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Ökostrom-AbnahmeverträgeSind Power-Purchase-Agreements die Zukunft?

Power-Purchase-Agreements (PPAs), mehrjährige Abnahmeverträge, sind eines der großen Trendthemen der Erneuerbaren-Branche, wie sich vergangene Woche auch auf der Fachmesse Intersolar Europe zeigte. Doch die Risiken sind komplex und staatlich verankerte Ausschreibungen können kostengünstiger sein.

23.05.2019 – Bald ist es in Deutschland so weit: Ab 1. Januar 2021 fallen erste Erneuerbare-Energien-Anlagen, davon beinahe 19.000 Photovoltaikanlagen, nach einer 20-jährigen Laufzeit aus der Vergütung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Betreiber von EEG-Anlagen müssen also Wege finden, deren Weiterbetrieb wirtschaftlich zu sichern.

Was tun, wenn Wind- und Solaranlagen keine Förderung mehr erhalten?

Vor allem bei privaten Photovoltaikanlagen bietet es sich an, in Kombination mit Batteriespeichern möglichst viel Solarstrom vom eigenen Dach selbst zu verbrauchen, auch für das Laden eines Elektroautos oder zur Deckung des Wärmebedarfs (Power-to-Heat). Denn der selbst erzeugte Solarstrom ist mittlerweile deutlich günstiger als der zugekaufte Tarifstrom.

Für Solar- und Windparks gilt die Direktvermarktung über mehrjährige Abnahmeverträge, sogenannte Power-Purchase-Agreements (PPAs), als aussichtsreich. Europaweit boomt die Finanzierung neuer Anlagen bzw. deren Stromvermarktung über PPAs. So in Skandinavien, wo es keine staatlich abgesicherten Einspeisevergütungen oder Ausschreibungen für EE-Anlagen gibt, oder in Spanien.

Dort sind derzeit solare PPA-Projekte mit einer Leistung von über 2 Gigawatt (GW) in Entwicklung, europaweit über 4 GW. Treibende Faktoren für PPAs in Spanien sind hohe Börsenstrompreise, eine hohe solare Einstrahlung und reichlich verfügbare Flächen.

Erzeugungskosten von unter 3 Cents pro Kilowattstunde

BayWa r.e. realisierte jüngst das größte solare PPA-Projekt in Spanien, den 175 Megawatt (MW) starken Solarpark Don Rodrigo südlich von Sevilla. Er wurde ohne staatliche Förderung realisiert, die Erzeugungskosten des Solarstroms liegen laut Angaben von Jochen Hauff, Leiter Unternehmensentwicklung bei BayWa r.e., bei unter 3 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Ende 2018 verkaufte das Münchener Unternehmen die Anlage an einen Konzernmandaten der Meag. Der Strom soll über einen 15-jährigen Stromabnahmevertrag an Statkraft vermarket werden.

Für Deutschland beurteilt Hauff allerdings PPAs skeptischer. „In der Regel ist die Realisierung Erneuerbarer-Energien-Projekte über staatlich gesicherte Ausschreibungen im Rahmen des EEG kostengünstiger“, sagt er. Denn das Bonitätsrisiko und die Finanzierungkosten seien bei PPAs höher. Zudem erschwerten günstige Industriestrompreise, vor allem für energieintensive Großunternehmen, die Wirtschaftlichkeit von PPAs.

PPAs müssen zusätzliche Risiken absichern

Auch Rechtsanwalt Martin Altrock von der Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) weist darauf hin, dass die Zuschlagspreise für Solar- und Windstrom in Deutschland günstiger sind als beispielsweise bei PPAs in Großbritannien.

Als Grund hierfür sieht er, dass bei privaten PPAs zusätzlich Risiken abgesichert werden müssen, die bei Ausschreibungen in Deutschland über die gleitende Marktprämie des EEG abgesichert sind. Diese greift dann, wenn die Zuschlagswerte für den Ökostrom überhalb der Börsenstrompreise liegen. „Unser Fördersystem hat Vorteile, weil es im Endeffekt günstiger ist", so Altrock.

Ähnlich sieht dies Werner Götz, Vorsitzender der Geschäftsführung des Übertragungsnetzbetreibers Transnet BW. „Ich glaube nicht, dass es durch PPA günstiger wird, weil ja mehr Leute dabei etwas verdienen wollen und höhere Risiken abgesichert werden müssen", sagt er. Er verweist ebenfalls darauf, dass in Ländern wie Schweden und Finnland, wo jüngst größere PPA abgeschlossen wurden, die Strompreise bisher nicht gesunken sind.

Lars Quandel, Leiter Energie und Infrastruktur bei der HSH Nordbank, erläutert etliche Risiken aus Finanzierungssicht. So muss vor allem die Stabilität des Projekt-Cashflows während der Kreditlaufzeit gesichert sein. Hierzu müssen die Solar- und Windparks wirklich zuverlässig die Strommengen liefern, die vertraglich vereinbart sind, die Anlagen müssen fristgestellt fertiggestellt worden und die Bonität des Abnehmers über eine längere Laufzeit über 10 oder 20 Jahre muss gesichert sein. Hinzu kommen noch Inflations- und Wechselkursrisiken.

Bürgerenergieprojekte tun sich schwer

„Die Komplexität und die Risiken der Finanzierung steigen", sagt Quandel. Die HSH reagiert hierauf, indem sie unter anderem eine 40%-Eigenkapitaldeckung und eine 50%-Rückführung des Finanzierungsvolumens in der ersten Hälfte der Finanzierungslaufzeit des Projekts voraussetzt.

Bürgerenergieprojekte könnten hierbei beispielsweise nicht mehr mithalten. So sind denn vor allem große Firmen wie Google, Nike oder BMW bisher im PPA-Geschäft aktiv, weil sie künftig erwartete höhere Strompreise aufgrund einer stärkeren CO2-Bepreisung absichern wollen, aus Image- oder Nachhaltigkeitsgründen oder aufgrund von Regulierungsauflagen.

Option für große, abgeschriebene Anlagen

Laut Einschätzung von Hauff können PPAs jedoch auch in Deutschland für bereits abgeschriebene, größere Windkraft- und Photovoltaikanlagen attraktiv sein, deren Förderung ab dem 1.1.2021 ausläuft, sowie für größere Anlagen überhalb der Fördergrenze des EEG. Für Photovoltaikanlagen liegt diese bei 10 MW.

So schlossen jüngst die EnBW und Energiekontor einen 15-jährigen Stromabnahmevertrag für einen geplanten 85 MW Solarpark in Marlow (Mecklenburg-Vorpommern) ab. Bereits zuvor kündigte EnBW an, einen förderfreien 175 MW Solarpark in Brandenburg bauen zu wollen.

Chancen für ehemalige Kohlereviere

Vielversprechende Möglichkeiten für förderfreie Erneuerbare-Anlagen im zwei- und dreistelligen MW-Bereich, deren Strom über PPAs vermarket wird, sieht Hauff künftig in ehemaligen Kohlerevieren und auf Konversionsflächen. Auch für mittelständische Gewerbekunden, die nicht von diversen Stromvergünstigen wie die Großindustrie profitierten, könnten langfristige Stromlieferverträge mit Wind- und Solarparks interessant sein, sagt er.

Stadtwerke zeigen Interesse

Von Interesse können PPAs ebenso für Stadtwerke mit einem großen eigenen Erneuerbaren-Kraftwerksbestand sein. „Wir bieten erfolgreich PPAs an und gehen davon aus, dass der Fokus weiterhin stark auf PPAs für die Post-EEG-Zeit sowie auf PPAs für neue Photovoltaik-Parks außerhalb des EEG liegen wird. Wir sehen große Chancen im Aufbau unseres breiten Vermarktungsportfolios über alle Erneuerbaren-Technologien hinweg“, sagt die Sprecherin der Stadtwerke München (SWM) Bettina Hess.

Sie verweist darauf, dass aufgrund der technischen Fortschritte die Gestehungskosten, vor allem bei Onshore-Wind, weiter sinken und deshalb auch nach dem Auslaufen des EEG ein wirtschaftlicher Ausbau sowie Weiterbetrieb bestehender Anlagen möglich sind. Mit der 2018 gegründeten Unternehmenstochter Hanse Windkraft setzen die SWM gezielt auf das Re-Powering bestehender Windparks. Hans-Christoph Neidlein