Bolivien
(Bild: Coordenação-Geral de Observação da Terra/INPE / CC BY-SA 2.0 / Wikimedia Commons)  

Erneuerbare Energien werden endlich schneller ausgebaut. Tempo ist gefragt. Fachkräfte und Rohstoffe sind potenziell knapp und könnten in Zukunft schwer erhältlich sein. Schon jetzt ist klar: Ohne Rohstoffwende ist das nicht zu schaffen.

24.10.2022 - Seit 2011 erstellt die EU eine Liste kritischer Rohstoffe und ihrer Bezugsquellen für den europäischen Markt. Was genau einen Rohstoff kritisch macht, wird gemeinsam definiert. Deutschland und die EU importieren den überwiegenden Teil ihrer kritischen Rohstoffe aus dem nicht-europäischen Ausland. Häufig haben einzelne Länder eine Monopolstellung für bestimmte Rohstoffe. Das kann schnell zum Problem werden, denn Lieferschwierigkeiten einzelner Exporteure, ökonomische oder politische Konflikte können ganze Lieferketten lahmlegen. Die meisten mineralischen Rohstoffe für den globalen Markt werden in China gewonnen und auch viele Verarbeitungsprozesse finden dort statt. Bereits Ende vergangenen Jahres forderte auch das Europäische Parlament die Kommission auf, die Abhängigkeit im Rohstoffsektor zu verringern. Das gilt besonders für jene Rohstoffe, die für die Umsetzung des European Green Deal und den Ausbau Erneuerbarer Energien gebraucht werden.

Die aktuelle Rohstoffstrategie in Deutschland stammt noch von 2020 und wurde vom AK Rohstoffe, einem Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen, als unzureichend kritisiert. „Um den hohen Rohstoffbedarf der deutschen Industrie zu reduzieren, geht es um längere Nutzung, Reparatur, Wiedernutzung und Recycling auf dem Weg zu der im European Green Deal angekündigten Kreislaufwirtschaft.  Für die trotzdem notwendigen Rohstoffe gilt es, endlich die Einhaltung der Menschenrechte und Umweltstandards in globalen Lieferketten wirkungsvoll umzusetzen“, erklärt Cornelia Heydenreich von der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch.

Die Bundesregierung will nun ebendiese Forderungen umsetzen: „Wir wollen das ökonomische und ökologische Potenzial des Recyclings umfassend nutzen, den Ressourcenverbrauch senken und damit Arbeitsplätze schaffen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Eine nachhaltige Rohstoffversorgung soll unterstützt, der heimische Rohstoffabbau erleichtert und ökologisch ausgerichtet werden.

Das weiße Gold der Energiewende

Für eine klimagerechte und rapide Transformation der Wirtschaft braucht es jedoch Rohstoffe, die kurzfristig verfügbar sind. Wie sie nachhaltig gefördert werden können, ist für jeden Rohstoff verschieden und muss einzeln betrachtet und abgewogen werden. Lithium ist hier ein gutes Beispiel: Das Leichtmetall ist essenzieller Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien und damit der gängigsten Energiespeicher – somit auch einer der wichtigsten Rohstoffe der Energiewende. „Lithium ist geologisch in keiner Weise knapp oder nicht verfügbar. Die Frage ist, wie es in dem gesteckten Zeitrahmen ökonomisch, aber vor allem nachhaltig gewonnen und weiterverarbeitet werden kann, um es dann in der entsprechenden Qualität in Lithium-Ionen-Batterien einzusetzen“, erläutert Michael Schmidt von der Deutschen Rohstoffagentur (DERA).

Die Internationale Energieagentur (IEA) legte im vergangenen Jahr Daten für den Rohstoffbedarf einer klimagerechten Transformation der Wirtschaft vor. Die Nachfrage steigt demnach vor allem für digitale Technik, den Ausbau Erneuerbarer Energien und die Verkehrswende. Die IEA nimmt an, dass der Anteil von Energietechnologien an der Gesamtnachfrage in den nächsten zwei Jahrzehnten auf über 40 Prozent für Kupfer und Seltene Erden, 60 bis 70 Prozent für Nickel und Kobalt und fast 90 Prozent für Lithium steigen wird.

Elektrofahrzeuge und Batteriespeicher verbrauchen bereits heute am meisten Lithium und werden bis 2040 auch zum größten Nickelverbraucher werden. Weltweit könnte die Nachfrage nach Batterien bis 2030 um das 14-fache steigen. Die EU geht davon aus, dass rund 17 Prozent davon auf den innereuropäischen Verkehr entfallen werden. Bis 2030 werden voraussichtlich rund 30 Millionen Elektrofahrzeuge in den europäischen Ländern unterwegs sein und damit bis zu 18-mal mehr Lithium und 5-mal mehr Kobalt benötigt. Der DERA zufolge wird der Batteriesektor für E-Mobilität im Jahr 2030 für rund 90 Prozent der globalen Lithiumnachfrage verantwortlich sein.

Lithium steht deshalb auf der EU-Liste kritischer Rohstoffe. Es ist zwar nicht knapp, aber es bleibt die kritische Frage, wie es umweltfreundlich abgebaut werden kann. „Selbst wenn alle aktuell geplanten und im Bau befindlichen Projekte im Zeitplan umgesetzt werden und wir von einem mittleren Nachfragewachstum ausgehen, werden wir nicht genug Lithium haben, um die erwartete weltweite Nachfrage 2030 zu decken“, erläutert Schmidt. Zurzeit stammt der überwiegende Anteil an Lithium aus der Primärförderung.

Nachhaltig fördern

Der Bergbau hat keinen guten Ruf. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Umweltverschmutzungen und Menschenrechtsverletzungen. Der Großteil des derzeit weltweit gehandelten Lithiums stammt aus Australien und Chile. In beiden Ländern wurden Gebiete durch auslaufende Chemikalien verseucht. Bergbauprojekte innerhalb der EU stoßen deshalb häufig auf Widerstand. Erst Anfang des Jahres wurde ein großangelegtes Projekt zur Lithiumförderung in Serbien nach erheblichen Bürgerprotesten und undurchsichtiger Planung vorläufig gestoppt. In Folge von Probebohrungen war es auch dort zu erheblichen Umweltverschmutzungen gekommen.

Dabei ist eine nachhaltige Förderung von Rohstoffen bei Weitem keine Utopie. Bisher wurden in Deutschland hauptsächlich Baurohstoffe wie Kies und gebrochene Natursteine gefördert. Einer Anfrage im Parlament nach ist nicht bekannt, wie hoch der Anteil an den spezifisch für den Solar- und Windausbau benötigten Rohstoffen ist, der kurzfristig durch heimische Förderung gedeckt werden könnte. An Analysen wird gearbeitet. Für Lithium existieren hingegen bereits verschiedene Ansätze, die einen umweltfreundlichen Abbau ermöglichen sollen. In Deutschland werden derzeit Lithiumvorkommen im Erzgebirge und im Oberrheingraben untersucht.

Das Explorationsprojekt am Oberrheingraben verspricht nicht nur eine umweltfreundliche, sondern auch CO2-neutrale Förderung – und zwar mit Geothermie. Das Thermalwasser unter dem Oberrheingraben enthält große Mengen Lithium. Das Wasser soll schlicht an der Oberfläche gefiltert werden, bevor es zurück in die Erde gepumpt wird. Derzeit sind sich Forscher noch uneins, wo ein großflächiger Einsatz am Oberrheingraben möglich ist, da es in der Region immer wieder zu kleineren Erdbeben kommt. Die Technologie wird allerdings bereits seit Längerem erforscht und scheint vielversprechend: Geothermie-Anlagen, die nicht nur Wärme und Energie, sondern auch noch Lithium für Speichertechnologien vor Ort produzieren.

Rohstoffe im Kreislauf führen

Auch in anderen europäischen Ländern soll die Rohstoffförderung ausgebaut werden. In einer Entschließung fordert das Europäische Parlament sowohl die Primärförderung innerhalb der EU aus- als auch eine heimische Recyclingwirtschaft für kritische Rohstoffe aufzubauen. Die Bundesregierung arbeitet ab dem kommenden Jahr an einer nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie, die Maßstäbe für Faktoren wie Produktdesign, Nutzungsdauer, Recycling und Ressourceneffizienz festlegen soll.

Sekundärrohstoffe könnten den Bergbau insgesamt reduzieren, die heimische Wirtschaft stärken und Ressourcenabhängigkeiten verringern. Um den steigenden Bedarf an Rohstoffen wie Lithium zu decken, könnte Sekundärrohstoffen bald eine Schlüsselrolle zukommen. Recyclingkapazitäten für Lithium müssen in Europa zwar erst noch aufgebaut werden. Für andere Batteriekomponenten gibt es sie jedoch bereits und Lithium-Ionen-Batterien sind sehr ergiebig recycelbar. Werden verschiedene Verfahren kombiniert, können mehr als 90 Prozent einer Batteriezelle rezykliert werden.

Die EU plant zudem eine neue Batterien-Verordnung, die Mindestanteile an recyceltem Kobalt, Blei, Lithium und Nickel für Batterien festschreibt. Viele Unternehmen spendeten bisher Batterien an Drittländer, wodurch wertvolle Rohstoffe verloren gingen. Da auch in den Empfängerländern mitunter Recyclingkapazitäten nicht vorhanden waren, landeten Batterien häufig auf Mülldeponien anstatt im Rohstoffkreislauf. Werden die Batterien stattdessen in Europa gesammelt, könnten daraus Sekundärrohstoffe für Europas Rohstoffbedarf gewonnen werden. jb

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

max 2.000 Zeichen