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WasserstoffWeltatlas für Power-to-X

Windenergieanlagen an einer Küste in der Abendsonne
Offshore-Windanlagen an Küstengebieten bergen ein großes Erzeugungspotenzial für grünen Wasserstoff. (Photo by Carl Raw on Unsplash)

Das Erzeugungspotenzial für grünen Wasserstoff und regenerative synthetische Brenn- und Kraftstoffe ist weltweit sehr hoch. Doch der Kreis potenzieller Importländer ist überschaubar. Dies zeigt ein neuer Atlas des Fraunhofer IEE.

10.06.2021 – Auf synthetischen, mit grünem Wasserstoff hergestellten Brenn- und Kraftstoffen (Power-to-X, kurz PtX) ruhen große Hoffnungen. Sie sollen fossile Energien in der Industrie, im Verkehr und anderen Bereichen ersetzen.

Doch wo können die CO2-neutralen Brenn- und Kraftstoffe zu welchen Kosten und in welcher Menge auf nachhaltige Weise produziert werden – und welche Kosten verursacht deren Export? Das stellt jetzt der weltweit erste PtX-Atlas des Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE vor.

In ihrer Untersuchung haben sich die Experten auf die Standorte außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums konzentriert. Bewertet werden dabei Flächenverfügbarkeit und Wetterbedingungen, aber auch die lokale Wasserverfügbarkeit, Naturschutz, Investitionssicherheit oder Transportkosten. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesumweltministerium.

„Unser Atlas zeigt, dass in vielen Regionen der Welt langfristig große Mengen an PtX-Energieträgern regenerativ produziert und exportiert werden können“, sagt Norman Gerhardt, Leiter Energiewirtschaft und Systemanalyse beim Fraunhofer IEE in Kassel. Insgesamt lassen sich außerhalb Europas langfristig etwa 109.000 Terrawattstunden (TWh) flüssiger grüner Wasserstoff beziehungsweise 87.000 TWh synthetische Kraft- und Brennstoffe (Power to Liquids, kurz PtL) herstellen, so die Analyse.

Zehn Länder vorne  −  Flächen an Küstenstandorten und Binnengewässern

Vielerorts sind jedoch eine ausreichende Investitionssicherheit oder unzureichende Infrastruktur limitierende Faktoren. Tatsächlich liegt das langfristige nutzbare Potenzial laut den Autoren bei 69.100 TWh Wasserstoff beziehungsweise 57.000 TWh PtL. Zum Vergleich: Für die globale Luftfahrt werden 2050 insgesamt mindestens 6.700 TWh, für den weltweiten Schiffsverkehr 4.500 TWh PtL benötigt.

Für Deutschland errechnen die Experten daraus auf Grundlage des Anteils an der Weltbevölkerung eine zur Verfügung stehende Importmenge von 770 TWh Wasserstoff beziehungsweise 640 TWh PtL. „Das genügt, um den verbleibenden Brenn- und Kraftstoffbedarf zu decken – vorausgesetzt, Energieeffizienz und direkte Stromnutzung haben jederzeit absoluten Vorrang“, sagt Gerhardt.

Die größten Potenziale für die Erzeugung von grünem Wasserstoff und von PtL liegen laut dem Atlas in zehn Ländern. Spitzenreiter sind die USA, gefolgt von Australien, Argentinien, Russland und Ägypten. Darauf folgen Kanada, Mexiko, Libyen, Chile und Saudi-Arabien. Geeignete Flächen finden sich zu rund 30 Prozent an Küstenstandorten und zu etwa 70 Prozent an Binnengewässern wie Flüssen und Seen.

Gute Windkraft-Standorte am kostengünstigsten

Bei der Berechnung der ökonomischen Potenziale der einzelnen Standorte haben die Forscher neben den Stromgestehungskosten der erneuerbaren Energien und den Wirkungsgraden der PtX-Prozesse u. a. auch Peripherie-, Speicher-, und Transportkosten berücksichtigt.

Dabei kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass Standorte mit guten Bedingungen für die Windenergie und wenn möglich auch in Verbindung mit Photovoltaik die niedrigsten Erzeugungskosten aufweisen.  Mit rund 64 Euro/MWh bzw. 86 Euro/MWh ist die Erzeugung von flüssigem Wasserstoff bzw. PtL-Kraftstoffen an Wind-Standorten in Chile und Argentinien am kostengünstigsten.

„Gerade bei Wasserstoff sind aber je nach Standort die Kosten für den Transport nach Deutschland ein entscheidender Faktor und überkompensieren teilweise die Standortunterschiede“, betont Gerhardt. Rechnet man beispielsweise die Transportkosten von Argentinien dazu, ergeben sich für flüssigen grünen Wasserstoff Importkosten von 112 Euro/MWh.

Der Atlas zeigt auch, dass es oft kostengünstiger ist, Brenn- und Kraftstoffe wie PtL für den europäischen Markt ebenfalls direkt dort zu produzieren, wo auch der grüne Wasserstoff erzeugt wird, statt in Europa auf Basis importierten Wasserstoffs. Diese Syntheseprodukte sind deutlich kostengünstiger zu transportieren und mittels Luftabscheidung kann an diesen Standorten CO2 für die Weiterverarbeitung gewonnen werden.

Hohe Transportkosten und Investitionsrisiken als Hürde

„Welche Länder und Regionen als Exportpartner für Europa in Frage kommen, muss im Einzelfall betrachtet werden“, konstatieren die Kasseler Forscher. Länder mit hohem Erzeugungspotenzial und günstigen sozioökonomischen Rahmenbedingungen wie die USA und Australien könnten große Mengen an PtX-Energieträgern liefern. Allerdings dürfte insbesondere in den USA die inländische Nachfrage groß sein, was das Ausfuhrpotenzial mindert. „Wegen der großen Transportdistanzen wäre es auch wirtschaftlich nicht sinnvoll, aus diesen Ländern grünen Wasserstoff nach Europa zu exportieren“, so die Experten.

Auch näher an Europa gelegene Staaten wie Ägypten oder Libyen wären prinzipiell in der Lage, große PtX-Volumina zu liefern – und auch grünen gasförmigen Wasserstoff, da die Transportstrecken vergleichsweise kurz sind. In diesen Ländern sind die sozioökonomischen Bedingungen jedoch schlechter. Die Investitionsrisiken sind daher höher, was auch die Finanzierungskosten steigen lässt.

Über das Erschließen von Import-Optionen hinaus sollte Europa deshalb auch eine eigene Was-serstoff-Produktion aufbauen, vor allem aus Offshore-Erzeugung, empfehlen die Experten. Gasförmiger Wasserstoff könne so für Industrieverbraucher wie die Stahlindustrie oder in der Energiewirtschaft für neue Gasturbinen effizient bereitgestellt werden. Hier sei eine höhere Wettbewerbsfähigkeit gegenüber importiertem PtX gegeben. Hans-Christoph Neidlein


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